Köln – Sie ist nicht mehr als eine Kopie, gerade einmal 24 Jahre alt und sorgt für einen handfesten Konflikt in der Kölner Politik. Vor einem Jahr beschloss die Bezirksvertretung Innenstadt mit den Stimmen der Grünen, der Linken, der Piraten und der Wählergruppe Deine Freunde, dass die nahezu zehn Meter hohe Kreuzblume vor dem Dom entfernt werden soll. Die SPD wehrt sich seitdem vehement gegen ein Umsetzen an eine andere Stelle, das Gebilde müsse an seinem Standort auf dem kleinen Kardinal-Höffner-Platz stehen bleiben.
Man darf sich fragen, ob es für die Stadtpolitik keine drängenderen Themen gibt. Zumal Kunstexperten, die 2012 im Rahmen des Urbanen Kongresses tagten, die Kreuzblume als Objekt minderer Qualität einstuften. Sie behindere die Sichtachse zum Hauptportal des Doms und dominiere das eigentliche Kunstwerk des Kardinal-Höffner-Platzes, den Taubenbrunnen von Ewald Mataré.
„Billige Kopie der Turmspitze“
Einer derjenigen, die den Abbau befürworten, ist Stadtdechant Monsignore Robert Klein. Er beschwerte sich unlängst über die „städtebauliche Hässlichkeit“ des Ortes. Er selbst habe „noch vor keiner Kirche der Welt eine billige Kopie ihrer Turmspitze gesehen.“
Viele Kölner jedoch mögen die Kreuzblume genau da, wo sie steht. Innerhalb von einer Woche haben sich mehr 1500 Bürger in einer Online-Petition für den Verbleib am Dom ausgesprochen. Künstlerisch wertvoll oder nicht, das Modell in Originalgröße veranschaulicht, welches Ausmaß die Domspitzen haben. Touristen dient es als Foto-Kulisse. Der Dom, die Kreuzblume und ich – das dürfte eines der beliebtesten Motive in der Stadt sein.
Und das seit 35 Jahren. 1980 stellte das Verkehrsamt zum ersten Mal eine Kreuzblume auf, und das mit dem Segen des damaligen Dompropstes Heinz Werner Ketzer. Als Anlass diente der 100. Jahrestag der Vollendung der Kathedrale. Das aus Kunststoff gefertigte Exemplar wurde in der Nacht vom 28. Februar auf den 1. März 1990 durch den schweren Orkan Wiebke zerstört. 1991 wurde eine neue Kreuzblume aus Beton aufgestellt, die rund 80 000 Euro kostete. Die Finanzierung lief über die Versicherungssumme für das Vorgängermodell sowie über Spenden. Der Stadtrat nahm die Betonkopie als Schenkung an. 1999 entbrannte eine Diskussion über den Vorschlag, den Petrusbrunnen, der mittlerweile die Papstterrasse an der Südseite des Doms ziert, anstelle der Kreuzblume aufzustellen. Diese Überlegung wurde allerdings wegen einer Protestwelle aus der Kölner Bevölkerung wieder verworfen.
Streitigkeiten um Zuständigkeit
Danach wurde es ruhiger um die Betonskulptur, bis es im Dezember 2014 mit der momentanen Debatte losging. Die Bezirksvertretung Innenstadt wollte mit dem Abbau erreichen, dass der stark verschmutzte Kardinal-Höffner-Platz wieder stärker in die Öffentlichkeit rückt. Die Suche nach einem neuen Standort gestaltete sich schwierig. Zunächst wurde von der CDU die Burgmauer in Erwägung gezogen, dann brachte die Initiative „Kultur Raum Rechtsrhein“ den Schlosspark Stammheim ins Spiel.
Der Streetworker Franco Clemens, der als Straßenmusiker das Interesse der Menschen an der Kreuzblume beobachtet hat, meldete sich mit einem naheliegenden Vorschlag. Die Stadtverwaltung möge sie nur ein wenig verrücken; auf die Domplatte, dorthin, wo sich früher die Betonpilze befanden. „Dann kommt auch der schöne Taubenbrunnen zur Geltung“, so Clemens.
Die Bezirksvertreter haben sich anders entschieden. Sie folgten der Anregung der Verwaltung, das 35 Tonnen schweren Betonobjekt an das Kennedy-Ufer in Deutz vor die ehemalige Messe zu versetzen. Die SPD-Fraktion im Stadtrat will die Kreuzblume dagegen am Kardinal-Höffner-Platz belassen und spricht der Bezirksvertretung Innenstadt die Entscheidungsbefugnis ab. Die Angelegenheit sei von überbezirklicher Bedeutung, zuständig sei deshalb allein der Stadtrat, sagte Fraktionschef Martin Börschel. CDU-Vorsitzender Bernd Petelkau sieht das zwar ähnlich. Dennoch schloss sich seine Fraktion dem Vorschlag der Grünen an, das Thema an die neue Oberbürgermeisterin Henriette Reker weiterzugeben. Die Stadtchefin soll mit Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne) „in Dialog treten“. Und so nimmt sie ihren Lauf, die Auseinandersetzung um eine 24 Jahre alte Kopie, die soviel mehr ist als nur Beton.