Was ist der Bebauungsplan mit Wohnungen für das Laurenz-Carré wert, wenn der Rat ihn beschließt? Der Investor will keine Wohnungen bauen.
Baustelle im Laurenz-CarréGerchgroup will keine Wohnungen bauen – das sagt Kölns Baudezernent Greitemann
Es geht um 64 Wohnungen nahe des Kölner Doms und die Frage, ob der Projektentwickler sie tatsächlich baut. Die Düsseldorfer Gerchgroup sah Wohnungsbau im Laurenz-Carré seit dem Kauf des Geländes im Jahr 2017 skeptisch, vor allem die 19 öffentlich geförderten Wohnungen mit günstigen Mieten – doch die Kölner Politik bestand darauf. Jetzt hat die Gerchgroup gegenüber der Stadt angekündigt, angesichts der vielen Krisen sei der Wohnungsbau nicht mehr rentabel, sie wolle darauf verzichten. Trotzdem soll der Rat am Donnerstag den Bebauungsplan für das Gebiet südlich des Roncalliplatzes verabschieden. Der Bau auf einigen Feldern läuft schon, 2025 sollen alle Büros, ein Hotel und Gewerbe wohl fertig sein. Aber was ist mit den Wohnungen? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Ist die Gerchgroup rechtlich verpflichtet, Wohnungen zu bauen, wenn der Rat den Bebauungsplan beschließt?
Das ist die große Frage. Die Stadt verweist auf den Text im Bebauungsplan, dort heißt es zu dem Baufeld neben dem Kundenzentrum Innenstadt, an der Stelle „sind oberhalb des ersten Geschosses nur Wohnungen zulässig“. Baudezernent Markus Greitemann sagte: „Die aktuelle Vorlage setzt den politischen Willen um, an der Stelle öffentlich-geförderten Wohnungsbau umzusetzen.“ Aber was bedeutet das in der Realität, wenn die Gerchgroup keine Wohnungen bauen will?
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Gibt es eine Vorgeschichte?
Ja – und zwar eine lange; voller Drohungen und Druck. Beispiel Nummer eins: 2018 konnte sich die Jury nicht auf die Höhe einiger neuer Gebäude einigen, der zuvor schon eingeladenen Presse konnte die Jury kein Ergebnis präsentieren. Die Gerchgroup wollte ihre Vorstellung der Bruttogeschossflächenzahl haben, die Logik: mehr Fläche, mehr Rendite. Die Stadt pochte auf die Verträglichkeit im Stadtbild. Nummer zwei: Die Gerchgroup sagte 2019 ein weiteres Treffen der Jurysitzung am angesetzten Morgen ab, die Mitglieder waren sogar schon anwesend. Ein Affront.
Der Projektentwickler war sauer, weil die Stadt auf einem neuen Bebauungsplan bestand. Und Nummer drei: Der Stadtrat verhängte kurz darauf eine Veränderungssperre für das Gebiet, die Sperre gibt der Verwaltung mehr Macht als üblich, bestimmte Wünsche des Investors zu verhindern. Die läuft jetzt aber aus und kann nicht verlängert werden, deshalb ist die Verwaltung in Zeitnot und gibt das Thema in den Rat.
Was würde eine Zustimmung des Rates bedeuten?
Der Stadtrat entscheidet über den Satzungsbeschluss des Bebauungsplanes. Stimmt das Gremium zu und die Stadt veröffentlicht ihn anschließend im Amtsblatt, ist er rechtskräftig – inklusive der Passage, dass nur Wohnen ab dem ersten Obergeschoss in einem Baufeld zulässig ist. Das ist der formale Teil.
Und wie geht es weiter?
Dann folgt der Verhandlungsteil. Die Stadt hatte der Politik mitgeteilt: „Gerchgroup und die Stadt Köln werden sich im Anschluss an die Beschlussfassung kurzfristig über die weitere Vorgehensweise abstimmen.“ Aber was heißt das konkret? Der Rat beschließt die Satzung und hinterher verhandeln Stadt und Investor, ob und wie viele Wohnungen es tatsächlich gibt? Was ist der Beschluss wert, wenn die Gerchgroup dort keine Wohnungen bauen will? Und wie hart verhandelt die Stadt? Sie hatte gegenüber der Politik ja Verständnis für die Position der Gerchgroup ausgedrückt. Mathias Düsterdick, Vorstandsvorsitzender der Gerchgroup, hofft auf eine gemeinsame Lösung. Er sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Man wird sehen müssen, was wirtschaftlich machbar ist und das gemeinsam entscheiden.“
Was sind mögliche Szenarien?
Es sind mehrere denkbar, die gerade im Rathaus und der Politik diskutiert werden. Eines davon: Die Gerchgroup baut doch die Wohnungen, das käme aber überraschend. Eine andere: Sie besteht darauf, keine Wohnungen zu bauen und verkauft das Areal. Ein anderes, mögliches Szenario laut Branchenkennern: Die Gerchgroup kündigt aus Verärgerung möglicherweise an, in direkter Dom-Lage erstmal nichts mehr zu tun – und könnte so Druck auf Verwaltung und Politik erzeugen, den Satzungsbeschluss nachträglich zu ändern.
Für diesen Fall könnte demnach unter anderem entscheidend sein, ob die Verwaltung den Satzungsbeschluss inklusive der Passage zum Wohnen nach der Ratssitzung am Donnerstag schnell im Amtsblatt veröffentlicht, damit er rechtskräftig wird. Oder die Verwaltung wartet mit der Veröffentlichung ab, bis das Ergebnis der Verhandlungen vorliegt und verweist dann darauf, dass der Bebauungsplan ja noch gar nicht rechtskräftig ist, eine Änderung also leichter umzusetzen sei. Noch sind das Spekulationen. Hinter vorgehaltener Hand sagen Verwaltungsexperten über einen möglichen Verzicht auf die Wohnungen durch die Stadtverwaltung in den Verhandlungen: „Das wäre ein Armutszeugnis für die Stadt und ein Präzedenzfall. Das geht so nicht.“ Greitemann sagt, er gehe in die Gespräche mit der Gerchgroup, um das Beste für die Stadt zu erreichen.
Wird der veränderte Plan noch mal für die Öffentlichkeit ausgelegt?
Nein – obwohl die Verwaltung genau das bei anderen Änderungen am Bebauungsplan im März gemacht hatte. Der Rat soll am Donnerstag die Änderungen und gleichzeitig die Satzung beschließen, ohne Offenlage, damit Bürger sich dazu äußern können. Die Verwaltung teilte dazu mit: „Die Änderungen im Text der Begründung haben keine Auswirkungen auf den Entwurf des Bauleitplanes, auch nicht auf seine Festsetzungen.“ Linken-Fraktionsgeschäftsführer Günter Bell hat trotzdem angekündigt, den Verzicht darauf rechtlich prüfen zu lassen. Und Michael Weisenstein von den Linken sagt: „Die Stadtverwaltung muss nun dafür sorgen, dass am Laurenz-Carré die zugesagten Wohnungen gebaut werden.“