Um auf den Cologne-Pride hinzuweisen, hat der Kölner Pfarrer Tim Lahr seine Kirche in Pride-Farben geschmückt. Einen Tag später ist die Dekoration zerstört.
Queerfeindlichkeit in KölnUnbekannte reißen Dekoration für Cologne-Pride an Kirche ab
Er hatte schon eine böse Vorahnung: „Seit einem halben Jahr hat der Hass, vor allem im Internet, nochmal deutlich zugenommen“, sagt Pfarrer Tim Lahr. Beleidigungen seien an der Tagesordnung, auch Morddrohungen habe er schon erhalten. „Aber dass so ein Vorfall direkt bei uns vor der Haustür passiert, ist bisher noch nicht vorgekommen.“
Seit Jahren setzt sich Lahr als offen homosexuell lebender Pfarrer öffentlich für queere Menschen in der Kirche ein, etwa auf seinem Instagram-Account „amen_aber_sexy“. Vor der Cologne-Pride wollte er trotz wiederholter Anfeindungen die Säulen seiner Queeren Kirche an der Tempelstraße in Deutz in den Farben der sogenannten Progress-Pride-Flagge schmücken, bei der die Regenbogenflagge um weitere Farben ergänzt wurde, um etwa Trans-Menschen und People of Colour zu repräsentieren. Vier Stunden brauchte er gemeinsam mit den Mitgliedern seiner Gemeinde, bis alles fertig war.
Kölner Pfarrer Lahr ruft zur Solidarität mit der queeren Community auf
„Schon als wir die Dekoration am Donnerstag angebracht haben, kam es zu heftigen Reaktionen.“ Zwar hätten sich einige Passanten über die Aktion gefreut, doch es gab auch einige gegenteilige Reaktionen, erzählt Lahr: Eine Radfahrerin habe ihm zugerufen, dass die Farben an der Kirche nichts zu suchen hätten, eine Gruppe junge Männer habe angedroht, die Dekoration abzureißen.
Und genau so kam es auch: Am Freitagmorgen ist von der Dekoration nicht mehr viel übrig, Unbekannte haben sie, wohl mithilfe eines Messers, abgerissen. „Ich bin schockiert, dass gerade überall Deutschlandfahnen hängen, aber sobald man eine Flagge für Offenheit und Toleranz aufhängt, die allen Menschen gilt, wird sie gewaltsam entfernt“, sagt Lahr.
Er habe umgehend Anzeige bei der Polizei erstattet. „Auch wenn es sich auf den ersten Blick nur um Vandalismus handelt, richtet sich der Angriff gegen die Sicherheit der queeren Community. Diese Leute wollen uns Angst machen. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Menschen, auch außerhalb der queeren Community dagegen aufstehen und zeigen: Es gibt keinen Platz für Gewalt gegen queere Menschen“, so Lahr.
„Die Polizei nimmt solche Taten sehr ernst. Wir appellieren an jeden, der Opfer einer solchen Straftat wird, sich bei uns zu melden“, sagte ein Polizeisprecher zu dem Vorfall. Wer aus welchen Gründen auch immer Hemmungen habe, den verweist der Sprecher an den Queer-Beauftragten der Polizei, Thorsten Helmers, der als Verbindungsglied zwischen Community und Polizei fungiert.
Laut Angaben der Behörde gab es im vergangenen Jahr 30 Anzeigen wegen queerfeindlicher Übergriffe in Köln, 2022 waren es noch zehn weniger. In diesem Jahr hat die Polizei bisher nur vier Anzeigen registriert. Das Dunkelfeld dürfte aber hoch sein.
Einschüchtern lassen wolle er sich von dem Angriff nicht, sagt Lahr. Noch am Freitag wollte er neue Farben kaufen und die Kirche erneut schmücken. „Wie genau, wissen wir noch nicht, aber wir lassen es nicht zu, dass uns diese Menschen unsichtbar machen“, versichert Lahr.