Kölner KarnevalEin Dreigestirn für zwei Sessionen
Köln – Die ersten Weihnachtsbäume sind entsorgt, und normalerweise hätten in diesen Tagen die ersten Karnevalisten ihre Mützen und Pappnasen aufgesetzt und „Alaaf“ gerufen, der Sitzungsreigen hätte begonnen. Doch wegen der Pandemie fällt fast alles aus. Für die Macher vom Festkomitee Kölner Karneval (FK) war allerdings immer klar, dass es zumindest ein Dreigestirn geben wird.
Fündig geworden war das FK beim Traditionskorps der Altstädter. Sven Oleff (44) als Prinz, Gereon Glasemacher (32) als Bauer und Björn Braun (37) als Jungfrau waren bereit, sich auf eine Corona-Session einzulassen. „Ungewöhnliche Zeiten erfordern unkonventionelle Entscheidungen. Die großen Höhepunkte fallen in dieser Session weg. Daher sollen die drei das alles ein Jahr später erleben dürfen“, kündigte FK-Präsident Christoph Kuckelkorn ein Novum in der knapp 200-jährigen Geschichte des Komitees an. Erstmals wird ein Dreigestirn zwei Jahre regieren.
„Uns war klar, auf was wir uns einlassen“
Ehe die drei auf dieses Angebot eingingen (Oleff: „Als wir uns beworben haben, war uns schon klar, auf was wir uns da einlassen. Wir hätten es auch ohne das Bonbon einer zweiten Session gemacht“), haben sie sich mit ihrer KG und ihren Familien beraten, denn zweimal Dreigestirn bedeutet ein Mehr an Geld und Zeit, die man neben dem Beruf aufbringen muss. Oleff leitet ein familieneigenes Sanitär- und Heizungs-Unternehmen, Glasemacher arbeitet als Wirtschaftspsychologe in Beratung und Verkauf für einen großen Software-Konzern und Braun zählt als Rechtsanwalt zu einer angesehenen Kölner Sozietät.
Doch nun stehen sie in den Startlöchern, ohne genau zu wissen, was sie erwartet. Klar ist: Am Freitag werden die Drei (ebenso wie das Kinderdreigestirn) proklamiert. Stand jetzt von OB Henriette Reker, die das Krankenhaus wieder verlassen hat. Den Ort will das FK noch nicht bekanntgeben,es wird allerdings definitiv nicht das Rathaus sei. Die Proklamationen werden wohl nacheinander stattfinden, im allerengsten Kreis.
Vieles wird digitaler
Wie schon in der Vorbereitung wird wohl vieles digitaler, da fehlt die Nähe zum Publikum. Dennoch: „Wir freuen uns auf die gesamte Reise, aber es ist schon eine Wundertüte“, sagt der designierte Prinz. „Es scheint, dass der Lockdown über den 10. Januar hinaus verlängert wird. Aber wir drei sind motiviert und zuversichtlich. Wir wissen halt nicht, wie es angenommen wird. Der Plan ist, dass wir mit einem LKW, einer Art Dreigestirns-Mobil, zu kleineren Auftritten fahren.“
Kann er den Spruch „Zweimol Prinz zo sin“ noch hören? „Das ist nicht so einfach, denn wir wollen uns nicht vom Anfang an auf die zwei Jahre fokussieren. Wir nehmen jede Session einzeln und ich hoffe, dass die beiden unterschiedlicher nicht sein können.“ Die Hofburg im Dorint-Hotel am Heumarkt wird wohl kaum zum Schlafen genutzt, sondern eher als Treffpunkt vor Auftritten oder als Studio. Oleff: „Wir werden Videobotschaften produzieren. Das wird von den KGs gut angenommen.“
Da sitzen die drei dann im kompletten Ornat vor der Kamera, auch wenn für eine Video-Konferenz ja die Mütze reichen würde. „Keine Sorge. Ich ziehe auch für ein Video die Strumpfhose an.“ Vorher müssen die Gesichter geschminkt und die Haare gemacht werden. Denn ab dem Tag der Proklamation sind sie Prinz Sven I., Bauer Gereon und Jungfrau Gerdemie und treten offiziell nur noch im Ornat auf. Mit einem an diese Zeiten angepassten, besonderen Auftritt, über den die drei vor der Premiere bei der Proklamation noch nichts verraten wollen. Es soll eine Überraschung werden.
Nicht ganz raus dem Beruf
Komplett aus dem Beruf raus ist Oleff – genau wie seine Mitstreiter – in den nächsten Wochen nicht. „Vieles, was wir vorhaben, konzentriert sich auf die Wochenenden. An den anderen Tagen ist es recht überschaubar. Da bleibt Zeit, morgens mal in den Betrieb zu fahren.“ Die Kraft fürs jecke Ehrenamt holt sich Oleff aus der Familie, die vor zwei Jahren in ein Neubaugebiet im Kölner Norden gezogen ist – bei Gesprächen, Aktivitäten und Spiel mit Ehefrau Isabel und Tochter Carlotta (3).
