Die Initiatorinnen sind nach dem Zuschlag glücklich. Doch einspurige Einbahnstraßen und weniger Parkplätze finden im Veedel nicht alle gut.
„Kein zweiter Brüsseler Platz“So reagieren Befürworter und Kritiker auf die ersten Superblöcke in Köln
Barcelona, Wien und Los Angeles: Hier wurden Superblöcke als Zukunftsmodell popularisiert. Also Häuserblöcke, auf deren Straßen man den Durchgangsverkehr zum Beispiel durch Poller an geeigneten Stellen konsequent unterbindet und auf die Hauptverkehrsachsen leitet. Damit einher gingen intensive Debatten darüber, wie begrenzter Platz in urbanen Gegenden verteilt wird. Mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer? Weniger Straßen und Parkplätze für Autos?
Köln: Veedel reagiert auf Superblock
In Köln sind Superblöcke keine neue Idee, und doch stehen die Veedel am Anfang dieser Debatte. So sieht es Clara Walther. Sie ist Sprecherin der Interessensgemeinschaft (IG) Winzerveedel, die einen Superblock zwischen Kwartier Latäng, Barbarossaplatz und Vringsveedel entstehen lassen will.
Die Zusage der Bezirksvertretung Innenstadt vom vergangenen Donnerstag wertet Walther als Zwischenetappe: „Für uns sind da noch viele Fragezeichen und wir sind jetzt gespannt darauf, wie es weitergeht.“
Denn für den ersten Superblock Kölns gibt es zwar eine Menge Ideen, aber noch kein endgültiges Konzept. Für die Stadt sei das Thema „Neuland“, heißt es in der Begründung. Fast auf den Tag genau drei Jahre nachdem die Bezirksvertretung vorbereitende Maßnahmen für Superblocks gefordert hatte, entschied sie am Donnerstag, prüfen zu lassen, wie viele Autos durch das Viertel fahren und ob ein Superblock überhaupt juristisch machbar ist.
Stadtgarten-Verein: „Wir wollen gestalten, wir wollen mitmachen“
In der etwa zwei Jahre alten IG freuten sich alle sehr über die Entscheidung, erzählt Walther. Schließlich sei die einstimmige Zustimmung ein „großer Meilenstein“. Die Freude teilte auch der Stadtgarten-Verein, der ebenso die Zusage für einen „Veedelsblock“ erhalten hat. Vorständin Iris Pinkepank hatte die Entscheidung im spanischen Bau mit Spannung erwartet. „Wir waren total begeistert über den Zuschlag“, erzählt sie, „denn wir wollen gestalten, wir wollen mitmachen.“
Für Pinkepank beginnt der Diskurs unter den Nachbarn über den Superblock am 22. September. Dann lädt der acht Monate junge Verein ansässige Händler, Unternehmer und Vereine Sommerfest „Park-Platz-Tag“ an der Christuskirche ein. Impulse sollen diverse Vorträge geben.
„Wir machen die Veranstaltung vor allem“, erklärt Pinkepank, „weil wir davon ausgehen, dass die Transformation ein komplexer, sozialer Suchprozess ist, der sehr viel Fremdstoff beinhalten kann und den man sehr sorgfältig und sauber begleiten muss, damit er erfolgreich wird.“
Umfrage: „Wir wollen keinen zweiten Brüsseler Platz“
Im Winzerveedel weiß Clara Walther bereits, dass nicht alle von einem Superblock mit weniger Parkplätzen und mehr Einbahnstraßen begeistert sind. Eine selbstorganisierte Umfrage habe den Ehrenamtlerinnen gezeigt: „Wir wollen keinen zweiten Brüsseler Platz.“
„Immer, wenn man ein begrenztes Gut hat, sind sich vielleicht nicht alle darin einig, wie man es verteilt“, erklärt Walther. Dabei unterstreicht sie, dass die Straßen nicht autofrei, sondern weiterhin mit dem Auto befahrbar sein sollen.
Bäcker befürchtet Umsatzeinbrüche
Das reicht Christoffer Wolff nicht. Im Winzerveedel befindet sich die Backstube „Wolff's“, die seine sechs Bäckereien beliefert. Er hat die Sorge, dass ihm durch den Superblock Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten abspringen könnten. „Durch weniger Parkplätze würden uns unheimlich viele Stammkunden fehlen, die am Arbeitsweg morgens im Auto halten.“ Wolff rechnet mit einem Umsatzausfall von 40 bis 45 Prozent.
Auch seine Mitarbeitenden bräuchten Parkplätze in der Nähe. „Ich habe zum Beispiel einen trans Mitarbeiter, der Angst hat, wenn er nachts von seinem Parkplatz an der weit entfernten Tankstelle hierher laufen muss.“
Tonnenschwere Lieferung mit der Sackkarre „nicht zumutbar“
Und schließlich fragt sich der 35-jährige Bäcker, wie die vier bis fünf Tonnen Mehl angeliefert werden sollen, die er wöchentlich verarbeitet. „Für meinen Lieferanten ist das unwirtschaftlich.“ Eine Lieferung mit der Sackkarre sei „nicht zumutbar.“
Dabei betont Wolff immer wieder, nicht grundsätzlich gegen Klimaschutz zu sein: „Wir brauchen eine Verkehrswende. Städte müssen grüner werden. Tempo 30 in der Nähe von Kindergärten ist sinnvoll.“ Doch als ansässiger Unternehmer sei er gerne in den Entscheidungsprozess eingebunden worden, sagt er verärgert. Seine rote Linie lautet: „Sollte es kommen, dass unsere Straße ‚Am Duffesbach‘ einspurig wird und die ganzen Parkplätze wegfallen, dann machen wir auf kurz oder lang zu.“
„Habitat Coffee“: Inhaber freut sich über Superblock
Niklas Spelthan betreibt weniger Meter entfernt „Habitat Coffee.“ Für seinen Betrieb sei ein Superblock ein „Win.“ Der 32-Jährige kann die Sorgen seines Nachbarn verstehen, ist sich aber sicher: „Für die drei, vier Läden in der Gegend gibt es bestimmt eine Lösung. Hier ist es nicht so schwierig wie zum Beispiel auf der Venloer Straße.“
Auch Clara Walther von der IG Winzerveedel ist zuversichtlich, dass noch genug Zeit ist, um Lösungen zu finden: „Superblocks sind ein erprobtes Konzept und man kann aus Dingen, die andernorts nicht gut funktioniert haben, lernen.“