AboAbonnieren

Kölner Polizeibilanz 2023So viele Einsätze wie seit Jahren nicht – Dealer schreiben Preise auf Hauswand

Lesezeit 5 Minuten
In der Trimbornstraße in Köln-Kalk werben Dealer an einer Hauswand mit ihren Cannabis-Preisen.

In der Trimbornstraße in Köln-Kalk werben Cannabis-Dealer an einer Hauswand mit ihren Preisen.

Die Polizei will ab sofort „zu fast jeder Stunde des Tages“ auf dem Ebertplatz, dem Neumarkt und am Appellhofplatz präsent sein.

Nach der Kriminalstatistik und der Unfallstatistik hat die Polizei Köln am Freitag auch ihre Einsatzstatistik für 2023 veröffentlicht. Der Bericht ist eine Art Tätigkeitsnachweis des Wach- und Wechseldienstes. Ob Körperverletzung, Diebstahl, Fahrradunfall, Demonstration oder Fußballspiel – der Bericht enthält alle 281.500 Einsätze, mit denen die 1700 Streifenbeamtinnen und -beamte auf den 13 Kölner Wachen im Vorjahr beschäftigt waren – das waren 771 pro Tag, so viele wie seit Jahren nicht.

„Die Belastung ist gestiegen und wird auch weiter steigen“, fasst es Polizeipräsident Johannes Hermanns zusammen. Hier die Entwicklungen im Einzelnen:

Brennpunkte und Drogen-Hotspots

Die Polizei nehme die allgemeinen „Sorgen um den Verfall bestimmter Straßen und Plätze“ in der Stadt sehr ernst, betont Hermanns. Und: „Wir haben den polizeilichen Handlungsbedarf erkannt.“ Gemeint ist die zunehmende Verwahrlosung und die Gefühle von Angst und Unsicherheit, die viele Menschen an Orten erleben wie dem Ebertplatz, dem Wiener Platz, Appellhofplatz, Neumarkt, Kalker Hauptstraße oder Friesenplatz. Dort verkehren viele Obdachlose, Drogensüchtige und Dealer.

Alles zum Thema Polizei Köln

Die Polizei will die genannten Bereiche ab sofort noch intensiver und häufiger kontrollieren, das hatte Hermanns bereits Anfang der Woche im „Kölner Stadt-Anzeiger“ angekündigt. Jetzt führte er aus: „Wir werden den Kriminellen dort auf die Pelle rücken, um ihre illegalen Geschäfte deutlich zu erschweren.“ Man wolle die teils über Köln hinaus bekannten Drogen-Handelsplätze für die Händler unattraktiv machen „und nach und nach vom Netz nehmen“. Ziel der vermehrten Kontrollen seien ganz klar die Dealer, betonte Hermanns.

Kölns Polizeipräsident Johannes Hermanns

Kölns Polizeipräsident Johannes Hermanns

Aber auch um obdachlose Menschen und Drogensüchtige wolle man sich kümmern, dazu sei die Polizei in intensiven Gesprächen mit der Stadt und sozialen Organisationen. Denn: „Was wir verdrängen und zerschlagen wollen, sind die Handelsstrukturen“, ergänzt Martin Lotz, Leiter der Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz. „Drogensucht kriegen wir mit polizeilichen Maßnahmen nicht weg.“

Auf dem Ebertplatz will die Polizei ab sofort „zu fast jeder Stunde des Tages“ präsent sein.

Auf dem Ebertplatz will die Polizei ab sofort „zu fast jeder Stunde des Tages“ präsent sein.

Vor allem auf dem Ebertplatz baut die Polizei ihre Präsenz seit dieser Woche spürbar aus. In den ersten drei Monaten dieses Jahres seien Streifenbeamtinnen und -beamte nur an zwei Tagen gar nicht auf dem Ebertplatz gewesen. Ab sofort soll zu fast jeder Stunde des Tages mindestens ein Zweier-Streifenteam über den Platz laufen – zusätzlich gibt es weiterhin Großkontrollen. Ähnlich will die Polizei auf dem Neumarkt und am Appellhofplatz vorgehen. Allein auf dem Ebertplatz vermuten die Ermittler einen festen Stamm von etwa 40 bis 50 Drogendealern. „Wir müssen das einfach mal ausprobieren“, sagte Lotz – auch wenn die Personalbelastung sehr hoch sei.

