Andreas Hupke, Bezirksbürgermeister der Kölner Innenstadt, spricht im Interview über den Umgang mit Karneval und ein mögliches Alkoholverbot.
Hupke kritisiert Stadt und RatBezirksbürgermeister zu Karneval: „Die Innenstadt kann nicht mehr“
Herr Hupke, Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat im Interview mit uns gesagt, Menschen in der Innenstadt müssten „hartgesotten“ sein. Das hat Sie gestört. Warum?
Andreas Hupke: Mein Ärger ist seitdem noch stärker geworden. Für mich gilt: Nach hartgesotten kommt abgebrüht und dann Gleichgültigkeit. Da steckt meiner Meinung nach der Wink drin: Ihr habt es zu akzeptieren. Das ist für mich nicht okay. Da muss ich dagegenhalten. Den Menschen in der Innenstadt wird immer mehr abverlangt. Wir können die Verhältnisse nicht einfach hinnehmen. Ich finde es auch nicht in Ordnung, dass die OB von den Menschen verlangt, dass sie ihre Autos vor Karneval wegfahren, damit sie nicht beschädigt werden. Das halte ich für nicht akzeptabel. Viele sagen ja auch, man solle dann wegziehen, wenn man es nicht aushalte.
Das stört Sie offensichtlich.
Ja, weil viele in der Innenstadt es als Veedelsenteignung empfinden. Gerade Familien mit kleinen Kindern ziehen weg. Das geht mir nahe.
Aber dass in der Innenstadt mehr los ist als in den Außenbezirken ist doch logisch, oder?
Das kann man so sehen, aber es gibt auch Städte, die gegensteuern. Beispielsweise Barcelona oder auch Mallorca. Köln hat etwa 405 Quadratkilometer, davon hat die Innenstadt mit Deutz nur 19 Quadratkilometer. Zieht man Deutz mit seinen 5,4 Quadratkilometern ab, weil dort nicht einfach nicht so viel stattfindet, bleiben für die linksrheinische Innenstadt nur rund 14,5 Quadratkilometer. Das ist nicht viel. Die Innenstadt kann nicht mehr, sie kann nicht mehr leisten. Ich kenne keine Stadt, wo sich diese Masse an Belastungen derart schnell erhöht. Es ist nicht mehr zumutbar und macht die Innenstadt kaputt. Und es wird ja nicht weniger, im Gegenteil: Es wird mehr, weil Stadt und Rat nicht gegensteuern. Ich kann ihnen nur empfehlen: Passt besser auf die Innenstadt auf und kümmert euch, sonst breiten sich die Probleme weiter aus.
Und welche Maßnahmen schlagen Sie konkret vor?
Der Rat hat sich 2008 für die Eventstadt Köln ausgesprochen und meines Wissens ist der Beschluss noch gültig. Das besagt ja: Je mehr Events, desto besser für die Stadt, weil es Geld bringt durch die Gäste. Mittlerweile müssen wir an Karneval Teile der Innenstadt – übertrieben gesagt – einmauern, um die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner zu garantieren. Das kann es nicht sein. Und die Innenstadt mit ihren Problemen ist nur der Anfang.
Aber es gibt doch Unterschiede bei den Events, oder? Eine Millionenstadt ohne Events ist doch unrealistisch.
Wir müssen uns die Frage stellen: Was will diese Stadt? Ich bin der Meinung: Wir brauchen den Einstieg in den Ausstieg. Wir müssen die Gästezahlen reduzieren, die nach Köln kommen. Wir brauchen dafür eine ganz andere Außendarstellung, das fängt bei Köln-Tourismus an. Köln kann nicht in der ganzen Republik als Party-Hauptstadt gelten. Wir müssen viel deutlicher unsere Qualitäten zeigen, beispielsweise die Kultur in der Innenstadt. Aber diesen Schatz heben wir doch gar nicht.
Nicht jeder Jugendliche interessiert sich für Kultur.
Das stimmt. Trotzdem müssen wir unser Image verändern.
Können Sie sich mit einem Alkoholkonsumverbot anfreunden?
Ja, für mich ist das die Ultima Ratio.
Doch das ist rechtlich nicht so einfach.
Das ist das Problem, weil wir als viertgrößte Stadt Deutschlandes keine eigene Gesetzgebung haben. Es braucht doch in Köln andere Möglichkeiten als in Hürth, das ist ein Witz.
Also kein Bier am Wegrand des Rosenmontagszuges oder kein Wegbier mehr? Wie praktikabel ist so ein Verbot?
