Die Gerchgroup darf ein Grundstück vor dem Dom bebauen, muss dort aber Sozialwohnungen errichten. Nun sollen die wieder gestrichen werden.
Trotz Vereinbarung mit der Stadt KölnWohnungsbau im Laurenz-Carré kann laut Investor „nicht realisiert werden“
Die Gerchgroup will entgegen bisheriger Beschlüsse doch keine Wohnungen auf dem Gelände des Laurenz-Carré bauen. Auch die bislang explizit vorgesehenen Sozialwohnungen würden somit entfallen. Das geht aus einer Mitteilung der Verwaltung an den Stadtentwicklungsausschuss hervor. In dieser heißt es: „Die Gerchgroup hat kurzfristig der Verwaltung mitgeteilt, dass aufgrund des derzeitigen Marktumfelds sowie den erschwerten lagespezifischen Rahmenbedingungen eine Realisierung des Wohnungsbaus am innerstädtischen Standort Laurenz-Carré nicht möglich ist.“
Der Düsseldorfer Investor hatte sich in den Verhandlungen um das zentrale Gelände in direkter Domumgebungen verpflichtet, auf einer 1.380 Quadratmeter großen Fläche des Geländes Wohnungen zu bauen. Diese grenzen in der Planung direkt an den Karl-Küpper-Platz und sollen entlang der Marspfortengasse entstehen. Auf der Webseite der Gerchgroup ist die Rede von einem „harmonischen Gesamtquartier, in dem Büros, Einzelhandel und Gastronomie genauso ihren Platz finden wie Wohnungen und Hotels“. Doch in den Verhandlungen mit der Stadt drängt der Investor nun darauf, die Wohnungen gänzlich aus der Planung zu streichen.
Stadt Köln hielt Wohnungen in 2020 noch für einen Verhandlungserfolg
Im Frühjahr 2020 hatte Baudezernent Markus Greitemann noch viel Wert darauf gelegt, den Wohnungsbau in den Vertrag mit der Gerchgroup verhandelt zu haben. Geplant waren 64 Wohnungen, darunter 19 Sozialwohnungen. „Die Gespräche waren kontrovers, aber auch kooperativ“, sagte Greitemann im April 2020 Markus Greitemann im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Er sei hochzufrieden, dass es am Ende doch noch zu einer Einigung kam. „Auf Grundlage dieses Vertrages wird unser Ziel, die Schaffung eines urbanen und gemischten Quartiers im Schatten des Doms, nun erreicht“, sagte damals Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos).
Und jetzt? Auf die Frage, ob die Verwaltung davon ausgehe, dass das Projekt wie bislang geplant umgesetzt werde, antwortete die Stadt – fast wortgleich mit der Mitteilung an den Stadtentwicklungsausschuss – mit dem Wunsch des Investors. Als Akteur tritt die Stadt selbst in der Antwort nicht in Erscheinung.
Und offenbar ist das Baudezernat tatsächlich bereit, entgegen vorheriger Vereinbarungen Zugeständnisse zu machen. „Die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen treffen aktuell viele Bauvorhaben, insofern ist die Bitte durchaus nachvollziehbar“, heißt es von der Stadt weiter. Der Stadtrat soll bei seiner Sitzung am 15. Juni einen Angebotsbebauungsplan umsetzen. Dieser sieht vorerst wie bislang die Wohnbebauung vor. Doch es gibt Spielräume. „Die Gerchgroup und die Stadt Köln werden sich kurzfristig über die weitere Vorgehensweise abstimmen“, heißt es weiter.
Lässt sich die Stadt Köln von der Gerch Group vorführen?
Bei dem nördlichen Teil in Richtung Dom, auf dem der Investor mit der Errichtung von Bürogebäuden sichere Gewinne erwartet, gibt es offenbar keine Probleme im Zeitplan. „Die nördlichen Baufelder liegen überwiegend Baugenehmigungen vor, das heißt, sie werden wie geplant umgesetzt“, heißt es weiter von der Stadt. Für das südliche Baufeld werde „gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten gesucht“.
Einige Politiker werfen der Stadt vor, sie lasse sich vom Investor vorführen. „Die Stadt darf sich nicht darauf einlassen, den Wohnungsbau im Laurenz-Carré zu streichen“, sagte etwa Michael Frenzel, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. „Diese Forderung des Investors geht gegen bisherige Vereinbarungen. Insbesondere der geförderte Wohnungsbau ist entscheidend. Denn in den Geschäften, Restaurants und Cafés in der Innenstadt arbeiten viele Menschen ohne hohes Einkommen“, so Frenzel weiter.
Gerch Group hat noch im November versprochen, im Plan zu bleiben
Die Wohnbebauung war die wichtigste Forderung, die von der Stadt für das zentrale Areal gestellt worden ist. Mit dem Hinweis auf wirtschaftliche Probleme steht diese nun plötzlich wieder infrage. Dabei ist das Gesamtprojekt nach Angaben der Stadt unabhängig von der Entscheidung in der Wohn-Frage keineswegs gefährdet. Die Gerchgroup bestätigte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Anfrage, dass eine Wohnbebauung am Laurenz-Carré aus Sicht des Unternehmens „nicht realisiert werden kann“.
Man befinde sich im Austausch mit der Stadt, um für das Gelände „Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren und zu finden“. Wie genau diese Lösung aussehe, bleibe „den anstehenden Gesprächen mit der Verwaltung und Politik vorbehalten“. Auch ein Mehrwert für die Stadt soll laut Gerchgroup entstehen – wie dieser ohne Wohnungsbau geschaffen werden kann, ist jedoch unklar. Noch im November sagte Gerch-Vorstand Alexander Pauls mit Blick auf die Krisenlage über das Laurenz-Carré: „Wir bekommen mit, dass andere Projekte aufgrund der aktuellen Lage unterbrochen werden. Wir machen das nicht. Unser Versprechen ist, dass wir im Zeitplan bleiben.“ Das hat sich nun geändert.
Kölner CDU hält Streichung der geförderten Wohnungen für denkbar
Das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt zeigt sich derzeit abwartend – und ist sich offenbar nicht ganz einig über das weitere Vorgehen. „Wenn der Wohnungsbau an dieser Stelle erhalten bleibt, dann werden wir darauf bestehen, dass auch geförderte Wohnungen gebaut werden“, sagte Sabine Pakulat (Grüne), Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses.
Zur Frage, ob der Wohnungsbau überhaupt sicher erhalten bleibe, äußerte sie sich nicht. CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz hingegen stellt explizit den geförderten Wohnbau infrage. „Jetzt muss man abwägen, bevor man das gesamte Projekt gefährdet. Zum jetzigen Zeitpunkt lege ich mich nicht fest, es wäre aber eine Option, den geförderten Wohnbau für das Laurenz-Carré zu streichen“, sagte er.