Kölner KulturKeine Zukunft für Heinz Gaul und Jack in the Box in Ehrenfeld?
Köln-Ehrenfeld – Die Zukunft der 70 Hektar großen Brache des ehemaligen Güterbahnhofs Ehrenfeld ist klar beschrieben: „Wo früher Güterwaggons bewegt wurden, rangiert jetzt Lebensqualität ganz oben. Das Ehrenveedel beginnt mit der Ostspitze, geformt aus einem Hochpunkt und zwei markanten Bürogebäuden. In westlicher Richtung bilden moderne, locker gruppierte Wohngebäude eine von Bäumen durchzogene Lebenswelt.“
Die Sätze stehen auf einer erst vor kurzem online gegangenen Website der Aurelis Real Estate Gesellschaft, die das Gelände entwickelt und vermarktet: Ehrenveedel.com.
Einzug nur für ehrenwerte Leute möglich?
Bei dem Namen sträuben sich bei Martin Schmittseifer die Nackenhaare: Der Geschäftsführer des Vereins Jack in the Box spottet: „Sollen da nur ehrenwerte Leute einziehen?“ Und nicht nur er fragt sich: „Was ist aus der Zusage geworden, dass es an der Ostspitze des Geländes Kulturangebote geben soll?“ Der Verein Jack in the Box – eine Beschäftigungsinitiative für Langzeitarbeitslose im Kreativ- und Kulturbereich – hatte mit Partnern ein innovatives Nutzungskonzept für die Ostspitze des Güterbahnhofgeländes in Ehrenfeld entwickelt. Hierfür gab es viel Unterstützung.
Vor allem die Bezirksvertretung machte sich stark. Bezirksbürgermeister Josef Wirges übte sogar Druck auf die Aurelis-Vertreter aus, damit sie sich mit Jack in the Box an einen Tisch setzen, um die Möglichkeiten für das Projekt auszuloten.
Ein Mehrwert für alle Beteiligten
„Wir wollten zeigen, dass auch im Kern von Ballungszentren Nutzungen für die Kultur- und Kreativwirtschaft möglich sind, die Mehrwerte für alle Beteiligten bieten. Denn letztendlich wohnen wir doch genau deswegen im Stadtkern, weil wir hier dynamische, vielseitige kulturelle Angebote vorfinden, die ein wichtiger Teil unserer Lebensgestaltung sind“, sagt Martin Schmittseifer.
Die Aurelis schwärmt dagegen auf ihrer Ehrenveedel-Website lediglich vom vielfältigen gastronomischen Angebot sowie von den guten Standortbedingungen für „kreatives Networking“ im Stadtteil. Man sei weiterhin im Gespräch mit Jack in the Box, sagte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Zugleich verwies er aber darauf, dass beidseitig vereinbart worden sei, Inhalte der Gespräche nicht öffentlich zu machen.
Das verabredete Schweigen wird gebrochen
Das bricht nun Martin Schmittseifer: „Es war eine Farce“, sagte er bei einer Podiumsveranstaltung der Ratsgruppe „Gut“ zum Thema Stadtentwicklung. Er habe immer wieder um Termine bitten müssen. Gefruchtet hat das aber offenbar nichts. „Nach drei Jahren intensiven ehrenamtlichen Engagements stellen wir nun fest, dass bilaterale Absprachen mit anderen Akteuren, denen wir vertrauten, getroffen wurden, und Jack in the Box keine Rolle mehr spielen soll.“
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In einem Aufruf an die Kommunalpolitiker in Bezirksvertretung und Rat bittet der Verein Jack in the Box um Unterstützung. Martin Schmittseifer schlägt einen „Runden Tisch“ von Politikern, Verwaltung und Aurelis vor. Dabei solle auch ein Vorkaufsrecht der Stadt für das Ostspitzengelände ins Gespräch gebracht werden. Und auch Bezirksbürgermeister Josef Wirges will gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Stadtentwicklungsausschusses, Niklas Kienitz, möglichst bald die Investoren, Politiker und die Kulturschaffenden zu einer Gesprächsrunde zusammenbringen. Wirges zeigt sich ebenfalls enttäuscht von den jüngsten Entwicklungen. „Es gibt eine Vereinbarung, an die sich die Aurelis halten muss“, sagte Wirges.
Ein weiterer Aderlass für die Kulturszene
Sollte der Verein Jack in the Box, der derzeit in sehr beengten Räumlichkeiten in Bayenthal residiert, nicht nach Ehrenfeld zurückkehren können, wäre das ein weiterer Aderlass für die Kulturszene im Viertel. Sie leidet massiv darunter, dass entweder von ihr genutzte Gebäude oder Grundstücke direkt anderweitig verplant werden oder dass Wohnungsbau in der unmittelbaren Nachbarschaft entsteht und die Lärmschutzvorschriften einen Kulturbetrieb erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen.
Der Club „Heinz Gaul“ an der Ecke Vogelsanger Straße/Lichtstraße soll Bauten weichen, die 73 Sozialwohnungen sowie Büros und Gewerberäume bieten. Clubbetreiber Jörg Vandrey, der vor fünf Jahren das „Heinz Gaul“ in den Hallen eines ehemaligen Metallgroßhandels eröffnete, ist von den Plänen doppelt betroffen. Nicht nur das Geschäft, auch seine Wohnung und Büroräume auf dem Grundstück muss er räumen. Am meisten ärgere ihn aber, dass er für eine mögliche Alternative im Industriegebiet Braunsfeld von der Stadt bislang noch keine Unterstützung habe, was das Genehmigungsverfahren betreffe. „Das zeigt doch, dass die bei der Verwaltung die Clubszene und ihre Belange noch gar nicht richtig auf dem Schirm haben“, sagt Vandrey.
Nächtlicher Betrieb wird problematischer
Ebenfalls in eine unsichere Zukunft blickt die „Kulturmeile Helios“. Hier wird nächtlicher Betrieb zunehmend problematischer durch heranrückende Wohnbebauung. Außer für das wenige Meter von der Heliosstraße entfernte Heinz-Gaul-Areal gibt es auch Wohnungsbau-Pläne für das Grundstück des Nettomarktes an der Ecke Helios-/Vogelsanger Straße.
Der Schwund an Kulturangeboten löste bislang nur vereinzelt Proteste aus. Eine Online-Petition, in der die Oberbürgermeisterin aufgefordert wurde, Kulturstandorte zu retten fand fast 8000 Unterstützer. Bewirkt wurde zumindest, dass von der Stadt in Betracht gezogen wird, die Existenz von Clubs künftig stärker zu berücksichtigen. Sollten sie von Planungen für neue Wohn- oder Gewerbebauten betroffen sein, müsse eine Lösung gefunden werden. Das berichtete zumindest Ratsmitglied Thor Zimmermann (Gruppe „Gut“) bei der Podiumsdiskussion seiner Wählergemeinschaft. Er befürchtet jedoch: „Für Jack in the Box und Heinz Gaul kommt das vermutlich zu spät.“