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Neues GutachtenExperte stellt Förderfähigkeit für Kölner U-Bahn-Tunnel infrage

Lesezeit 4 Minuten
So könnte die Haltestelle am Neumarkt einmal aussehen.

So könnte die Haltestelle am Neumarkt einmal aussehen.

Bekommt Köln einen neuen U-Bahn-Tunnel oder nicht? Das Kölner Bündnis für Verkehrswende hat nun ein neues Gutachten präsentiert.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Stadtrat noch in diesem Jahr eine politische Entscheidung trifft, ob auf der Ost-West-Achse der Kölner Verkehrs-Betriebe zwischen Heumarkt und Aachener ein 2,7 Kilometer langer Tunnel entstehen soll oder nicht, ist weiter gesunken.

Die für kommenden Dienstag geplante Sondersitzung des Verkehrsausschusses, bei der sich die Ratsfraktionen ausschließlich mit dieser Frage befassen wollten, wurde am Donnerstag abgesagt. Es gebe noch Gesprächsbedarf. Deshalb kann in der Ratssitzung am 14. November auch nicht über die Frage abgestimmt werden, ob es zu einer oberirdischen oder unterirdischen Lösung kommt.

Letzte Ratssitzung des Jahres als Ziel

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ arbeiten die verkehrspolitischen Sprecher der vier Ratsfraktionen von Grünen, CDU, SPD und FDP seit Wochen an einem Eckpunktepapier mit dem Ziel, in der letzten Ratssitzung des Jahres am 12. Dezember zu einem gemeinsamen Vorschlag zu kommen, der eine breite Mehrheit finden könnte.

Die Position von CDU und FDP ist klar: Sie werden von der Tunnellösung nicht abrücken, die Grünen wollen die oberirdische Variante nicht aufgeben. Die SPD, die ursprünglich den Tunnel sogar vom Heumarkt unter dem Rhein bis nach Deutz verlängern wollte, wird von diesem Plan wohl Abstand nehmen müssen, weil er nicht förderfähig ist.

Abzweig nach Sülz ist offenbar vom Tisch

In einem Punkt hat das Quartett bereits Einigkeit erzielt: Der unterirdische Abzweig der Linie 9 nach Sülz zwischen Neumarkt und Rudolfplatz soll wegfallen, einen Tunnel, der am Mauritiussteinweg endet, wird es nicht geben.

Alle andere Punkten können mit vielen Fragezeichen versehen werden. Rücken die Grünen doch noch von der oberirdischen Variante ab, wenn die CDU-Fraktion ihnen beim Rückbau von Straßen in der Innenstadt und weiteren Einschränkungen beim Individualverkehr entgegenkommt?

Martin nicht grundsätzlich gegen Tunnel

Oder setzen sie sich mit dem oberirdischen Ausbau durch, der so oder so als Provisorium kommen muss, weil die neuen 90 Meter-Bahnen deutlich eher kommen als der U-Bahn-Ausbau. Die grüne Fraktionschefin Christiane Martin hat mehrfach signalisiert, man sei nicht grundsätzlich gegen U-Bahn-Lösungen in Köln, die müssten dann aber einen deutlich größeren verkehrlichen Nutzen als die geplante Ost-West-Achse haben.

Das alles könne man nach ihrer Auffassung in einen Doppelbeschluss packen, der den oberirdischen Ausbau der Ost-West-Achse und eine verbindliche Versicherung enthalte, zeitgleich mit Planungen einer größeren U-Bahnlösung zu beginnen, die dem Bedarf einer Millionenstadt gerecht wird.

Weisenstein hofft auf Allianz

„CDU und Grüne haben sich bei der Frage verhakt, wie konkret eine große Tunnellösung für Köln in einer Ratsvorlage stehen muss, damit sich eine der beiden Seiten bei der Ost-West-Achse bewegen kann. Entweder die CDU zur oberirdischen oder die Grünen zur unterirdischen Lösung“, sagt Michael Weisenstein, Ratsmitglied und Verkehrsexperte der Linken.

„Es gibt die Hoffnung, dass sich im Rat noch eine Allianz der Vernünftigen findet, um die U-Bahn zu verhindern.“ Damit seien SPD, Grüne, Linke, Klimafreunde „und hoffentlich auch Volt“ gemeint. Er könne sich nicht vorstellen, dass CDU und FDP sich auf diese Variante doch noch einlassen.

Bündnis stellt neues Gutachten vor

Der Kölner Bündnis für Verkehrswende, das den unterirdischen Ausbau verhindern möchte, hat am Donnerstag ein Verkehrsgutachten zur Nutzen-Kosten-Berechnung vorgestellt, das ein Expertenteam aus 20 Mitarbeitenden der Stadt Köln, der KVB sowie externen Gutachter- und Ingenieurbüros erstellt hatte.

Dabei hatte die Tunnellösung einen Wert von 1,4, die oberirdische Variante einen Wert von 1,3 ergeben. Beide liegen damit über 1,0 und sind damit grundsätzlich förderfähig. Der Vorteil von 0,1 für die U-Bahn ergibt sich daraus, dass die Stadtbahnen im Tunnel um bis zu vier Minuten schneller wären als bei der oberirdischen Lösung.

Reisezeiten sind ein Kriterium

Der Gutachter Martin Vieregg vom Büro Vieregg-Rössler aus München hat eine Berechnung der Reisezeiten auf Grundlage der Daten dieses Gutachtens vorgenommen. „Wir haben berechnet, wie sich die Reisezeiten ändern, wenn die Fahrzeitersparnis durch den Tunnel tatsächlich vier Minuten beträgt“, sagte Vieregg am Donnerstag bei der Vorstellung seines Gutachtens.

Schließlich seien die Reisezeiten das entscheidende Kriterium für die Berechnung des Kosten-Nutzen-Faktors. „Sie fließt bei der Bewertung mit einer Gewichtung von bis zu 90 Prozent ein“, sagte Vieregg. Ein vergleichbares Gutachten hat er nach eigenen Angaben im Jahr 2017 für den Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München erstellt. Damals im Auftrag der Freien Wähler.

Die Reisezeit setzt sich zusammen aus dem Fußweg zur Haltestelle, der Warte- und der Fahrzeit plus möglicher Umsteigewege und dem Fußweg bis zum Ziel. Das durchexerziert für die gesamte Trasse kommt Vieregg zu dem Ergebnis, dass vor allem die langen Umsteigewege in den U-Bahnstationen den Fahrtzeitvorteil auffressen.

Vieregg kommt zu dem Schluss, dass die U-Bahnvariante nach seinen Berechnungen damit beim Kosten-Nutzen-Faktor an der kritischen Marke von 1,0 kratzt und damit nicht mehr förderfähig ist. Die oberirdische Lösung liege hingegen deutlich jenseits des bisherigen Werts von 1,3.