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Kommentar zum FriesenplatzRat lässt sich erpressen und opfert Respekt vorm Dom

Lesezeit 4 Minuten

Am Kölner Friesenplatz soll ein neues Hochhaus entstehen.

  1. Die ehemalige Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner schreibt regelmäßig in ihrer Kolumne über Köln.
  2. In dieser Episode: Das geplante Hochhaus am Friesenplatz, des Kölner Höhenkonzept und den Dom als Weltkulturerbe.

Mein heutiger Tipp: Fahren Sie – am besten mit der KVB oder dem Rad – doch mal zum Friesenplatz, und legen Sie eine Gedenkminute ein. Stellen Sie sich vor, es stünde dort ein Monument mit einer Inschrift: „Hier ruht das Höhenkonzept der Stadt Köln, geboren im Mai 2007, gestorben und begraben im Mai 2021 vom Rat der Stadt. Es wird uns fehlen! In stiller Trauer. Die Bürgerschaft.“

Das Höhenkonzept war die Reaktion auf einen Schock: Die Unesco wollte den Dom aus der Weltkulturerbe-Liste streichen, wenn weitere Hochhausbauten die freie Sicht auf die Kathedrale noch weiter verstellen würden. Aus „Respekt vor dem Dom“ wurde beschlossen, dass Neubauten zwischen dem linken Rheinufer und der Außenkante der Ringe nicht höher als 22,50 Meter konzipiert werden dürften. Höhere Gebäude sollten nur außerhalb dieses innerstädtischen Halbkreises erlaubt sein. Für abweichende Vorhaben müsse nachgewiesen werden, dass sie den Blick auf den Dom und die Stadtsilhouette mit den romanischen Kirchen nicht beeinträchtigen.

Neues Hochhaus könnte dreimal so hoch wie erlaubt werden

Dieses Konzept kam unter Mithilfe von Experten und mit Beteiligung der Bürger zustande. Ich selbst war als Dombaumeisterin Sachwalterin des Kölner Wahrzeichens und seiner Belange. In der Tat orientiert sich die Höhenvorgabe von 22,50 Metern an der Dachkante des Doms. Zugleich entspricht sie in etwa der Höhe eines für Kölner Verhältnisse typischen vierstöckigen Hauses.

Es ist ein wohlüberlegtes, durchdachtes Konzept, an das man sich seither auch aus gutem Grund gehalten hat. Doch jetzt auf einmal soll es nicht mehr gelten. Ein neuer Baudezernent, andere politische Mehrheiten – schwups, schon sind getroffene Vereinbarungen nichts mehr wert und werden mir nichts, dir nichts vom Tisch gewischt. Das ist ein in höchstem Maße ärgerlicher Umgang mit dem Bürgerwillen.

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Für die Neubebauung des Friesenplatzes will also nun die Stadt einem Investor nachgeben, der locker-flockig mit einem fast 100 Meter hohen Gebäude kalkuliert, dann mit großer Geste verzichtet und sich auf ein Konzept mit 67 Metern Höhe buchstäblich herabgelassen hat. 67 Meter – das Dreifache dessen, was 2007 als Obergrenze beschlossen war und fast das Doppelte der auch schon zu hohen Bestandsbebauung.

Ich verstehe die Profitinteressen der beteiligten Unternehmen. Grundstücke sind teuer. Da muss die Flächenrendite über die Höhe maximal ausgereizt werden. Und dafür spielen Investoren mit der Stadt immer das gleiche Spiel: Wenn wir nicht genehmigt bekommen, was wir wollen, dann rentiert sich die Sache für uns nicht, und wir machen einen Rückzieher. Und was passiert? Die Stadt knickt ein.

Zur Schönheit Kölns trägt das nun wirklich nicht bei

So war es an Unter Goldschmied. So war es am Rudolfplatz. So ist es jetzt am nahe gelegenen Friesenplatz. Die Folgen kann man am eben genannten Rudolfplatz schon besichtigen, wo die neue Brachialbebauung langsam ihrem Ende entgegengeht und überdeutlich erkennen lässt, wie solche Investorenprojekte ins Weichbild der Stadt beitragen. Zur Schönheit Kölns tragen sie nun wirklich nicht bei. Aber daran muss den Investoren ja auch gar nicht gelegen sein. Die wohnen schließlich nicht hier.

Auf Sie, liebe Leserinnen und Leser des „Kölner Stadt-Anzeiger“, hat die Architektur-Animation für den Friesenplatz, die in der Zeitung zu sehen war, vielleicht ähnlich furchtbar gewirkt wie auf mich. Es hat mich, ich gestehe es, regelrecht gegruselt.

Und mich ärgert es kolossal, dass im neuen Dreier-Ratsbündnis die Grünen so nachgiebig sind und das alles mitmachen. Warum sollten ausgerechnet sie auf einmal für Hochhäuser sein? Auch die Position von Volt in dieser Sache verstehe ich nicht. Im Gegenteil. Erklärbar ist das für mich nur als Folge eines üblen politischen Geschachers mit dem Koalitionspartner CDU. Nach dem Motto: Gebt ihr uns unsere Verkehrsberuhigung, dann kriegt ihr eure investorengesteuerte Stadtplanung!

Nicht zum Wohl Kölns von Investoren erpressen lassen

Ich finde, so geht es nicht. Man darf sich zum Wohl Kölns nicht von Investoren erpressen lassen. Man muss an die Stadt und die Folgen eines solchen Handelns für das Stadtbild denken. Ich halte es zum Beispiel noch keineswegs für ausgemacht, dass die Diskussionen mit der Unesco nicht erneut aufflammen. Diejenigen, die das Höhenkonzept aushebeln wollen, beteuern zwar steif und fest, die Bebauung des Friesenplatzes werde den Sichtachsen auf den Dom nichts anhaben. Aber das verstehe ich erstens als reine Schutzbehauptung, und zweitens kommt es ja immer darauf an, von wo aus man guckt. Einem einheitlichen Stadtbild innerhalb der Ringe tut es in keinem Fall gut, wenn man da so einen ungeschlachten Klotz reinsetzt. Für diese Erkenntnis braucht es keine besondere Expertise. Das sieht im Grunde jeder.

Vielleicht sollten auch die Stadträte vor ihrer Abstimmung für die besagte Gedenkminute am Friesenplatz vorbeifahren, dort innehalten, sich umsehen, sich besinnen – und die Entscheidung doch noch einmal überdenken.

Die Kolumne wurde aufgezeichnet von Joachim Frank.