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Streit über NotfallpraxenKölner Ärzte klagen nach Neuordnung über großen Andrang

Lesezeit 4 Minuten

Die neue Notdienstpraxis an der Uni-Klinik im Gebäude 43 der Orthopädie und Unfallchirurgie

  1. Zum neuen Jahr ist eine Umstrukturierung der Kölner Notfallmedizin eingeleitet worden.
  2. Fünf der bisherigen zehn Standorte sollen geschlossen werden, dafür wird eine zentrale Anlaufstelle im Universitätsklinikum geschaffen.
  3. Die Kölner Ärzte üben Kritik, die Kassenärztliche Vereinigung hält dagegen: Die meisten Patienten würden gar nicht in die Notfallambulanzen gehören.

Köln – Die zum Jahreswechsel eingeleitete Umstrukturierung der Kölner Notfallmedizin hat für einen großen Andrang bei den verbliebenen Notfallpraxen gesorgt. Nach der Schließung der Notdienstpraxen in Weiden, Lindenthal und in der Südstadt wurden in den Notfall-Anlaufstellen in Nippes am St. Vinzenz-Hospital und in Ehrenfeld am St. Franziskus-Hospital nach Angaben dort tätiger Ärzte zu Jahresbeginn deutlich mehr Patienten vorstellig. Die Zahlen vor allem in Nippes hätten sich an einigen Tagen verdreifacht.

Hintergrund sei neben einer ungünstigen Konstellation mit Feiertagen und Wochenenden die Schließung der ersten Notarztpraxen. Neben den Anlaufstellen in Weiden, Lindenthal und im Krankenhaus Severinsklösterchen sollen auch die Notarztpraxen in Chorweiler und Mülheim geschlossen werden – und damit fünf der bisherigen zehn Standorte.

Neue zentrale Praxis am Kölner Uniklinikum

Im Gegenzug soll an der Uniklinik am 15. Januar eine neue zentrale Notdienstpraxis den Betrieb aufnehmen. Diese soll nicht nur die wegfallenden Praxen kompensieren, sondern durch bessere Kanalisierung die überlastete Notfallambulanz der Uniklinik entlasten. Der Kölner Vorsitzende der Kreisstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KV), Jürgen Zastrow, wies die Kritik aus Ärztekreisen zurück: Er könne nach seinen Recherchen kein deutlich erhöhtes Aufkommen bestätigen und ihn hätten auch keine Beschwerden erreicht.

Die Neustrukturierung des ärztlichen Notdienstes durch die KV stößt nicht nur bei einigen niedergelassenen Ärzten auf Kritik. Auch die Städtischen Kliniken meldeten sich zu Wort. Deren Klinischer Direktor Horst Kierdorf sieht durch die Schließung der beiden Notdienstpraxen in Chorweiler und Mülheim eine Unterversorgung im rechtsrheinischen Köln. Die zwei verbleibenden Standorte am Evangelischen Krankenhaus Kalk und am Krankenhaus Porz seien „bei weitem nicht ausreichend“ für ein Einzugsgebiet von 350000 Menschen. Kierdorf fordert – parallel zur Uniklinik – eine zentrale Notdienstpraxis am Standort des Klinikums Merheim als größtem rechtsrheinischem Krankenhaus. Als Maximalversorger im Rechtsrheinischen sei dort ebenso wie bei der Uniklinik im Linksrheinischen im Bedarfsfall das gesamte Spektrum der medizinischen Leistungen vor Ort möglich. Das garantiere eine bestmögliche Patientenversorgung.

Entscheidung fiel nach Prüfung auf Kalk statt Merheim

Der KV-Vorsitzende Zastrow sagte, man habe sich nach ausgiebiger Prüfung gegen Merheim und für eine Stärkung des Standortes Kalk entschieden. „Kalk hat in der Notambulanz mit 29000 Menschen doppelt so viele Patienten wie Merheim.“ Zastrow bezifferte die Zahl der ambulanten Notfälle in Merheim auf 14000. Außerdem sei Merheim für Patienten ohne Auto schlecht erreichbar: „Wer von der Bahnhaltestelle 800 Meter bis zum Klinikum geht, der ist kein Notfall.“ Außerdem würden Patienten aus Kalk und Mülheim erwartungsgemäß nicht nach Merheim fahren, sondern nach Kalk in die Klinikambulanz. Der Klinische Direktor Kierdorf reagierte „mit völligem Unverständnis“ auf die aus seiner Sicht nicht korrekten Zahlen: „Schon jetzt versorgen wir jährlich 40000 Notfallpatienten in Merheim, davon 18000 bis 20000 Patienten, die in einer Notfallpraxis gut aufgehoben wären.“

Zastrow sieht bei den Städtischen Kliniken dagegen vor allem wirtschaftliche Interessen: „Die Krankenhäuser wollen möglichst viel vom Kuchen abhaben. Zehn Prozent aller Notfälle werden im an den Notdienst angegliederten Krankenhaus aufgenommen. Diese werden pro Fall mit 3500 Euro honoriert.“ In Merheim gehe es also um „etliche Millionen Euro“.

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Auch nach der Umstrukturierung und dem Wegfall von Notfallpraxen ist Köln laut KV überdurchschnittlich gut versorgt. In Großstädten kommt laut Zastrow als Richtwert eine Notfallpraxis auf 400000 Einwohner. „In Köln kommt – wohlgemerkt nach der Umstrukturierung – immer noch eine Praxis auf 200 000 Einwohner.“ Der KV-Vorsitzende betonte, dass das Ziel der Reform auch sei, durch die nun zwingend an ein Krankenhaus angegliederten Notfallpraxen die dortigen überlasteten Notfallambulanzen zu entlasten, indem sie die weniger schweren Fälle abfangen.

Denn hier liege das Hauptproblem: „60 Prozent der Patienten in den Notfallambulanzen der Krankenhäuser gehören dort gar nicht hin“, so Zastrow. Um zu verhindern, dass immer mehr Patienten mit Bagatellerkrankungen die Notfallambulanzen blockieren, sollen als zweiter Reformbaustein die beiden Notfallnummern 112 und 116117 (Rufnummer für den ärztlichen Bereitschaftsdienst) miteinander vernetzt werden. Ziel ist eine bessere Steuerung im Vorfeld und damit eine weitere Entlastung der Klinikambulanzen. Das Projekt, das bundesweit Modellcharakter haben soll, wird am heutigen Mittwoch vorgestellt.