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Brüsseler Platz nur der Anfang?Experte hält Verweilverbote auch auf anderen Kölner Plätzen für denkbar

Lesezeit 4 Minuten
Der Brüsseler Platz im Belgischen Viertel mit der Kirche St. Michael.

Der Brüsseler Platz im Belgischen Viertel mit der Kirche St. Michael.

Wie geht die Stadt Köln zukünftig mit ihren Plätzen um? Auch auf dem Heumarkt gab es dieses Jahr Lärm-Probleme. Ein Überblick.

Verwaltungsrechtsexperte Michael Oerder hält ein Verweilverbot, wie es ab 1. Februar vor allem freitags und samstags vorübergehend am Brüsseler Platz gilt, auch auf anderen Kölner Plätzen für denkbar.

Der Kölner Anwalt ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht NRW im Deutschen Anwaltverein, er sagte: „Richtig ist, dass ein Verweilverbot auch in anderen innerstädtischen Platzsituationen in Betracht gezogen werden muss, wenn eine vergleichbar intensive Gefährdung von Gesundheit und Eigentum besteht und mildere Mittel keinen Erfolg versprechen.“

Ist der Brüsseler Platz also nur der Anfang? Stadtdirektorin Andrea Blome hatte schon im Juni gesagt: „Der Interessensausgleich wird in einer Stadt wie Köln immer schwieriger.“

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Beispielsweise am Kölner Heumarkt hatte die Stadt Köln dieses Jahr die Weinwoche abgesagt und auf den Neumarkt verlegt, weil durch das Fanfest Fußball-Europameisterschaft die Anzahl der erlaubten Großveranstaltungen überschritten war. Blome hatte damals ein stadtweites Platznutzungskonzept mit mehr Rücksicht auf die Anwohnerinnen und Anwohner angekündigt, sie sagte: „Wir können so nicht mehr weitermachen.“

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Allerdings unterscheiden sich die Situationen am Heumarkt und am Brüsseler Platz. Während am Heumarkt das Fanfest organisiert mit mehreren tausend Besuchern stattfand, treffen sich am Brüsseler Platz vor allem an warmen Abenden viele Einzelgruppen und trinken etwas rund um die zentral gelegene Kirche St. Michael. Für sich genommen sind sie nicht zu laut, aber insgesamt eben schon.

Deshalb hat das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) die Stadt Köln im September 2023 dazu verurteilt, die Nachtruhe der Anwohnerinnen und Anwohner viel stärker als bislang zu schützen. Fünf von ihnen hatten 2015 geklagt.

Eine Beschwerde gegen das Urteil wies das Bundesverwaltungsgericht Leipzig im September dieses Jahres ab, deshalb hat die Verwaltung am Montag härtere Maßnahmen angekündigt. Sie orientierte sich am OVG-Urteil, das erste Vorschläge gemacht hatte wie eben das Verweilverbot. In dem Fall dürfen Menschen über den Brüsseler Platrz gehen, sich dort aber nicht aufhalten.

Köln: Stadtrat entscheidet über neue Regeln

Das Verbot gilt vorerst ab dem 1. Februar freitags, samstags und vor Feiertagen von 22 bis 6 Uhr. Es handelt sich um eine Übergangslösung, bis die Stadt eine neue Verordnung erarbeitet hat.

Ob diese dauerhaft und etwa an allen Wochentagen gilt, ist aber eine Entscheidung des Stadtrates. Er soll vermutlich im April entscheiden, die neue Verordnung würde ab Mai gelten. Verstöße dagegen kosten 500 bis 1000 Euro.

Michael Oerder ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht. NRW im Deutschen Anwaltverein.

Michael Oerder ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht. NRW im Deutschen Anwaltverein.

Laut Oerder hat das OVG das Verweilverbot als Ultima Ratio bezeichnet, es ist erst zulässig, wenn andere Mittel nicht erfolgreich waren. Bürgerinnen und Bürger können dagegen klagen. Weitere Pläne sind kürzere Öffnungszeiten der Außengastronomie, statt um 23.30 Uhr sollen sie um 22 Uhr schließen. Auch einen Zaun um die Kirche prüft die Verwaltung.

Die Stadt verhängt das Verweilverbot, obwohl sie im OVG-Verfahren seine Wirksamkeit selbst anzweifelte, weil es auch ohne Partylärm am Brüsseler Platz nachts sehr laut ist. Im Urteil heißt es über die Aussage der Stadt: „Der Erlass eines Verweilverbotes könne daher nicht dafür sorgen, dass die in der TA Lärm vorgesehenen, niedrigeren Immissionsrichtwerte für allgemeine Wohngebiete bzw. Mischgebiete erreicht würden.“

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Auf ihrer Internetseite zum Verweilverbot wirft die Verwaltung selbst die Frage auf, ob es zeitgemäß ist, einen Innenstadtplatz am Wochenende nachts abzusperren. Das OVG hat in seinem Urteil allerdings explizit darauf hingewiesen, dass das Verweilverbot nicht gegen die im Grundgesetz garantierte Freizügigkeit im Bundesgebiet verstößt.

Oerder sagte angesichts der Platzgestaltung: „Bei einer Platzanlage wie dem Brüsseler Platz mit seinen zahlreichen Zugängen und unterschiedlichen Aufenthaltsflächen dürfte die Durchsetzung eines Verweilverbots mit erheblichem Aufwand verbunden sein.“ Er nennt das nötige Personal zur Überwachung oder für den Auf- und Abbau eines möglichen Zauns rund um die Kirche.

Köln: Meiering zollt Stadt Respekt

Laut Domkapitular Dominik Meiering, Koordinator des Sendungsraums Kölner Innenstadt, und zuständig für St. Michael, kann der Zaun nur die letzte Lösung sein. Meiering sagte: „Wir als Kirche möchten den Platz als lebendige Landmarke im Veedel erhalten. Er ist ein beliebter Treffpunkt, aber es braucht jetzt einen Neuanfang. Ich habe die Hoffnung, dass wir alle gemeinsam vor Ort eine Änderung des Bewusstseins erreichen und den Platz neu entwickeln.“

Er zollte der Stadt Respekt, „dass sie dieses Thema angeht, es ist herausfordernd und ungemütlich. Aber es gibt jetzt ein Urteil und sie muss handeln.“ Im Januar soll in der Kirche eine Informationsveranstaltung stattfinden.