Wegen Vermüllung„Lange Tafel“ am Kölner Sachsenring steht vor dem Aus
Innenstadt – Eigentlich war die sogenannte Lange Tafel auf der Grünfläche am Sachsenring nur als temporäres Kunstprojekt genehmigt. Im Sommer 2017 wurde sie aufgebaut als Teil des damaligen Programms Stadtlabor des Kulturamts. Erst nach einer Petition durfte das 28 Meter lange Verweilmöbel auch dauerhaft bleiben. Doch nun haben die Initiatoren Angst, dass ihr Tisch doch noch verschwinden muss – denn die Stadt bemängelt, dass seit der Installation Müll und Verschmutzung auf der Grünfläche erheblich zugenommen hätten. Sie hat den Nutzern ein Ultimatum gestellt: Entweder die Lange Tafel wird sauber gehalten oder sie verschwindet.
Wenn Birgit Müller-Jaeger heute aus der Tür ihrer Agentur an der Ulrepforte tritt, dann denkt sie zurück an eine Zeit vor fünf Jahren. Damals waren sie und ihre Kollegen mit ihrem Arbeitgeber gerade erst in das Bürogebäude eingezogen, sie hatten ein Eis gekauft, suchten nach einem Platz zum Verweilen. Doch Fehlanzeige. Keine Sitzgelegenheit weit und breit, erinnert sie sich heute. „Doch eines Tages stand dann plötzlich der Tisch da. Das hat sich bei uns herumgesprochen wie ein Lauffeuer – und alle dachten: Wow!“.
Wenn Müller-Jaeger heute die „Lange Tafel“ auf der Grünfläche zwischen Eifelstraße und Ulrepforte ansteuert, dann hat sie oft eine Müllzange dabei. Gerade erst haben sie und Mitstreiter die Grünfläche um den Tisch in einer Aufräumaktion von hinterlassenen Essenskartons, Bierflaschen und Plastikbechern befreit. Doch jetzt liegen schon wieder Kronkorken, Zigarettenstummel und Plastikfetzen auf dem Boden verstreut. Auch wenn ansonsten gerade einige Gruppen, Musik hörend, lernend, in Gespräche vertieft, an dem Tisch in der warmen Nachmittagssonne sitzen, der Tisch bis auf einige Schmierereien auf dem Holz sauber und gepflegt erscheint: „Inzwischen frage ich mich jedes Mal, wie es diesmal hier wohl wieder aussieht, wenn ich herkomme“, sagt Müller-Jaeger. Sie ist eine von rund zehn Paten, die sich um die Instandhaltung des Tischs kümmern. Die Tischpatenschaft war eine Auflage der Verwaltung gewesen, unter der der Tisch dauerhaft stehen bleiben durfte. Eine Petition von Anliegern – 524 Menschen unterschrieben – motivierte die Bezirksvertretung, eine langfristige Genehmigung durchzusetzen, die seitdem für alle zuständigen Ämter bindend ist.
Heute nutzen die anliegenden Büros den Tisch für Mittagspausen und Feierabendbier, Geburtstagsfeiern von Anwohnern finden hier gelegentlich genauso statt wie Unterrichtsstunden der angrenzenden Schulen – und mit den Menschen kommt auch der Müll, der oftmals liegen bleibt. Die Verantwortlichen haben mittlerweile warnende Metallschilder bestellt, die sie bald schon auf dem Tisch anbringen wollen: „Schön, dass ihr hier seid“, soll darauf stehen. Aber auch: „Räumt euren gesamten Müll weg. Sonst lässt die Stadt Köln den Tisch leider wieder abbauen“.
Diese Konsequenz habe die Stadt bereits angedroht, berichtet die Kölner Künstlerin Uschi Huber, die das Konzept der Langen Tafel gemeinsam mit Boris Sieverts entworfen hat. „Ursprünglich wollten wir mit dem Projekt eine Diskussion anregen, wie man Plätze rund um die Kölner Ringe bespielen kann“, sagt sie. „Wir sind begeistert davon, wie es sich entwickelt hat, aber es gibt eben leider auch den Vandalismus.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Gemeinsam bemühen sich die Verantwortlichen nun darum, der Verschmutzung entgegenzutreten, seien so beispielsweise schon auf die umliegenden Schulen zugegangen, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Doch Huber wünscht sich auch mehr Unterstützung der Stadt. Denn nach dem Nutzungsvertrag, den sie mit der Stadt geschlossen hat, sind ausschließlich die Initiatoren des Projekts für den Tisch verantwortlich – und damit auch für den Müll, der im weiteren Umkreis um den „Langen Tisch“ entsteht. Nahe des Tisches steht ein einziger Mülleimer, den die AWB leert, doch dieser darf laut Vorgaben der Stadt von den Verantwortlichen nicht genutzt werden, um den Müll zu entsorgen.
„Unser Herzblut hängt nicht unbedingt an dem Tisch“, sagt dazu der stellvertretende Leiter des Kölner Grünflächenamts, Joachim Bauer. Er stößt sich nämlich an der Art und Weise, wie ein eigentlich temporär geplantes Projekt durch eine Petition zur Langzeiteinrichtung wurde. „Ich finde es befremdlich, dass das über solche Ecken herum lief“, betont Bauer heute. Den politischen Willen, nach dem der Tisch dauerhaft bleiben soll, akzeptiere er aber selbstverständlich. „Wir können den Tisch so lange mittragen, bis das Müllproblem Ausmaße annehmen würde, die nicht mehr vertretbar sind.“
Konkret bedeutet das: Der Tisch darf stehen bleiben. Allerdings nur, wenn die Verantwortlichen den Müll selbst beseitigen – aktuell sei das gegeben. Die Sorgen der Verantwortlichen, dass die Stadt den Abbau doch durchsetzen könnte, bleiben aber. „Wenn es soweit kommen würde, wäre ich sehr enttäuscht, weil es nicht oft vorkommt, dass ein Projekt dermaßen zu leben beginnt“, sagt Uschi Huber. „Es wäre tragisch, weil dieses Viertel sonst keinen Treffpunkt hat“, ergänzt Christian Meyer-Pröpstl, ebenfalls ein Tischpate. „Ich wäre zutiefst traurig, weil es ein wunderbarer Ort ist“, sagt Birgit Müller-Jaeger. Dann fischt sie einige Kronkorken und Papierschnipsel vom Boden und bugsiert sie in den naheliegenden Mülleimer.