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Buchvorstellung „Abschiebungen in NRW“EKD-Präses zu Besuch bei Kölner Asyl-Verein

Lesezeit 4 Minuten
Benedikt Kern, Sebastian Rose, Anna-Nicole Heinrich, Britta Rabe (v.l.) bei der Vorstellung des Buches: „Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen. Ausgrenzung. Entrechtung. Widerstände.“

Benedikt Kern, Sebastian Rose, Anna-Nicole Heinrich, Britta Rabe (v.l.) bei der Vorstellung des Buches: „Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen. Ausgrenzung. Entrechtung. Widerstände.“

Das neue Buch „Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen. Ausgrenzung. Entrechtung. Widerstände“ legt die nordrhein-westfälische Abschiebepraxis offen.

Migration, Flucht und Menschenrechte, mit diesen Schwerpunkten des gesellschaftlichen Diskurses in Deutschland befasst sich auf ihrer Sommerreise die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich. Am Mittwoch und Donnerstag standen dabei Besuche in Nordrhein-Westfalen auf ihrem Programm, etwa in einer Einrichtung zur Unterbringung ausreisepflichtiger Personen sowie ein Treffen mit Mitgliedern des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“.

Köln: Heinrich informierte sich beim Verein „Abschiebungsreporting NRW“

Am Donnerstag war Präses Heinrich auch in Köln zu Gast, hier informierte sich die EKD-Vorsitzende bei dem Verein „Abschiebungsreporting NRW“ anhand des im Frühsommer erschienen Buches „Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen“ über Beispiele und Geschichten von Menschen, die in den vergangenen Jahren in das Visier nordrhein-westfälischer Ausländerbehörden geraten sind.

„Gerade in Zeiten, in denen Thesen und Forderungen rechtspopulistischer Kräfte bei Wahlen Anklang finden, zeigt sich, wie sehr das zivilgesellschaftliche Engagement im Umgang mit Menschen, die in Not geraten sind und Hilfe brauchen, zentral ist für Zwischenmenschlichkeit und würdevollen Umgang“, betonte Heinrich während des Gesprächs mit Buchautor Sebastian Rose, Britta Rabe vom Verein Komitee für Grundrechte und Demokratie, und Benedikt Kern vom Netzwerk Kirchenasyl NRW, in der Geschäftsstelle des Grundrechtekomitees in der Aquinostraße.

Autor Sebastian Rose und Anna-Nicole Heinrich, Präses der EKD, bei der Vorstellung des Buches „Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen. Ausgrenzung. Entrechtung. Widerstände“

Autor Sebastian Rose und Anna-Nicole Heinrich, Präses der EKD, bei der Vorstellung des Buches „Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen. Ausgrenzung. Entrechtung. Widerstände“

Die Eindrücke, die sie auf den Stationen ihrer Reise gewonnen habe, bestätigten sie in der Überzeugung, dass es „fest zum Selbstverständnis von Christinnen und Christen gehöre“, bei Forderungen nach mehr und schnelleren Abschiebeverfahren, die Komponenten Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit nicht zu vernachlässigen und genau hin zu schauen, welche Entwicklungen wo stattfänden, so Anna-Nicole Heinrich. „Das sind teils heftige Eindrücke gewesen in den letzten Tagen und Wochen“, sagte die 28-jährige Kirchenfunktionärin, die seit 2021 Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland ist.

In dem Buch von Rose und seinem Co-Autor sind anhand von Recherchen und Behördenanfragen mehr als 100 Fällen dokumentiert, die „auch dazu beitragen sollen, dass hinter Zahlen in Statistiken auch Schicksale und Gesichter von Menschen stehen, die viel zu oft verborgen“ blieben und in deren Leben es mitunter auch entgegen geltendem Recht zu einschneidenden Wendungen komme, wie Sebastian Rose betont.

... ein oft intransparentes System mit komplexen Mechanismen, die die Probleme hierzulande letztlich nicht lösen helfen werden.
Anna-Nicole Heinrich

Ein achtjähriges Mädchen, das sich am Flughafen im Polizeitransporter festklammert. Nachfahren von NS-Opfern, eine in Deutschland geborene und aufgewachsene junge Romni mit geistiger Behinderung. Ein Oppositioneller, der nach seiner Abschiebung nach Tadschikistan zu sieben Jahren Haft verurteilt wird, oder ein junger Mann, dem die Ausländerbehörde jahrelang die Erlaubnis für eine Ausbildung verweigert und ihn zur „freiwilligen Ausreise“ drängt, damit er „auf dem korrekten Weg“ mit einem Visum wieder einreist, um seine Ausbildung beginnen zu dürfen.

Die Aufzählung dieser Beispiele aus dem Buch sind auch für Präses Heinrich „Beleg für ein oft intransparentes System mit komplexen Mechanismen, die die Probleme hierzulande letztlich nicht lösen helfen werden“ ist sie überzeugt. Aber auch die „vermeintlich schnellen und einfachen Lösungen“, die von Populisten als Reaktion auf so schreckliche Taten wie den Messerangriffen in Solingen oder Mannheim angeboten würden und die damit auch weite Teile der Politik unter Druck setzten, stellten „keine Alternative“ dar.

Eine vergiftete Atmosphäre im Land

Im Gegenteil, sie befeuerten eine vergiftete Atmosphäre im Land, wie sich auch bei den jüngsten Landtagswahlen in Ostdeutschland gezeigt habe. Gleichzeitig erfahre sie aber auch die nach wie vor starke Bereitschaft von vielen Menschen überall im Land, sich nicht in die Gleichgültigkeit zurückzuziehen und die Probleme anders lösen zu wollen als durch schnelle Abschiebungen oder härtere Gesetze – etwa auch in der Arbeit diverser christlicher Träger und Initiativen oder direkt in zahlreichen evangelische Gemeinden, beispielsweise in Form von Kirchenasyl. „Wir müssen die Probleme ansprechen und angehen, und dürfen uns unserer Verantwortung als Christen und Menschen nicht entledigen“, fasst Anna-Nicole Heinrich am Donnerstag ihre Eindrücke nach dem Besuch in Köln zusammen.

Anfang Juli hatte sich das Präsidium der Synode auf einer Delegationsreise nach Griechenland ein Bild von der Situation Geflüchteter an den EU-Außengrenzen gemacht. Die von der EKD-Präses im Rahmen ihrer Sommerreise besuchten Stationen dienen auch der Vorbereitung der Tagung der Synode der EKD vom 10. bis 13. November in Würzburg. Dort wollen die Synodalen sich mit ebenfalls schwerpunktmäßig mit dem Thema „Migration, Flucht und Menschenrechte“ und der Rolle der Kirche dabei befassen.

Weitere Informationen zu Inhalten und Anliegen der Evangelischen Kirche Deutschlands sowie zur Arbeit der Kölner Menschenrechtsvereine, die die EKD-Präses besucht hat, sind im Internet unter www.ekd.de, www.abschiebungsreporting.de und www.grundrechtekomittee.de zu finden.