Der SPD-Ortsverein Südstadt will, dass die Mohrenstraße in der Kölner Innenstadt umbenannt wird.
„Auch wenn dieser Straßenname in Köln keinen kolonialistischen Hintergrund hat, ist dieser Begriff in unserer heutigen Zeit nicht ohne rassistischen Unterton denkbar“, sagt OB-Kandidat Andreas Kossiski.
Doch wie denken die Kölner darüber? Und was halten die Geschäftsleute der Straße von einer möglichen Umbenennung?
Köln – Die Kölner Mohrenstraße ist eine ruhige Straße mit gepflegten Geschäftshäusern, grünen Wohnbalkonen und gutsituierten Geschäften: ein Maßschneider und ein Goldschmied, eine Kunstgalerie und eine Antiquitätenhändlerin, Architekten, Steuerberater, ein Druckhaus und ein Kiosk mit Sonnenbänkchen davor. Sie alle werden, wenn es nach dem Willen der SPD-Südstadt geht, Briefpapier, Visitenkarte und Geschäftsprospekt ändern müssen.
„Die Umbenennung der Mohrenstraße ist überfällig“, sagt auch der OB-Kandidat der SPD, Andreas Kossiski: „Auch wenn dieser Straßenname in Köln keinen kolonialistischen Hintergrund hat, ist dieser Begriff in unserer heutigen Zeit nicht ohne rassistischen Unterton denkbar. Da gibt es kaum einen Unterschied zum N-Wort, das gerade erst vom Stadtrat als grundlegend rassistisch geächtet wurde. Daher unterstütze ich die Initiative der SPD in der Kölner Innenstadt.“ Oberbürgermeisterin Henriette Reker äußerte sich dazu gestern auf Anfrage nicht.
In der Mohrenstraße nehmen sie es gelassen, so scheint es. „Obwohl ich es nicht verstehe“, sagt Goldschmied Ingo Katenkamp. „Seit fünf Jahren erkläre ich am Telefon meine Adresse: »Mohrenstraße mit einem h«. Glauben Sie, es hätte mich je einer darauf angesprochen. Aber wenn es Menschen verletzt .... Aber dann will ich auch nie wieder Zigeunerschnitzel hören.“
Kölner Geschäftsleute reagieren überrascht
Aref Keshish und ihre Mutter betreiben seit elf Jahren den Kiosk: „Wir haben ja auch dunkelhäutige Kunden. Da hat noch nie jemand Anstoß am Straßennamen genommen.“ Couturier Carlo Joesch hebt die Schultern. „Ich bilde mir ein, als Deutsch-Chilene auch ein Sensorium für Fremdenfeindlichkeit oder Diskriminierung zu haben. Ich habe den Straßennamen nie so empfunden.“ Und Antiquitätenhändlerin Iris Rust wundert sich nur: „Ist das Wort denn überhaupt noch im Sprachgebrauch? Mohr – sagt das heute noch jemand? Das ist doch längst historisch.“
Die Mohrenstraße entstand im 19. Jahrhundert. 1844 setzte sich der Vorstand der Gemeinde St. Gereon mit Erfolg dafür ein, sie Maurenstraße zu nennen – woraus dann „Mohrenstraße“ wurde. Damit knüpfte man an die Legende von der „Thebäischen Legion“ an. Mario Kramp, Direktor des Kölnischen Stadtmuseums, kann zur Verbindung von St. Gereon zur thebäischen Legion nicht aus historischen Quellen schöpfen, nur auf Überlieferungen und Legenden zurückgreifen. „Der Kern dieser Legende besagt, dass diese Truppe einst, um das Jahr 300, angeführt unter anderem vom heiligen Gereon, dem heiligen Gregorius Maurus und dem heiligen Mauritius, gegen den Befehl opponiert hatten, Christen zu verfolgen.“
Sie sollen aus Theben gekommen sein, dem heutigen Ägypten (der Gegend um Karnak) und waren Christen. „Mauritius, der Legende zufolge ein Schwarzafrikaner, starb bereits in der heutigen Schweiz den Märtyrertod (nach ihm ist St. Moritz bzw. Saint Maurice benannt), Gereon und andere sollen bis an den Niederrhein gekommen sein und vor dem Toren Kölns den Märtyrertod erlitten haben. Gereon wird bis heute als einer der Stadtpatrone Kölns verehrt, verbunden mit »seiner« Kirche, die angeblich von der christlichen Mutter Kaiser Konstantins, der heiligen Helena höchstpersönlich, nach seinem Tod begründet worden sei.“
Besonders seit dem 12. Jahrhundert – in der Zeit der Kreuzzüge – seien diese Legenden ausgeschmückt worden, erklärt Kramp. „Damit ging eine zunehmende »Afrikanisierung« der Thebäischen Legion einher. Die »schwarzen« Thebäer – wie etwa der heilige Mauritius – wurden als vermeintlich frühe Christen besonders verehrt.“ Dies hatte wiederum auch politische Aspekte. „Es ging darum, sie als Verbündete der Christenheit zu instrumentalisieren im Rahmen der Missionierung Afrikas – und später der frühen Kolonialisierung.“ So gesehen, erklärt Kramp, erinnere der Name „Mohrenstraße“ an den Kölner Stadtpatron Gereon und seine „Thebäische Legion“ – „und kann zugleich als ständige Anregung zu einer sehr ergiebigen, vieldeutigen und durchaus kontrovers zu führenden Debatte über den Umgang mit unserem Bild von Schwarzafrikanern dienen.“ In der Schatzkammer von St. Gereon blicken zwei Kopfbüsten dunkelhäutiger Thebäer vom Sims. Für Domkapitular und Pfarrer Dominik Meiering machen auch die Figuren in den Kirchenfenstern und viele Bilder in St. Gereon deutlich, „dass wir dunkelhäutigen, afrikanischen Menschen die Einführung des Christentums in Köln verdanken. Sie haben die ältesten christlichen Gemeinden in Mitteleuropa gebildet und geprägt – auch hier in Köln.“ Schon historisch bedingt sei deshalb St. Gereon „ein einzigartiger Kraftort“.
