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Streit im InternetAnwohner kritisieren Bebauungspläne für Kölner Zurich-Gelände

Lesezeit 4 Minuten

Agrippina thront über einem der denkmalgeschützten Häuser des Viertels, die beim Entwicklungsprojekt stehen bleiben werden.

  1. Auf dem früheren Bürocampus der Zurich-Versicherung sollen rund 285 Wohnungen entstehen.
  2. Allein an der Worringer Straße würden dann rund 800 statt bisher 80 Menschen leben. Anwohner kritisieren das Projekt.
  3. Online haben sie nun einen Bürgerdialog mit der Politik und dem Investor gestartet. Die Hintergründe.

Innenstadt – Zu konstatieren, dass sich das Umfeld für die Bewohner des Neustadt-Villenviertels am Rhein verändern wird, wäre stark untertrieben. Auf dem früheren Bürocampus der Zurich-Versicherung sollen rund 285 Wohnungen entstehen (der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete).

Allein an der Worringer Straße würden dann rund 800 statt bisher 80 Menschen leben. Ab November soll der Abbruch zwischen Worringer und Oppenheimstraße losgehen; im Mai 2021 der vierjährige Hochbau. Zwei prachtvolle Denkmal-Bürohäuser an der Riehler Straße werden saniert und ebenfalls zu Wohnraum.

Entwickler ist Corpus Sireo Real Estate, an mehreren Orten Kölns und in weiteren deutschen Metropolen aktiv. Die Zurich zieht in die Deutzer Messe-City, wo der Konzern seine Standorte in Köln und Bonn zusammenlegt. Nahe Skulpturenpark und Zoobrücke stehen die Räume leer, Flaggen und Konzernlogo sind eingeholt, es sieht nach Aufbruch aus. Dem Bauprojekt liegt ein nicht öffentlicher städtebaulicher Vertrag zwischen Corpus Sireo und der Stadt zugrunde.

Bürgerdialog zwischen Nachbarn, Politik und Investor

Anwohner, die das Projekt stark kritisieren und sich in der „Interessengemeinschaft Neustadt-Nord/Villen-Viertel“ vereint haben, haben vor wenigen Tagen einen Bürgerdialog zwischen Nachbarn, Politik und Investor organisiert, um das Vorhaben zu beleuchten. Das geschah wegen der Corona-Pandemie komplett digital, wohl erstmals bei solch einem Thema in Köln. Mit den rund 50 zugeschalteten Bürgern diskutierten Peter Schmidt, Niederlassungsleiter Rheinland der Corpus Sireo, Architekt Prof. Juan Pablo Molestina sowie Regina Börschel (SPD) und Günter Leitner (CDU) aus der Bezirksvertretung Innenstadt. Auch städtische Vertreter waren eingeladen, sagten aber mit Verweis auf die nahende Kommunalwahl ab. Es wurden zwei hitzige Stunden, wenn auch vor dem PC anstatt wie sonst im Saal.

Die Worringer Straße präsentiert sich derzeit als Allee mit üppigem Grün. Die Anwohner hoffen, dass dies auch so bleibt.

Reinald Korte, einer der IG-Mitstreiter, zeigte sich mit Ablauf und Akzeptanz des Online-Formats hochzufrieden, jedoch in der Sache enttäuscht. „Wir versuchen jetzt zu retten, was noch zu retten ist“, merkt er an. Die Nachbarn sind mit dem Projekt weiterhin nicht glücklich. Sie befürchten eine Verschandelung durch die modernen Flachdach- statt der bestehenden eleganten Walmdach- und Giebelhäuser, erwarten jahrelangen Baulärm und Schmutz, den Verlust von Grün und ein Parkchaos. Die vorgesehenen 276 Tiefgaragenplätze, nach Abzug von 40 Prozent „ÖPNV-Anbindungs-Rabatt“, seien zu wenig.

Städtebaulicher Vertrag statt Bebauungsplan

Generell bemängeln die Anwohner, dass ein städtebaulicher Vertrag statt eines bei solchen Vorhaben üblichen Bebauungsplans gewählt wurde. „Letztendlich hat sich der Klüngel durchgesetzt, kölscher Klüngel in Reinkultur“, kritisiert Korte. „Es ist völlig normal, dass in Köln Wohnungen gebaut werden, und es muss ja auch sein. Aber dann doch bitte zu den gängigen Spielregeln.“ Durch den langen Projekt-Vorlauf seit dem Jahr 2015 wäre Zeit genug gewesen. „Im Bebauungsplan würde all das festgelegt, was wir jetzt nachträglich zu regeln versuchen müssen.“

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Die Architektur halte man weiter für verfehlt, eine gute ÖPNV-Anbindung durch die heruntergekommene, nicht barrierefreie Bahn-Haltestelle Reichenspergerplatz für nicht gegeben. Auf die Frage, ob denn „zwischen den Jahren“ von Weihnachten bis Silvester Bauruhe herrschen könnte, kam in der Debatte die etwas vage Antwort, dass „an Weihnachten nicht gebaut“ werde.

Architekt Molestina verteidigte dagegen das Planwerk. „Wir erhalten die Hofstruktur und schaffen auch Transparenz; eine neue Achse und neue Wege zwischen den Gebäuden. Und wir geben der Stadt mit den begrünten Dächern Grün zurück.“

Drei Architekten mit Fassade beauftragt

„Der städtebauliche Vertrag regelt, dass öffentlich zugängliche Spielplätze und auch eine Kita gebaut werden. Und er legt fest, dass wir gemäß Kölner Kooperationsmodell 30 Prozent der Wohnungen öffentlich gefördert errichten“, ergänzte Schmidt. Drei Architekten seien mit der Fassade beauftragt, die mehrfach im Gestaltungsbeirat der Stadt vorgestellt worden sei.

Auch das Baudezernat weist die Kritik am Verfahren zurück. Schon 2016, als Corpus Sireo das Projekt präsentierte, sei festgestellt worden, dass es zulässig sei, gemäß Paragraf 34 Baugesetzbuch zu bauen – also innerhalb eines örtlichen Zusammenhangs, der sich ins Gesamtbild einfügt – und somit kein Bebauungsplan nötig sei. „Somit bestand und besteht ein Rechtsanspruch auf Genehmigung des Vorhabens.“ Die Planung sei „stetig weiterentwickelt und optimiert“ worden; im Sommer 2019 habe man zudem schon einmal die Bezirksvertretung Innenstadt beteiligt.

Überdies hebt das Baudezernat die freiwillig zugesagte 30-Prozent-Quote geförderter Wohnungen sowie die geplante Kita samt Spielplätzen hervor. Im Genehmigungsverfahren werde man die Verkehrsauswirkungen prüfen. Ebenso werde sichergestellt, „dass die denkmalgeschützte Bausubstanz sowie das Naturdenkmal, die Platane, erhalten bleiben“. Weiter diskutiert wird am Donnerstag, 4. Juni – dann gibt es in der Bezirksvertretung Innenstadt eine Aktuelle Stunde zum Bauprojekt.