Gegenfrage: Wie praktikabel ist ein Waffenverbot? Wenn ein Verbot gilt, muss es auch durchgesetzt werden. Aber ja, ich bin für ein Alkoholkonsumverbot. Es kann so nicht weitergehen: Der Kneipen-Karneval ist platt, den gibt’s immer weniger, teils machen die Kneipen dicht wegen der Verhältnisse. Viele junge Menschen decken sich mit billigem Alkohol ein und feiern auf der Straße. Ich bin völlig überrascht, dass viele glauben, Karneval müsse billig sein. Was ganz billig ist, hat keinen Wert. Auch für die Händler wird die Situation nicht besser.
Warum?
Wenn irgendwo ein Verkehrsversuch stattfindet, gibt es einen Aufschrei, dass die Händler Einbußen haben. Das könne nicht sein. Aber an Karneval ist es für die Händler an der Zülpicher Straße zumindest für einige Tage ja dasselbe. Da höre ich aber keinen Aufschrei. Mittlerweile wehren sich immer mehr Menschen aus der Innenstadt mit Klagen, beispielsweise am Brüsseler Platz.
Können Sie die Menschen verstehen?
Ja. Sehr gut. Es ist das Zuhause der Menschen. Man muss mit ihnen reden und ihnen helfen.
Sie sind im Januar 74 geworden, bei der Kommunalwahl im Herbst 2025 sind Sie 75. Wollen Sie Bezirksbürgermeister bleiben?
Das entscheidet der liebe Herrgott, ich muss fit sein. Mehr sage ich dazu nicht.
Sie sind 20 Jahre im Amt. Haben Sie die Sorge, den Zeitpunkt für den Absprung zu verpassen?
Nein. Da habe ich null Sorgen, dafür habe ich zu viele private Interessen. Ich habe keine Angst vor einem möglichen Ende.
Wie bewerten Sie, dass der frühere Pfarrer Hans Mörtter sich als Kandidat für das Oberbürgermeisteramt aufstellen lassen will?
Seine Kandidatur wird auf jeden Fall dafür sorgen, dass der Wahlkampf nicht langweilig wird.
Karneval in Köln
Vor allem am 11.11. und an Weiberfastnacht zieht die Feiermeile an der Zülpicher Straße junge Feiernde an. Der Andrang wurde mit den Jahren immer größer, mittlerweile riegelt die Stadt das Gebiet ab, es kostet aber keinen Eintritt. Aber wenn der Bereich ausgelastet ist, sperrt die Stadt die Zülpicher Straße. In den Vorjahren war das häufig schon weit vor 11.11 Uhr der Fall.
Um die Zülpicher Straße zu entlasten, hat die Stadt die Uni-Wiese als Ausweichfläche ausgewiesen, doch das kritisieren Umweltschützer und auch die Kölner Grünen, weil es sich um ein Landschaftsschutzgebiet handelt. Die Stadt legt den Bereich mit Schutzplatten aus, damit dort zehntausende Menschen feiern können.
Am vergangenen 11.11. war Köln so voll wie nie zuvor, mehr als 100.000 Menschen waren gekommen und sorgten auch in den angrenzenden Gebieten für viel Müll. Auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hatte im Dezember gesagt: „Es kann nicht so bleiben, wie es ist.“
Unter anderem deshalb wurde die neue Karnevalsbühne auf dem Hohenstaufenring als Alternative geschaffen, um den Andrang auf die Zülpicher Straße zu entzerren, doch dann regnete es Weiberfastnacht und es kamen deutlich weniger Menschen als gedacht. Reker sagte zum Feierverhalten der jungen Menschen: „Ich weiß, dass viele sich mit der Art zu feiern auf der Zülpicher Straße schwertun, aber das wohnt doch dem Karneval inne, dass sich jede Generation den Karneval macht, den sie möchte.“
Zur Person:
Andreas Hupke, 74, ist seit 2004 ehrenamtlicher Bezirksbürgermeister der Innenstadt. Er ist Grünen-Mitglied. Zur Innenstadt zählen die fünf Stadtteile Altstadt/Nord und Süd, Neustadt/Nord und Süd sowie Deutz. Dort wohnten Ende 2022 laut städtischer Statistik insgesamt 128.432 Menschen.
Die Bezirksvertretung Innenstadt ist laut Stadt für alle Angelegenheiten zuständig, „deren Bedeutung nicht wesentlich über den Stadtbezirk hinausgeht. Sie wird zu allen Angelegenheiten gehört, die den Stadtbezirk berühren“. Die 19 Sitze verteilen sich wie folgt: Grüne (8), SPD (3), CDU (3), Linke (2), FDP (1), Klima-Freunde (1) und der PARTEI (1).