Einsatzaufkommen 2023

Im Vorjahr rückte der Streifendienst in Köln zu 771 Einsätzen aus – pro Tag.

Versammlungen und Demonstrationen

Nie gab es in Köln so viele Versammlungen und Demonstrationen unter freiem Himmel wie 2022: insgesamt 1756 Veranstaltungen. Im Vorjahr waren es nur neun weniger. Zum Vergleich: 2017 wurden in Köln gerade einmal 644 Versammlungen angemeldet. „In der Summe“ sei die Belastung vor allem für die Beamtinnen und Beamten in der Innenstadt hoch, sagt Lotz, denn dort finden die meisten Kundgebungen statt. Als Grund für die stark gestiegene Zahl von Demos nennt Polizeipräsident Hermanns neben der Corona-Pandemie auch die weltweiten politischen Krisen und Konflikte, die dazu führten, dass Menschen auch in Köln zusammenkämen, um ihre Meinung zu äußern.

Leitender Polizeidirektor Martin Lotz

Leitender Polizeidirektor Martin Lotz

Teil-Legalisierung von Cannabis

Manchmal, sagt Martin Lotz, frage er sich, ob sich die Leute bewusst dumm stellen – oder ob die Regeln nach der Teil-Legalisierung von Cannabis einfach noch nicht überall durchgedrungen seien. An einem Haus an der Trimbornstraße in Kalk etwa hatten Dealer zuletzt öffentlich ihre Grammpreise für Haschisch mit Edding auf eine Wand geschrieben. Dabei seien der Handel und das Weitergeben von Cannabis auch weiterhin strafbar – ebenso wie der Besitz bei Menschen unter 18 Jahren. Die Einfuhr aus den Niederlanden? Weiterhin verboten. Der Konsum in Sichtweite zu Schulen oder in Gegenwart von Minderjährigen? Verboten. Der Erwerb von Händlern auf der Straße? Strafbar. Der Besitz von mehr als 25 Gramm im öffentlichen Raum und 50 Gramm zu Hause? Verboten. „Die Kollegen müssen derzeit noch viel erklären draußen auf der Straße“, sagt Lotz.

Fußball-EM 2024

Die gesamte Konzentration der Polizei in der Stadt gilt dem Zeitraum zwischen dem 14. Juni und dem 14. Juli. Dann findet die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland statt, fünf Spiele zwischen dem 15. Juni und 30. Juni auch in Köln. In Zeiten von Terror und Krieg sei die Polizei „hier in besonderem Maße gefordert“, für ein sicheres und friedliches Turnier zu sorgen, sagt Hermanns. Seit Monaten bereitet sich die Polizei in NRW akribisch auf verschiedene Szenarien und Einsätze vor. Während der EM herrscht im ganzen Land Urlaubssperre bei der Polizei.

Einsatzreaktionszeiten

Wie lange ein Streifenwagen zu einem Einsatzort braucht, wird als „Einsatzreaktionszeit“ bezeichnet. Der Kölner Wert liegt dabei höher als der Landesschnitt und über dem Orientierungswert von 16 Minuten: 17 Minuten und 8 Sekunden brauchte ein Streifenteam im Vorjahr in Köln vom Notruf bis zum Eintreffen am Einsatzort. Vor allem bei Einsätzen, bei denen Leben in Gefahr war, ging es allerdings deutlich schneller. Bei einem Unfall mit Verletzten etwa war die Polizei nach durchschnittlich 6 Minuten und 52 Sekunden da; bei einem Einsatz, bei dem der Täter noch am Ort war, brauchte ein Streifenwagen im Schnitt 4:19 Minuten – bei einem Orientierungswert von 4:40 Minuten.