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VeranstalterwechselDeutzer Kirmes geht trotz Schausteller-Streitigkeiten erfolgreich an den Start

Lesezeit 5 Minuten
Viele Menschen auf der neuen Osterkirmes auf der Deutzer Werft. Foto von Uwe Weiser

Die neue Osterkirmes ist auf der Deutzer Werft gestartet.

Die Deutzer Kirmes richtet sich unter dem neuen Veranstalter Wilfried Hoffmann anders aus. Was Schausteller und Besucher dazu sagen.

Der Geruch von Zuckerwatte und Frittieröl liegt in der Luft, Lämpchen blinken und laute Musik dringt ins Ohr. Ein Riesenrad mit 36 Gondeln, ein Ketten-Karussell, das an diesem Tag beinahe an die Wolken reicht und ein Loop Fighter, der die Menschen ordentlich durchschüttelt, stehen an der Deutzer Brücke. Ansammlungen von Menschen schieben sich an Buden vorbei und ihre Unterhaltungen verschmelzen zu einem lauten Brummen. Das Treiben wirkt lebendig. Einige hier freuen sich schon auf ihr Lieblingsessen, auf das sie bereits ein halbes Jahr gewartet haben. Andere können es kaum abwarten zur nächsten Attraktion zu laufen.

Auch in diesem Jahr ist die Deutzer Kirmes bereits am Eröffnungstag gut besucht. Einige der Besucher wissen gar nicht, dass sie beinahe nicht stattgefunden hätte. Der Rechtsstreit um die Stromverteilerkästen am Deutzer Kirmesplatz ist zwar abgeschlossen, aber seine Auswirkungen sind noch immer spürbar. Das Landgericht Köln hatte zugunsten der Stadt Köln entschieden. Die Gemeinschaft Kölner Schausteller (GKS), die die Kirmes für über 50 Jahre ausrichtete, hatte gegen die Stadt geklagt.

Deutzer Kirmes 2024: Rechtsstreit stellte neuen Veranstalter vor Herausforderungen

Der neue Veranstalter Wilfried Hoffmann kann nach der gerichtlichen Klärung den Strom nutzen. Mit dem Wechsel des Veranstalters hat sich vor Ort vor allem eines verändert – die Höhe der Attraktionen. Diese sind schon von Weitem sichtbar, wenn man mit der Straßenbahn über die Deutzer Brücke fährt.

Die kurze Zeitspanne zwischen dem Ende des Rechtsstreits und dem Start der Kirmes am 30. März hat die Schausteller vor zusätzliche Herausforderungen gestellt. Es blieb kaum Zeit, um Schwertransporte anzumelden und Großeinkäufe für die sieben-tägige Kirmes zu tätigen. Der finanzielle Druck ist hoch, da Schausteller monatelang von den Einnahmen einer großen Kirmes wie der in Deutz leben müssen.

Einige der Schausteller vor Ort sind Mitglieder der GKS. Sie haben sich entschieden, zur Kirmes ihres Konkurrenten Wilfried Hoffmann zu wechseln, da er derjenige ist, der in diesem Jahr den Zuschlag der Stadt erhielt. Diese Situation hat zu immensen Spannungen unter den Schaustellern geführt.

Ein Zuckerwattenstand auf der Deutzer Kirmes.

Ein Zuckerwattenstand auf der Deutzer Kirmes.

Rechtsstreit um Deutzer Kirmes: Imbissbetreiber berichtet von dramatischen Situationen

Ein Imbissbetreiber, der Mitglied in der GKS ist und bei Hoffmann kurzfristig um einen Platz auf der Kirmes gebeten hat, schildert seine Situation. Er möchte seinen Namen nicht nennen. „Diese Situation macht mich fertig. Ich habe einen immensen finanziellen Druck, ohne die Kirmes über Ostern hätte ich meine Essensbude dicht machen müssen. Ich habe Sorge um meinen Sohn – was, wenn das Geld nicht reicht?“, fragt 40-jährige.