Pfarrer Meiering wünscht sich Umbenennung in „Gregor Maurus“
Für Pfarrer Meiering ist wichtig, dass der Bezug der Mohrenstraße zu dieser Kirche und der kostbaren Grablege dieser Männer erhalten bleibt. „Wenn die Mohrenstraße unbenannt werden muss, dann bin ich für den Namen Gregor Maurus. Es wäre ein Akt der Geschichtsvergessenheit, wenn wir diese Verbindung und das ehrende Andenken an die afrikanischen Soldaten auslöschen würden.“
Natürlich kann man Straßennamen ändern oder auslöschen, sagt Martin Stankowski, „das ändert aber nichts an der Geschichte und an ihrer Bedeutung“. Gereon und Gregorius gehörten quasi zum „Gründungsmythos“ des Rheinlandes, weil ihnen die Überzeugung wichtiger war als der Gehorsam. „Im Grunde waren diese Märtyrer die ersten rheinischen Kriegsdienstverweigerer“, so der Historiker und Kabarettist. Es sei ja „ein Treppenwitz der Geschichte“, dass ausgerechnet Gereon zum Patron der NATO avancierte und die vereinigte Truppe – jedenfalls der katholische Teil – sich jedes Jahr im Januar zu einem Soldatengottesdienst im Dom versammele.
„Und wenn man schon ändert, warum nicht auch den Mauritiuswall, den Mauritius-Kirchplatz und gleich den Mauritiussteinweg?“, löckt Stankowski den Stachel. „Oder der Appell an den Kardinal, endlich die Mauritiuskirche umzubenennen? Denn der Mauritius hat die gleiche Herkunft wie der Mohr, vom lateinischen maurus.“
Stankowski: Mit der Mohrenstraße verfahren wie mit Taku-Platz in Ehrenfeld
Martin Stankowski rät, mit der Geschichte selber historisch umzugehen und sie neu zu interpretieren. Wie am Taku-Platz in Ehrenfeld, dessen Namensschild an den antikolonialen „Boxeraufstand“ 1900 im chinesischen Taku erinnert und nicht entfernt wurde, sondern historisch eingeordnet und erklärt wurde. Für Robert Musil, so Stankowski, gab es „nichts auf der Welt, was so unsichtbar ist wie Denkmäler“. Immer komme es auf den Prozess, die Kontroverse an. Deshalb begrüßt Stankowski die Namens-Debatte. Die könne ja immerhin zum Ergebnis haben, „dass wir in der Mohrenstraße demnächst ein Schild haben, dass die Abscheu der Kölner vor dem Rassismus erklärt und ebenso ihre Begeisterung für die ersten schwarzen Kriegsdienstverweigerer.“
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Auch die gewählte Interessenvertretung der Kölner Migranten, der Integrationsrat, begrüßt die Debatte über die Mohrenstraße. Tayfun Keltek, Vorsitzender des Integrationsrates, wünscht eine breite Diskussion zum künftigen Umgang mit kolonialen Straßennamen, Denkmälern, stereotypisierenden und rassistischen Kunstwerken. „Dies kann dann z.B. eine komplette Entfernung aus dem Stadtbild (z.B. bei Straßennamen durch Umbenennung) sein – denkbar sind aber auch informierende Hinweistafeln und vieles andere mehr.“
Eli Abeke, stellvertretender Vorsitzender des Integrationsrates und afrikanischer Herkunft, erklärt: „In der Kölner afrikanischen Community diskutieren wir dieses Thema bereits seit vielen Jahren. Wir reden hier über die Auswirkungen des Kolonialismus – eine Zeit in der Menschen unterdrückt und über ihre Köpfe hinweg entschieden wurde.“
Es dürfe daher heute auf keinen Fall passieren, dass „wieder über unsere Köpfe hinweg Entscheidungen zum Umgang mit kolonialistischen »Erinnerungen« in unserer Stadt getroffen werden“. Im Integrationsrat seien auch Menschen aus der afrikanischen Community vertreten. Die müssten auf Augenhöhe mit den Parteien an der Diskussion beteiligt werden.