Am Dienstagabend hat der SPD-Ortsverein Südstadt beschlossen, sich für die Umbenennung der Mohrenstraße einzusetzen.
Traditionsgemäß endet der Rosenmontagszug in der Straße in der Innenstadt.
Andreas Hupke, Grüner und Bezirksbürgermeister der Innenstadt, warnt indes vor einem Schnellschuss.
Köln – Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Der Mohr kann gehen.“ Friedrich Schiller, der Klassiker, wird immer dann zitiert, wenn jemand nicht mehr gebraucht und auf undankbare Weise abgeschoben wird. In Berlin wird das Sprichwort seit 2004 bemüht. Die PDS im Bezirk Mitte, die Liga für Menschenrechte und „Global Afrikan Congress“ forderten damals, den Namen Mohrenstraße aus den Stadtplänen zu tilgen. „Dieser Name vermittelt ein rassistisches Afrikabild und stellt schwarze Menschen als unzivilisiert dar“, hieß es damals – und heute. 16 Jahre später – Anlass sind die weltweiten Antirassismus-Proteste nach dem Tod von George Floyd – ist der Vorstand der Berliner Verkehrsbetriebe nunmehr entschlossen, den U-Bahnhof „Mohrenstraße“ umzubenennen.
Eine Mohrenstraße gibt es auch in Köln. Traditionsgemäß endet dort der Rosenmontagszug. Am Dienstagabend hat der SPD-Ortsverein Südstadt beschlossen, sich für die Umbenennung zu engagieren und einen entsprechenden Antrag bei der Bezirksvertretung (BV) Innenstadt einzubringen.
Hupke warnt vor einem Schnellschuss
Tim Cremer, stellvertretender Bezirksbürgermeister der Innenstadt, ist zuversichtlich, dass die BV Anfang September entsprechend votiert. Brigitta von Bülow, grüne Fraktionsvorsitzende im Rat, verweist auf entsprechende Initiativen der Grünen für Straßennamen in Nippes und Ehrenfeld. „Seit 20 Jahren sind wir an dem Thema dran, deshalb begrüßen wir eine Debatte.“ Andreas Hupke, Grüner und Bezirksbürgermeister der Innenstadt, warnt indes vor einem Schnellschuss. Es gebe eine Vereinbarung, dass die Bezirksvertretung über Umbenennungen einmal im Jahr einstimmig beschließe. Davor hätten die Fachleute das Wort. „Ich bin kein Lateiner, aber für mich verweist das Wort Mohr auf Maurus, den Nordafrikaner und auf Gregorius als Mitglied der Thebäischen Legion. Da sollte man nicht vorschnell urteilen.“
Prof. Marianne Bechhaus-Gerst, Afrikanistin an der Universität Köln , ist Spezialistin für die deutsche Kolonialgeschichte. Sie stellt klar: In Berlin gehe die Straßenbenennung Mohrenstraße darauf zurück, „dass im Grunde versklavte Afrikaner dorthin verschleppt wurden, um als Hofmusiker und Dienstpersonal zu arbeiten“. In Köln gehe der Straßenname auf Gregorius Maurus zurück.
Der Kirchen-Legende nach soll er als einer der Anführer der Thebäischen Legion im Jahre 304 mit seinen Gefährten in Köln hingerichtet worden sein, da er sich weigerte, Christen zu verfolgen und zu töten. Die Mohrenstraße führt auf die Kirche St. Gereon zu, wo Erzbischof Anno die Reliquien des Märtyrers bestatten ließ. Gregorius gilt seit dem Mittelalter als Mitpatron der Kirche.
