Die AWB verwechselte ein zu entfernendes Graffiti und beschädigte dabei den „Kölner Totentanz“ von Harald Naegeli.
„Tragisches Versehen“AWB putzt denkmalgeschütztes Kölner Kunstwerk weg
Die Stadt Köln ist um ein „tragisches Versehen“ reicher und deswegen bis auf Weiteres um ein bedeutendes Kunstwerk ärmer. Vor wenigen Tagen, heißt es aus dem städtischen Museum Schnütgen, sollte ein „nicht erwünschtes Graffiti“ entfernt werden, das in unmittelbarer Nähe des erwünschten, vom weltbekannten Schweizer Künstler Harald Naegeli auf eine Mauer des Schnütgen gespraytes Totentanz-Graffiti aufgetragen worden war. „In diesem Zusammenhang“, so die Stadt, „wurden leider auch große Teile des Naegeli-Skeletts entfernt.“
Es ist nicht das erste Mal, dass der Putzteufel in die Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe gefahren ist. Aber selten trifft es ein Graffito, das unter dem offiziellen Schutz der Denkmalbehörde steht. Die war eingebunden, konnte das Missverständnis aber offenbar nicht verhindern. Immerhin wurde das lebensgroße „Tödlein“ nicht vollends ausgelöscht. Laut Stadt sind der Kopf und die Hände der Figur noch erhalten sowie Spuren des übrigen Strichmännchenleibs.
Bekannt wurde der heute 84-jährige Harald Naegeli als Sprayer von Zürich. In den 1970er Jahre hatte er die Mauern seiner Heimatstadt mit mehr als tausend Strichfiguren überzogen und die braven Bürger „mit beispielloser Härte, Konsequenz und Rücksichtslosigkeit“, so urteilte 1981 ein Richter, in ihrem Glauben an die Unverletzlichkeit des Eigentums erschüttert. Nachdem Naegeli aktenkundig geworden war, verlegte er seine umstürzlerische Verschönerung von Betonwänden ins Ausland. Über Umwege kam er nach Köln, wo ihn das reiche mittelalterliche Erbe (oder der morbide Charme der Stadt) dazu inspirierte, seine markanten Strichfiguren in Abbilder des Todes zu verwandeln.
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Nicht die erste Beschädigung des Kunstwerkes
Angeblich tanzten Anfang der 1980er Jahre mehrere Hundert illegale Knochenmänner durch Köln. Im Kunstverein wurde Naegelis „andere Malerei“ in einer Ausstellung gewürdigt, und Anton Legner, damaliger Direktor des Museum Schnütgen für mittelalterliche Kunst, ließ ihn das denkmalgeschützte „Tödlein“ an eine Wand von St. Cäcilien sprühen. Heimisch wurde Naegeli in Köln trotzdem nicht. Er zog weiter nach Düsseldorf, und sein Todesreigen wurde durch städtische Reinigungskommandos bis auf einige wenige Exemplare zusammengeschrubbt.
Eine halb-offizielle Zählung dieser Zeitung kam vor einigen Jahren auf fünf Kölner Naegeli-Werke: der legale „Totentanz“ an der Fassade des Museums Schnütgen, zwei Strichmännchen im Elefantenhaus des Zoos, ein verwaschener Totenschädel am Konrad-Adenauer-Ufer und eine Strichfigur an der Villa des Sammlers Louis Peters. Sie erinnern an eine Zeit, in der die produktive Störung der öffentlichen Ordnung beinahe als Künstlerpflicht galt und Graffiti noch nicht zur überbordenden Stadtplage geworden waren. Ohne Naegeli gäbe es wohl keinen Banksy, zumal auch er seine Karriere als geheimnisvoller Unbekannter begann.
Es ist nicht das erste Mal, dass der „Totentanz“ am Schnütgen gelitten hat. Das Original des behänden Knochenmanns zeichnete Naegeli 1980 an die Museumswand, 1989 wurde diese moderne Interpretation eines alten Motivs mit offizieller Erlaubnis erneuert. Anders als in den berühmten Totentänzen des Mittelalters, in denen sich jeder Mensch ohne Ansehen von Stand und Geschlecht in den Reigen des Sterbens einreihen musste, tanzt Naegelis Knochenmann allein. Gleichwohl nicht auf seinem kalten Grabstein, wie der Aberglaube will, sondern im steinernen Rahmen einer zugemauerten Kirchentür. Seine Arme gespreizt, die Beine breit, scheint er die Säulen zu halten und das gesamte Mauerwerk vor dem Einsturz zu bewahren.
Die Stadt Köln will nun prüfen, wie das beschädigte „Tödlein“ restauriert werden kann. Naegeli selbst könne dies aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr tun, habe sein Einverständnis mit einer Rettung aus fremder Hand aber signalisiert. Auch wie das Werk danach vor Beschädigungen besser geschützt werden könne, werde derzeit geprüft.