Unweit des Kölner Ebertplatzes unter dem Theodor-Heuss-Park ist etwas Einzigartiges in Deutschlands Kanalisation verborgen. Ein Besuch.
Sieben Meter unter der ErdeDas steckt hinter dem Kronleuchter in der Kölner Kanalisation
Stefan Schmitz steigt einmal pro Monat mehrfach täglich in die Kölner Kanalisation hinunter, begleitet von rund 35 Interessierten. Er ist Veranstaltungsmanager der Stadtentwässerungsbetriebe (Steb) Köln, die eine besondere Führung anbieten. Unter dem Theodor-Heuss-Park in der Nähe des Ebertplatzes liegt in der Kanalisation etwas in Deutschland Einmaliges verborgen: ein Kronleuchtersaal.
Lange Zeit war dieser aus dem Jahr 1890 stammende Saal nur wenigen Menschen zugänglich, bis er im Rahmen der Weltausstellung „Expo 2000“ präsentiert wurde. Seitdem kann man ihn besichtigen. Schmitz ist einer von mehreren Mitarbeitern der Steb, die die Führungen zum unterirdischen Kronleuchtersaal leiten.
Kronleuchtersaal in Kölner Kanalisation: Vom Abwasser zum Trinkwasser
Der Einstieg zu dem sieben Meter unter der Erde liegenden Saal erfolgt über einen horizontal verlaufenden Schacht. Zwei Treppen und einen Gang später stehen Besucher im Kronleuchtersaal. Das Erste, was man wahrnimmt: Hier stinkt es, modrig und faul. Natürlich, Rosenduft kann man in der Kanalisation nicht erwarten. Wie Menschen allerdings Konzerte bei dem Geruch durchgestanden haben, die hier laut Schmitz bis 2019 aufgrund der guten Akustik stattfanden, ist schwer nachzuvollziehen.
Schmitz ist an den faulen Geruch gewöhnt. „Meine Nase ist aber kein Maßstab, ich nehme den Abwassergeruch gar nicht mehr wahr.“ Die Besucher versammeln sich unter dem Kronleuchter, an der gegenüberliegenden Seite fließt das Abwasser entlang. „Diese braune Brühe wird wieder Trinkwasser“, sagt Schmitz.
Was mit einem naserümpfenden Blick auf das Abwasser nur schwer vorstellbar ist, erklärt er: „In Köln gelangt das Abwasser zur Kläranlage in Stammheim, wo es aufwendig gereinigt wird. Anschließend fließt es wieder in den Rhein. Ein Teil des Wassers versickert über das Uferfiltrat ins Grundwasser. Auf der linken Rheinseite wird das Trinkwasser aus dem Grundwasser gewonnen. So wird ein Teil des gereinigten Wassers wieder zu Trinkwasser.“
Aber damit das Wasser von Köln auch so gut bleibt, sind die Bürgerinnen und Bürger gefragt. Laut Schmitz landen in Deutschland pro Tag mehr als eine Tonne umweltschädliche Reinigungsmittel im Abwasser. Im Gegensatz zu Fäkalien, bereiten aggressive Reinigungsmittel im Klärwerk Probleme, „es wird immer schwieriger sie herauszufiltern“. Schmitz rät stattdessen biologisch abbaubare Reinigungsmittel oder jene auf Essigbasis zu verwenden.
Besondere Baueigenschaften der Kölner Kanalisation – Sanierung und Veränderungen im Kronleuchtersaal
Im 19. Jahrhundert gab es noch keine Abwasseraufbereitung, so weit geht die Geschichte der Kölner Kanalisation laut Schmitz zurück. Damals stieg die Bevölkerungsdichte in Köln rapide an. Innerhalb von 50 Jahren verdoppelte sie sich von 50.000 auf 100.000 Einwohner. Um Platzprobleme zu lösen, wurden die Stadtfläche erweitert und Teile der Stadtmauer abgerissen. Und um den Gestank in der Stadt einzudämmen, wurde gleichzeitig die Kölner Kanalisation erweitert.
So geschehen an der Kreuzung Theodor-Heuss-Ring und Clever Straße. Hier wurde 1886 von rund 400 Arbeitern ein neuer Kanalisationstunnel gebaut, inklusive eines gewölbten Bauwerks aus Klinkermauerwerk als Knotenpunkt für Schmutz- und Regenwasser. 1890 wurde der Tunnel fertiggestellt, er verfügt über eines der größten Durchmesserprofile der Kölner Kanalisation: 3,80 Meter breit und 4,60 Meter hoch. Bei starkem Regen werde der Raum geflutet, um ein Überlaufen der Kanalisation zu verhindern, sagt Schmitz. Zudem gebe es einen weiteren Abfluss zum Rhein bei anhaltendem Starkregen.
Anlässlich der Einweihung des Bauwerks 1890 wurden zwei Kronleuchter installiert, „möglicherweise als Geschenk von Kaiser Wilhelm II. oder gestiftet von der Stadt Köln zu Ehren des Kaisers, genau wissen wir es nicht“, sagt Schmitz. Kaiser Wilhelm II. hat den fortan als „Kronleuchtersaal“ bezeichneten Kanalisationstunnel allerdings selbst nie besichtigt.
Sanierung war bisher nicht nötig
Trotz Kriegen und unruhigen Zeiten liege der Saal seit mehr als 130 Jahren nahezu unverändert unter der Erde und diene noch immer als wichtiger Teil des Abwassersystems der Stadt, sagt Schmitz. Auch eine Sanierung sei aufgrund der qualitativ hochwertigen Bauweise bisher nicht nötig gewesen. Lediglich das Herzstück des Saals musste ausgetauscht werden: Die zwei ursprünglichen Kronleuchter rosteten mit der Zeit und wurden im Jahr 2000 gegen einen elektrischen Kronleuchter ausgetauscht, der den Alten nachempfunden ist.
Der rot-weiße Rettungsring an der Reling des Abwasserkanals soll übrigens nur ein bisschen Farbe in den ansonsten grau-braunen Kronleuchtersaal bringen. Schmitz beruhigt: „Der Rettungsring wurde noch nicht gebraucht, es ist noch niemand in den Abwasserkanal gefallen.“
Führung Kronleuchtersaal Die Steb Köln bieten regelmäßig kostenlose Führungen an, bei denen die Funktionsweise des Kanalsystems sowie die historische Bedeutung des Kronleuchtersaals erläutert werden. Weitere Informationen gibt es auf der Webseite der Steb.