Und doch befürwortet Bechhaus-Gerst die Umbenennung der Straße. „Das M-Wort ist rassistisch konnotiert und in jedem Fall diskriminierend. Als im Mittelalter im Zuge der muslimischen Eroberungen die ersten Menschen aus Afrika nach Europa kamen, wurden die »Mohren« als des Teufels Scharen bezeichnet. Allein die Farbsymbolik schwarz und Teufel konnotierte dieses Wort negativ.“ Daran ändere sich auch nichts, wenn wir von der Person ein positives Bild hätten. Das hätten auch die jüngsten Debatten über die Worte „Mohrenkopf“ oder Sarotti-Mohr deutlich gemacht. Günter Leitner, Kunsthistoriker und für die CDU in der BV Innenstadt, ist gegen die Umbenennung der Straße. „Mohr kommt von mauros, das griechische Wort für schwarz. Es erinnert daran, das Gregorius von dunkler Hautfarbe war. Für mich ist das nicht rassistisch konnotiert, sondern steht gegen das Vorurteil, dass alle Heiligen von heller Hautfarbe waren. Es relativiert unseren Eurozentrismus.“
Mit dem Wort Mohr wurden ursprünglich Mauren bezeichnet, die Bewohner Mauretanias beziehungsweise Nordwestafrikas. Erst seit dem 16. Jahrhundert wird das Wort verallgemeinernd für Schwarze verwendet. Sprachforscher weisen darauf hin, dass auch das griechische Wort „moros“ mitschwinge: dumm und gottlos. Kolonialismus und Versklavungshandel verstärkten dann die rassistisch-biologistische Ideologie der „weißen Überlegenheit“.
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Archäologische Funde belegen, dass es im Rheinland römische Soldaten vom afrikanischen Kontinent gab. Es ist also durchaus möglich, dass es sich bei der sogenannten Thebäischen Legion um in Theben ausgehobene, nubische Soldaten gehandelt hat, die auch in Europa zu ihrem christlichen Glauben standen. „Ob das je aus dem Bereich der Legende in eine wissenschaftlich belegbare Tatsache gewandelt wird, ist fraglich“, erklärt die Kölner Afrikanistin Bechhaus-Gerst. „Es ist jedenfalls nicht abwegig, dass viele unserer Kirchenpatrone in Trier, Bonn und Köln Schwarze gewesen sind.“
Sömmeringstraße in Ehrenfeld soll auch unbenannt werden
In Ehrenfeld gibt es immer noch die Sömmeringstraße“, so Marianne Bechhaus-Gerst. „Samuel Thomas von Sömmering war ein Anatom, der in der Abhandlung »Über die körperliche Verschiedenheit des Mohren vom Europäer« erklärte, dass Afrikaner eng mit den Affen verwandt seien. „Auch hier“, so Bechhaus-Gerst, „ist eine Umbenennung dringend angesagt“.„Unabhängig von der etymologischen Herleitung, stellt der Begriff des Mohren eine abwertende rassistische Bezeichnung dar“, erklärt Michael Scheffer, Fraktionsvorsitzender der Linken in der Bezirksvertretung Innenstadt. „Diese passt überhaupt nicht mehr in die Zeit, weshalb wir eine Umbenennung für dringend geboten erachten.“ Die Linke in Köln setze sich zurzeit intensiv mit dem kulturellen Erbe der Kolonialzeit im Stadtraum auseinander. „Diskriminierung hat in Köln keinen Platz und Straßennamen, die zu einer Verherrlichung, Verklärung oder Verharmlosung kolonialer Gewalt beitragen, können und müssen geändert werden.“
Tim Cremer und die Südstadt-SPD könnten sich vorstellen, der Straße den Namen einer schwarz-afrikanischen Menschenrechtsaktivistin zu geben. „Wir haben schon einige Persönlichkeiten gelistet. Für uns ist es aber wichtig, dass die Stadtgesellschaft über Geschichtsvergessenheit diskutiert.“Über Jahrhunderte hinweg haben die „Thebäer“ im Dienst der Kirchenpolitik gestanden. Für die Kirche war ihre Hautfarbe offenbar volatil. Im Kölner Dom wird Gregorius als blonder Ritter mit heller Haut dargestellt. Muss der schwarze Gregorius nun gehen? „Das ist gar nicht gesagt“, meint Tim Cremer. „Wir könnten uns auch vorstellen, die Mohrenstraße in Gregorius-Maurus-Straße umzubenennen.“