Geisterhäuser in KölnWohnraumschutz-Satzung wirkt offenbar – Leerstand gering
Köln – Gegenüber der Kirche St. Gertrud im Agnesviertel scheint die Zeit still zu stehen: Jetzt schon seit weit mehr als zehn Jahren steht das Haus mit sechs Etagen an der Krefelder Straße 46 überwiegend leer. Der Eingang ist mit Baken umstellt; die Gitter der Mini-Balkone rosten vor sich hin. Nur die Graffiti-Symbole auf Fassade und Garagentoren vermehren sich.
Der Anblick will so gar nicht in das immer schicker und teurer werdende Veedel passen – in dem Wohnraum rar ist. Alteingesessene Mieter fürchten ihre wirtschaftliche Verdrängung. Im Jahr 2014 trieb eine umstrittene Eigenbedarfs-Kündigung sogar die Nachbarn in Scharen zum Protest auf die Straße.
Der Eigentümer kümmert sich nicht um das Objekt und reagiert auch nicht auf Presseanfragen. Eine persönlich an dessen letzte Adresse in einer rechtsrheinischen Nachbarstadt eingeworfene Rückrufbitte blieb ohne Resonanz. Laut Stadt ist eine Besserung nicht absehbar. „Das Objekt ist der Wohnungsaufsicht bekannt. Das ehemals öffentlich geförderte Haus steht seit Jahren überwiegend leer und weist erhebliche Baumängel und -schäden auf“, bestätigt Jürgen Kube, Abteilungsleiter im Amt für Wohnungswesen. „Kurzfristige Lösungen sind zur Zeit leider nicht absehbar.“
Wohnraumschutz-Satzung seit 2014 in Kraft
Lange Leerstände von ganzen Häusern ziehen nicht nur – wie im Agnesveedel klar erkennbar ist – eine Straße optisch herunter, sondern sind in Zeiten des Mangels an Wohnraum auch ein soziales Ärgernis. So gibt es seit 2014 in Köln wieder eine Wohnraumschutz-Satzung.
Sie soll verhindern, dass Wohnungen zu Büros werden, länger als drei Monate grundlos leer stehen oder abgebrochen werden. Auch das wiederholte, gewerblich betriebene Vermieten von Wohnungen an Touristen, gerade über Online-Portale, ist verboten. Verstöße können mit Geldbußen bis zu 50.000 Euro belegt werden.
Wie aus dem aktuellsten Geschäftsbericht des Wohnungsamtes hervorgeht – aus dem Jahr 2015 – griff man allein in jenem Jahr 121 Verdachtsfälle auf Verstöße auf. „In 26 Fällen bestätigte sich der Verdacht, in 16 Fällen wurden die insgesamt 22 Wohnungen wieder vermietet, in den anderen zehn Fällen wurden Bußgelder in Höhe von insgesamt 195.000 Euro verhängt“, heißt es. 78 Mal bestätigte sich ein Verdacht nicht; der Rest der Verfahren schwebt noch.
Besser als an der Krefelder Straße sieht es bei anderen einst chronischen Leerständen aus. Der Sudermanplatz 1, ebenfalls im Agnesveedel, diente noch 2014 bei TV-Dreharbeiten als „besetztes Haus“; inzwischen ist er top-renoviert und bewohnt.
Nur 50 von 550.000 Wohnungen stehen leer
An der Wormser Straße 14 in der Südstadt scheinen Sanierungen im Gange. „Ehemals vier leer stehende Wohnungen im Hinterhaus werden mittlerweile bewohnt. Hinsichtlich des Vorderhauses dauert das Verfahren noch an“, erläutert Frank Reißig vom Wohnungsamt. Am Sachsenring 59 ist das Haus abgebrochen. Man sieht eine Baugrube und -zäune; ein Neubau ist geplant. Besserung kehrt wohl auch an der Allerheiligenstraße 19 am Breslauer Platz ein: Im windschief wirkenden Haus wird gearbeitet.
„Vorgestern war der Eigentümer da“, so zwei Nachbarinnen. „Die vorher verrammelte Tür ist wieder freigelegt. Wir hoffen wirklich, dass dort jetzt endlich etwas passiert.“ Man habe über die Jahre regelmäßig offenbar als Prostituierte arbeitende Frauen das Objekt ansteuern sehen, mit wechselnder männlicher Begleitung. „Grundsätzlich ist der Leerstand in Köln verschwindend gering“, schränkt Thomas Tewes, Hauptgeschäftsführer des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins, jedoch ein. Er schätzt die dauerhaft leer stehenden Wohnungen auf vielleicht 50, von 550.000 Wohneinheiten in Köln insgesamt. „Eine gesetzliche Intervention braucht es erst bei einem großflächigen Problem.“
Satzung nur bei Vermietung an Touristen sinnvoll
Ein Grund für Leerstand seien oft anstehende Sanierungen. „Ein leeres Haus ist nun mal besser zu sanieren als ein bewohntes“, sagt Tewes. Jedoch bekomme man ein Gebäude nicht auf Anhieb leer. Die Satzung sei, wenn überhaupt, eher bei Vermietungen an Touristen sinnvoll.
Der Mieterverein Köln zieht ebenfalls eine gemischte Bilanz der drei Jahre seit Satzungs-Wiedereinführung. „Sie ist einerseits ein gangbares Mittel, um zu verhindern, dass Vermieter über längere Zeit Wohnraum leer stehen lassen“, so Geschäftsführer Jürgen Becher. Die Umsetzung sei aber schwierig; zudem verfolge die Stadt die Einhaltung nicht so rigoros, „wie wir uns als Mieterverein das wünschen – und bei der Wiederbelebung gehofft hatten“. Es gelte, die Lücke zwischen Anspruch und Umsetzung zu verkleinern, gerade auch bei Vermietungen als Ferien-Domizile.
So denken Kölner über den Leerstand
Jahn Mehrländer
Wenn man hier wohnt, nimmt man das leere Haus wie einen Fremdkörper wahr. Aber ich leite eine Kita, da bin ich von dem Kauf einer Immobilie so weit entfernt wie ein Schwein vom Fliegen. Jetzt sind bestimmt zehn Wohnungen leer, die gebraucht werden.
Luka Vihuto
Mir fallen in Kalk oft leere Häuser auf. Da könnte man doch zum Beispiel Flüchtlinge unterbringen, oder sie wenigstens an die Stadt verkaufen, um sozialen Wohnraum zu schaffen. Aber ob er dann auch wirklich dort entsteht, ist natürlich auch fraglich. So sollte es jedenfalls nicht bleiben.
Leni Wolf
So richtig aufgefallen ist mir das bisher noch nicht. Aber gut ist es nicht. Gerade in Köln suchen ja viele Leute eine Wohnung. Aber bei vielen alten Häusern haben die Eigentümer vielleicht einfach nicht das Geld, um zu renovieren, da kann man dann auch nichts machen.
Christian Eiff
Ich kann nicht verstehen, wie Wohnhäuser in Köln so lange leer stehen können. Aber ich habe auch keine Lösung für das Problem. Auf der einen Seite steht die Wohnungsnot, auf der anderen Seite kann die Stadt den Besitzern auch nicht einfach ihr Eigentum wegnehmen. (jul)