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Kölner Kabarettist im Interview„Ich wünsche mir, in die Nordsee gestreut zu werden“

Lesezeit 4 Minuten
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Wilfried Schmickler will bei den „Mitternachtsspitzen“ aufhören.

  1. Er kommt aus Leverkusen, lebt in der Südstadt und ist eine große Nummer im Kabarett-Geschehen.
  2. Wilfried Schmickler, unüberhörbar, unübersehbar und unstoppbar bei den „Mitternachtsspitzen“ im WDR.
  3. Nach der Sommerpause 2020 wird er die jedoch verlassen. Ein Gespräch über das Leben nach den Spitzen und die Kölner Südstadt.

KölnMit 65 beginnt für die meisten ein neuer Lebensabschnitt, für den man neu rechnen lernen muss. Wie ist es bei Ihnen – könnten Sie von Ihrer Rente leben?Wilfried Schmickler: Nee. Ich habe zu spät eingezahlt, weil ich lange nichts verdient habe, und ich habe kein Eigentum, von dem ich zehren könnte. Also muss ich weiter als Kabarettist arbeiten – mache es aber gern.

Immer noch volle Pulle – oder werden Sie kürzertreten?

Meine Frau will, dass ich kürzertrete, und sie will auch, dass ich will, dass ich kürzertrete. Aber ich glaube nicht daran. Nicht der Rente wegen, sondern weil ich gern aktiv im politisch-künstlerischem Leben bin. Solange ich auf zwei Beinen gehen kann und meine Stimme mitmacht, will ich meinen Job machen. Einfach nur als Beobachter irgendwo auf der Bank zu sitzen ist nicht meins. Ich muss da immer was zu tun haben. Mein letztes Programm ist so entstanden: Erst habe ich einige Stunden rumgepröttelt, dann geschrieben. Die Mischung macht es. Mein Garten im Bergischen ist eine schöne Ergänzung zum Leben in der Stadt.

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Könnten Sie sich das umgekehrt vorstellen? Hauptwohnsitz im Bergischen und hin und wieder mal einen Ausreißer nach Köln?

Nee. Ich brauche die Stadt. Ich kann zwischendurch mal weg, aber ohne Stadt könnte ich nicht leben. Ich fühle mich als Bestandteil meines Veedels. Ich muss Menschen auf der Straße treffen, die Geschäftsleute kennen, in meiner Nachbarschaft einen Kaffee trinken und einen Plausch halten und am Büdchen meine Zeitung kaufen können. Ich muss wissen, ob alles in Ordnung ist.

Was macht die Südstadt so besonders?

Sie ist seit 25 Jahren mein Zuhause. Hier wohnen viele Menschen, denen dran gelegen ist, alles etwas ruhiger anzugehen. Es ist auch mal Leben in der Bude, aber es ist nicht so laut und hektisch wie anderswo. Hier leben immer noch viele Leute von einst, dadurch kennen sich alle, und das ist schön so. Und es gibt eine schöne Kneipenszene. Es ist familiärer als anderswo. Das ist für mich Lebensqualität.

Die Südstadt ist Geburtsort vieler kölscher Lieder. Welches hören Sie am liebsten?

Seit Jahren „Dei Dei Dei“ von Gerd Köster und Frank Hocker. Ich halte „Jächt“ für den größten – nicht nur Kölner – Liedermacher, auf einer Ebene mit Lindenberg und Westernhagen. Leider gibt es Landstriche in Deutschland, die sein reines Kölsch nicht mögen. Vom Potenzial her, vom Gesang und Text, ist er seit Ewigkeiten der Beste, er hätte riesige Hallen verdient. Da muss man nur mal ihr neues Album „Fremde Feddere“ hören, dann weiß man, was ich meine.

Zum Fußball: FC oder Südstadt-Fortuna?

Ganz vorn ist bei mir Bayer 04 Leverkusen. Ich bin mit Bayer groß geworden, es ist mein Heimatverein. Warum sollte ich das ändern?

Damit hat man in Köln einen schweren Stand …

Das weiß ich. Hier um die Ecke ist eine FC-Kneipe, und sobald Leverkusen verliert, zeigen alle Finger auf mich und alle freuen sich. Verstehe ich nicht.

Sie machen seit über 40 Jahren Kabarett. Inzwischen ist eine ganz neue Generation auf den Kölner Bühnen und im TV unterwegs. Was unterscheidet die Jungen von den Alten?

Die Alten riechen nach Straße, die Jungen haben diesen Geruch nicht mehr. Sie gehen mit dem Berufswunsch Kabarettist an den Start und ziehen das durch. Wir Alten sind meist irgendwie reingeschliddert, zu Beginn spielte Geldverdienen keine Rolle. Ich habe nebenbei lange gearbeitet und sehr lange auch immer zwei Jobs gehabt. So bin ich unter anderem Lastwagen für eine Wäscherei gefahren.

Im Sommer hören Sie bei den „Mitternachtsspitzen“ auf. Fällt das schwer?

Ja, klar. Aber das musste ja kommen, man kann auf so einem Platz ja nicht vergreisen. Irgendwann muss eine Verjüngung her, damit mal frischer Wind in den Laden kommt. Wir haben ja sehr starke Konkurrenz . Der Druck ist größer geworden. Man muss immer daran arbeiten, dass man Schritt hält. Und dabei geraten alte Säcke ja schon mal aus der Puste.

Schon mal drüber nachgedacht, wo eines Tages Ihr Haupt gebettet werden soll?

Ich möchte nicht, dass mein Haupt gebettet wird. Ich wünsche mir, in die Nordsee gestreut zu werden. Und wenn das nicht klappt, dann in den Rhein, damit der mich dann in die Nordsee trägt.

Das ist verboten…

Weiß ich, das muss man heimlich machen. Das organisiere ich bis dahin.