Die Belastung empfinde er aber in erster Linie nicht finanziell, sondern emotional. „Wenn das Geld knapp wird, macht das jedem Druck, aber wegen dieses dämlichen Monopoly-Streits, habe ich mich mit meiner Frau gestritten und Freunde verloren, die mich schon als Baby auf dem Arm gehalten haben.“ In der Schaustellerbranche ist das Miteinander besonders familiär. „Freunde aus der GKS haben gesagt, sie wollen mich nie wieder sehen. Das bricht mir das Herz“, sagt der Imbissverkäufer weiter.

Italo Cardinale hat wohl den kleinsten Stand auf der gesamten Kirmes. In einem winzigen blauen Wagen, auf dem mit dicken Lettern „Bunte Zuckerwatte“ steht, verkauft er nur die eine süß-fluffige Speise. „Ich führe ein paar Geschäfte hier auf der Kirmes in vierter Generation. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das Ganze mir keinen Stress gemacht hat. Ich hatte Schwierigkeiten so kurzfristig Personal zu finden.“

Von diesen ganzen Belastungen bekommen die Kirmesbesucher nichts mit. Hier ist es laut und bunt wie auch in jedem anderen Jahr. Aber manchen, die schon seit Jahren zu Besuch kommen, fallen die Unterschiede auf. Eine von ihnen ist Barbara Nowakowska. Sie besucht die Deutzer Kirmes schon seit über zehn Jahren. „Ich finde, die Kirmes ist in diesem Jahr besser ausgestattet als sonst, man bekommt mehr für sein Geld. Wie waren gerade in der Geisterbahn, die war sogar richtig gruselig.“ Als Kundin sieht sie die Veränderungen positiv.

Barbara Nowakowska steht mit ihrem Sohn vor dem Gruselkabinett auf der Deutzer Kirmes.

Besucher der Kirmes erfreuen sich auch am Gruselkabinett, hier Barbara Nowakowska mit ihrem Sohn.

Der neue Veranstalter Hoffmann bietet, im Gegensatz zur GKS, keinen Familientag, an dem Kinder Attraktionen vergünstigt besuchen konnten. Claudia und Christopher Stein sind davon nicht begeistert. „Nach zwei bis drei Fahrten muss dann Schluss sein. Es ist einfach zu teuer. Wir vermissen vor allem die ‚Wilde Maus Achterbahn‘, die es hier früher gab. Die neuen Fahrgeschäfte wie der riesige Turm dort drüben sind eher nichts für kleine Kinder.“ Ein weiterer Besucher fügt hinzu: „Ganz fürchterlich, wie hoch hier alle Attraktionen sind. Das braucht vielleicht mein jugendlicher Sohn, aber ich bin eher gemütlich.“

Hoffmann scheint insgesamt auf ein jugendlicheres Publikum zu setzen. In einer Bude am Ende der Kirmes ist ein XL-Penis-Stofftier zu gewinnen. Es sind insgesamt deutlich weniger Kinder unterwegs als in den vergangenen Jahren. Das Fehlen von Kinderermäßigungen und die hohen und schnellen Fahrgeschäfte legen nahe, dass Familien nicht die Hauptzielgruppe sind.

Deutzer Kirmes 2024: Zukunft ist zunächst gesichert

Wilfried Hoffmann habe am Eröffnungstag zu viel zu tun für ein Statement, so sein Pressesprecher Hugo Winkels. Dafür erklärt dieser: „Wir haben keinen Familientag, weil unsere Attraktionen preislich im Vergleich zum vergangenen Jahr gleich geblieben sind. Die Schausteller haben sich bereit erklärt, sie nicht wegen der Inflation zu verteuern.“ Zu den Zerwürfnissen unter den GKSlern sagt er: „Jeder GKSler ist hier willkommen und kann seinen Stand hier aufstellen. Wir hatten der GKS angeboten, künftig eine der beiden Kirmesveranstaltungen im Jahr selbst zu führen, aber das haben sie abgelehnt. Uns wird es auch in Zukunft geben und wir werden uns auch für die nächste Ausschreibung bewerben.“

Die Zukunft der Deutzer Kirmes ist zwar gesichert, es bleibt jedoch fraglich unter welchem Veranstalter. Die Besucher bewerten die bisherigen Veränderungen unterschiedlich. Abzuwarten bleibt auch, wie die Schausteller in Zukunft mit der veränderten Situation umgehen werden.