Das Ehepaar hat sich im Karneval kennen und lieben gelernt – bei der „kölschen Woche“ in Hintertux. Zudem tanzten beide bei den Rheinveilchen und Kölsch Hännes’chen, wo er fünf Jahre das Hänneschen verkörperte. Seit er zu den Altstädtern wechselte, ist sie bei den Colombinen aktiv. „Für uns als die »Damen des Dreigestirns« sind die kommenden Wochen erst einmal ganz ruhig. Wir sind miteinander befreundet, haben aber aktuell noch kein gemeinsames Kostüm. Da folgt wohl im nächsten Jahr“, sagt sie und kündigt an, ihren „Mann unterstützen und ihm den Rücken frei halten“ zu wollen. Der kocht ab und an – am besten Spaghetti Bolognese und Omas Hühnersuppe – und mäht den Rasen. Für richtige Hobbys bleibe einem jungen Familienvater und Unternehmer, der im Karneval engagiert ist, nicht viel Zeit. Oleff: „Ab und zu schnappe ich mal mein Fahrrad und fahre durch die Felder. Gelegentlich spiele ich Golf. Und für eine Dauerkarte beim FC stehe ich noch auf der Warteliste.“
Im Reich der Appelsine-Funke
Der angehende Bauer Gereon lebt mit Ehefrau Ann-Kathrin seit rund sieben Jahren in Nippes – mitten im Reich der Appelsine-Funke. Und so sind der Vater des Vermieters und ein direkter Nachbar Mitglied in der Nippeser Bürgerwehr. „Da ist es schon komisch, wenn wir zeitgleich in Uniform aus dem Haus gehen. Farblich beißt sich das ein bisschen.“ Die Altstädter sind bereits seine dritte karnevalistische Station. Mit knapp fünf Jahren kam er zur Kindergruppe der Blauen Funken, zwölf Jahre später tanzte er einige Jahre bei den Goldenen Lyskircher Hellige Knäächte un Mägde.
Heute hält sich Glasemacher vorrangig mit Sport fit – sechsmal die Woche. „Vor der Arbeit, dann bewegte Mittagspause oder abends mit meiner Frau. Die Laufschuhe sind immer im Gepäck. Da ich normalerweise beruflich deutschlandweit unterwegs bin, kenne ich allerlei gute Laufstrecken zwischen Hamburg und München.“
Nun ist er allerdings seit dem 8. März im Homeoffice. „Das hat zu Hause sehr gut funktioniert“, berichtet die Ehefrau, Geschäftsführerin einer Personalberatung im Gesundheitswesen. „Wir sind solche Situationen gewohnt. Wir haben uns im Studium kennengelernt, sind zusammengezogen und haben gemeinsam unsere Bachelorarbeit geschrieben.“ Und nun auch viel zusammen in der Küche gestanden und lecker gekocht. „Restaurant, kölsche Kneipe, Kino – das geht derzeit nicht. Das müssen wir so hinnehmen.“
Nachwus ist da
An gemeinsame Kneipen- und Kinosuche ist bei der Jungfrau in Spe, Björn Braun, und Ehefrau Maike – ebenfalls Anwältin – vorläufig nicht zu denken. Erst vor wenigen Wochen ist Sohn Jonathan geboren und ins Haus im Kölner Westen eingezogen. Bruder Konstantin ist zwei Jahre alt und recht lebhaft. Da bleibt nicht viel Zeit für Hobbys. „Wir spielen gerne Tennis.“ Als Jungfrau nennt sich Braun, der aus dem Tanzkorps der Altstädter kommt, Gerdemie. Der Name ist eine Hommage an Gerdemie Basseng: das Mariechen der Altstädter war in den 60er Jahren die erste, die mit Hebefiguren auftrat.
Während Prinz Sven zu Kontaktlinsen greift, setzt Braun weiter auf ein Brillengestell. Da hat er mit seiner Frau „wegen der weibliche Eitelkeit“ etwas Filigranes ausgesucht. Braun ist entspannt. „Es hilft doch nicht, herum zu jammern, was man alles nicht hat. Wenn etwas geht, ist das schön. Und wenn in einigen Monaten alle geimpft sind, holen wir alles 2022 nach.“ Das Bad in der Menge oder den Rosenmontagszoch. Mit der für dieses Jahr geplanten Variante des Zochs im Hänneschen-Format können sich die drei gut anfreunden.
„Eine unfassbar schöne Lösung. Das Hänneschen gehört doch zum Brauchtum“, schwärmen Glasemacher, der als Kind kaum eine Puppensitzung verpasst hat, und Braun, der dem Förderverein der Stockpuppenbühne angehört und den Speimanes sowie den Schäl als seine Lieblingsfiguren benennt. Das FK plant ja einen Minizug – von den Blauen Funken an der Spitze bis zum Finale mit Dreigestirn.
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Die Figuren von Prinz, Bauer und Jungfrau haben die Puppenspiele im Fundus. Die Holzköpfe mit den Gesichtskonturen der aktuellen Tollitäten könnte man ja noch schnitzen. Dafür sollte ein Sponsor zu finden sein. Auch wenn Glasemacher abwiegelt: „Das wäre eine zu große Ehre. Als Holzpuppe verewigt zu werden, käme ja schon Madame Tussauds gleich.“ Aber warum eigentlich nicht? Poppeköpp kann man doch immer gebrauchen.