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Kölner „Masterplan Sicherheit“So will die Stadt die Kriminalität in Kalk und Ehrenfeld in den Griff bekommen

Lesezeit 6 Minuten
Polizeieinsatz auf der Venloer Straße.

Mit dem „Masterplan Sicherheit“ nimmt die Stadt auch die Kriminalität in Ehrenfeld ins Visier. (Archivbild)

Über zwei Jahre hat die Stadt an ihrem „Masterplan Sicherheit“ gearbeitet. Mit einem Elf-Punkte-Plan soll jetzt die Kriminalität an zwei Hotspots bekämpft werden.

Köln ist unsicherer geworden. Das ist nicht nur das Gefühl vieler Kölnerinnen und Kölner. Das spiegelt sich auch in der Kriminalstatistik wider: Zehn Prozent mehr Straßenkriminalität, fünf Prozent mehr Jugendkriminalität, sechs Prozent mehr Straftaten insgesamt – in fast allen Bereichen sind die Zahlen 2023 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Gegenüber dem letzten Jahr vor Corona, 2019, fällt der Anstieg mit zwölf Prozent sogar noch deutlicher aus. Bereits 2022 hatte das Ratsbündnis mit dem „Masterplan Sicherheit“ ein Projekt auf den Weg gebracht, um dem etwas entgegenzusetzen. Rund zweieinhalb Jahre später liegt nun ein 270 Seiten starker Abschlussbericht vor. Was drinsteht, warum Ehrenfeld und Kalk im Fokus stehen und welche Maßnahmen dort geplant sind. Ein Überblick:

Was ist der Masterplan Sicherheit?

Unter Beteiligung der Polizei, des Zentrums für Kriminalprävention und Sicherheit (ZKS), der AWB und einiger weiterer Institutionen hat das Beratungsbüro „Sozial-Raum-Management“ aus Hannover die Kriminalitätslage in der Stadt analysiert.

Die Analyse zeigt in bisher nicht gekannter Detailtiefe bis auf die Ebene einzelner Straßenzüge, wo die Kriminalitätsschwerpunkte in Köln liegen. Sie bestätigt vieles, was viele Kölnerinnen und Kölner schon vermutet haben dürften: Im Durchschnitt kommen in Köln auf einen Einwohner 0,06 Fälle von Straßenkriminalität. Von den insgesamt 570 Quartieren liegen 101 über diesem Durchschnitt. Auf den ersten drei Plätzen liegen mit großem Abstand das Neumarkt-Viertel (1,99 Fälle pro Einwohner), das St.-Martin-Viertel (1,7) und das Cäcilien-Viertel am Josef-Haubrich-Hof (1,51), also jene Gebiete zwischen Neumarkt und Altstadt, die seit langem wegen Drogen- und Diebstahlkriminalität im Blickpunkt stehen.

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Die Anzahl der Straftaten sei aber nur die Spitze eines „Eisbergs der Unsicherheit“, heißt es in dem Bericht. Deshalb habe man weitere Indikatoren für die Entwicklung der Kriminalität analysiert, mit denen im Idealfall künftig frühzeitig Präventionskampagnen und Strategien zur Kriminalitätsbekämpfung entwickelt werden können. Zu diesen Indikatoren gehören „Anzeichen von Unordnung“, das heißt der Grad der Verschmutzung eines Viertels, die Bevölkerungsfluktuation dort und die Anzahl der Polizeieinsätze und Straftaten an Schulen vor Ort.

In insgesamt 48 Quartieren bündeln sich mehrere dieser Problemindikatoren. 28 davon liegen in der Innenstadt, sieben in Mülheim, jeweils vier in Kalk und Ehrenfeld und weitere fünf in von Studierenden geprägten Quartieren wie dem Zülpicher Viertel.

Warum stehen jetzt Kalk und Ehrenfeld im Fokus des Masterplans Sicherheit?

Kurz gesagt: Weil mehr so schnell nicht möglich war. Infrage kamen auch mehrere andere Quartiere etwa in Mülheim und der Innenstadt – doch aufgrund der begrenzten Kapazitäten habe man sich beschränken müssen, heißt es in dem Bericht. In mehreren Workshops, an denen unter anderem Vertreter der Stadtverwaltung und der Polizei teilgenommen haben, entschied man sich letztlich, die Quartiere Hansemannstaße und Leo-Amann-Park rund um den Bahnhof Ehrenfeld und drei Quartiere in Kalk, rund um den Bahnhof Trimbornstraße und die Kalker Hauptstraße näher zu untersuchen.

Beide Gegenden haben einiges gemeinsam: Sie sind geprägt durch eine stark erhöhte Straßenkriminalität und eine hohe Bevölkerungsfluktuation. Und: Mittendrin liegt ein S-Bahnhof, an dem die Zuständigkeiten zwischen Deutscher Bahn, Polizei und Stadt in Gestaltungs- und Sicherheitsfragen oft ungeklärt sind, wie der Bericht ausführt.

In beiden Vierteln wurden umfangreiche empirische Untersuchungen durchgeführt. Das Planungsbüro führte etwa Passanteninterviews durch und analysierte die städtebauliche Situation.

Was kam dabei heraus?

In Ehrenfeld hängen ein Großteil der Straftaten mit den dortigen Party-Hotspots zusammen. Vor allem am Wochenende kommt es zu Diebstählen und Sachbeschädigungen. In Kalk dagegen geht ein Großteil der Straftaten auf Beschaffungskriminalität zurück (wir berichteten mehrfach) – so weit, so bekannt.

Neue Erkenntnisse bieten vor allem die detaillierten Analysen der Verkehrs- und Müllsituation, sowie die Passentenbefragungen. So geben etwa die Menschen in Ehrenfeld an, sich vor allem rund um den Bahnhof unsicher zu fühlen: fast zwei Drittel der Frauen und ein knappes Viertel der Männer. Einfluss darauf hat auch die Verschmutzung dort, wie drei Viertel der Befragten anmerken. Der Bericht betont: „Es gibt nur wenige einladende und leicht zugängliche Aufenthaltsorte, die nicht den Charakter eines Angstraumes aufweisen und ausreichend sozial kontrolliert sind.“ Exemplarisch dafür stehen etwa der Leo-Amann-Park, der Gerhard-Wilczek-Platz und der Spielplatz an der Glasstraße.

Allerdings: Die meisten Anwohnerinnen und Anwohner, so das Ergebnis von Umfragen, wohnen gerne im Viertel. Viele verkehrsbezogene Orte rund um den Bahnhof – wie die Bahnbögen an der Hüttenstraße und die Bartholomäus-Schink-Straße – gehören nach den Angaben der Befragten auch zu den Orten, die sie meiden.

In Kalk gelten unter den Befragten sowohl die Kalk-Mülheimer-Straße und die Trimbornstraße als auch die Innenhöfe rund um die Kalker Hauptstraße als Angsträume. Dorthin haben sich viele Drogengeschäfte verlagert, seit die Polizei Teile des Viertels mit Videokameras überwacht. Die Furcht vor Kriminalität ist groß: Drei Viertel der befragten Frauen gaben an, sich unsicher fühlen, wenn sie im Dunkeln allein im Umfeld der Kalker Hauptstraße, aber auch im Bereich des S-Bahnhofs Trimbornstraße unterwegs sind, bei den Männern ist es fast die Hälfte. Viele Kalker beklagen in der Umfrage mangelnde Sauberkeit. Aber auch fehlenden Zusammenhalt im Viertel. Sprach- und Kulturbarrieren zwischen den Anwohnerinnen und Anwohnern führten zu einem Nebeneinander – und nicht zu einem Miteinander, was Vorbehalte weiter schüre.

Was soll jetzt in Kalk und Ehrenfeld passieren?

Auf Grundlage des Berichts hat das ZKS eine „lokale Agenda“ mit Handlungsempfehlungen erarbeitet. Darunter fallen viele kleinteilige und niedrigschwellige Maßnahmen, etwa eine bessere Ausleuchtung, den Rückschnitt von Baumkronen oder die Verbesserung der Sauberkeit. Auch kriminalpräventive Kampagnen etwa an Schulen soll es geben, genauso wie mehr Sicherheitspersonal, vor allem rund um die Bahnhöfe.

Wesentlich aufwändiger dürfte die vorgeschlagene Aufwertung der Bahnhöfe Trimbornstraße und Ehrenfeld werden. So sieht der Plan etwa ein neues Nutzungs- und Gestaltungskonzept der Bahnbögen in der Bartholomäus-Schink-Straße vor – was seit zwei Jahrzehnten ein kontrovers diskutiertes Thema in Ehrenfeld ist.

Ähnlich viele Diskussionen dürften die Vorstöße zur „städtebaulichen Kriminalprävention“ auslösen. „Die Gestaltung öffentlicher Bereiche mit besserer Einsicht führt zur Beseitigung von Angsträumen und damit zu einem erhöhten Sicherheitsgefühl“, heißt es in dem Bericht. Für Kalk werden daher breitere Fußwege vorgeschlagen, die aber wohl nur auf Kosten des Autoverkehrs möglich sind. In Ehrenfeld wird vorgeschlagen, die Einbahnstraßenregelung auf der Venloer Straße weiter auszudehnen. Angesichts der Kontroversen, die die Einbahnstraße dort bereits jetzt auslöst, dürfte auch dies schwer durchsetzbar sein.

Wie geht es jetzt weiter?

Im Januar und Februar wird den jeweiligen Bezirksvertretungen und den zuständigen Ausschüssen zunächst der Bericht präsentiert, dann wird auch über das weitere Vorgehen entschieden. Ziel der Verwaltung ist nicht nur die Umsetzung der „lokalen Agenda“, sondern auch, dass der Masterplan Sicherheit als Frühwarnsystem etabliert und im Abstand von drei bis fünf Jahren aktualisiert werden soll.