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Kölner Musiker-LegendeDer stille Fooss - Hartmut Priess feiert 80. Geburtstag

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Föss Silvester ROLL 3

Bassist Hartmut Priess verabschiedet sich.

Köln – Wenn an diesem Freitag die Bläck Fööss nach zweijähriger, pandemiebedingter Verzögerung ihren 50. Geburtstag mit dem ersten von drei Live-Konzerten auf dem Roncalliplatz feiern, wird einer ihrer wichtigsten Mitstreiter nicht dabei sein: Hartmut Priess, Gründungsmitglied, 48 Jahre lang Bassist der Band und als solcher jahrzehntelang stoisch immer hinten rechts auf der Bühne stehend, hat sich entschieden, nicht vor dem Dom aufzutreten.

Die Gefahr, sich bei einem Konzert mit mehr als 7000 Besuchern mit Corona zu infizieren, scheint ihm zu groß. Über die Facebook-Seite der Fööss teilt er mit: „Ich werde nicht dabei sein, weil ich nach wie vor vorsichtig bin und seit Beginn der Pandemie nach Möglichkeit zu Hause bleibe. Es ist nun mal Tatsache, dass ich zu den verwundbaren Gruppen gehöre und andere oder mich nicht in Gefahr bringen möchte.“

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Gründungsmitglied Hartmut Priess hinten rechts bei den Bläck Fööss in den 70ern.

Dabei hätte er doppelt Grund zu feiern. Hartmut Priess wird diesen Freitag 80 Jahre alt. Der gebürtige Berliner kam 1951 im Alter von neun Jahren nach Köln, weil der Vater hier einen besseren Job fand. Furchtbares Heimweh plagte ihn, nicht nach der Stadt, sondern nach seinen Freunden, wie er sich bei einem fast zweistündigen Telefonat erinnert. „Heimweh konnte ich immer gut verstehen“, sagt er. Ein Gefühl, das auch der Rheinländer gut kennt, und das als Motiv im hiesigen Liedgut und in dem der Bläck Fööss immer wieder auftaucht. Im Lied vom „Deckel“ etwa ist es wunderbar eingefangen.

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Nach dem Abitur spielte Priess schon in den 60er Jahren mit Erry Stoklosa bei der Coverband Beat Stones und anschließend bei den Stowaways, der eigentlichen Vorgängerband der Bläck Fööss, die 1970 mit dem „Rievkooche-Walzer“ ihre erste kölsche Single veröffentlichten. Er war nicht nur Bassist der Band, er war auch ihr erster Booker, und konnte ab dem Moment, ab dem man mit eigenen deutschen Texten arbeitete, sein schon vorher großes Interesse an Texten einbringen.

„Ich habe Biografien von Heinrich Zille und Willi Ostermann gelesen“, sagt Priess. „Bei Zille heißt es, dass er die Bilder der Stadt gemalt habe, und diese seien wie Lieder. Bei Ostermann las ich, dass er die Lieder der Stadt gemacht habe, und diese seien wie Bilder. Beide sprachen auf verschiedene Weise die Sprache der Leute. Sie nahmen die Dinge auf, die sie sahen, und führten einen Dialog mit dem Publikum. Das ist es, was mich interessiert.“

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1986: Erry Stoklosa als "Schmitze Billa" mit "Verehrer" Hartmut Priess in dem WDR-Film "Ich möch zu Foß noh Kölle jonn...- Erinnerungen an Willi Ostermann".

Das Ergebnis seiner Arbeit sind Lieder wie „Veedel“ („ein Lied über erlebte und bedrohte Nachbarschaft“, wie Priess es heute definiert), „Buuredanz“, „Spanien-Leed“, „Panz, Pänz, Pänz“, an denen er maßgeblich mitgeschrieben hat, sowie im Zusammenspiel mit dem Komponisten Hans Knipp etwa „Mer losse d’r Dom en Kölle“ oder „Lange Samstag en d’r City“ – alles Songs, die eine Geschichte aus dem richtigen Leben erzählen und die auch deshalb so gut sind, weil immer ein gewisser Witz und feine Ironie mitschwingen. Priess ist ein stiller, feinfühliger Beobachter seiner Umgebung, der stets auch politisch denkt.

„Als Musiker sind wir ja eine Art Stadtchronisten, in unseren Liedern spiegeln sich fast fünf Jahrzehnte kölscher Geschichte wider“, sagt er. „Häuptling Silberlocke“, wie Fans den fast bewegungslos seinen Bass zupfenden Stoiker durchaus bewundernd nennen, ist der intellektuelle Ruhepol der Bläck Fööss, die nicht nur äußerlich graue Eminenz der Band. Dass die Fööss ein demokratisches Kollektiv sind, war ihm immer sehr wichtig.

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1996, Köln: Premiere des Kurzfilms "Wenn et Leech usjing em Roxy" von Dieter Hens mit den Bläck Föösss Erry Stoklosa, Willi Schnitzler,Hartmut Priess, Bömmel Lückerath, Kafi Biermann und Peter Schütten (v.l.) .

Die Berliner Perspektive des „Wanderers zwischen den Welten“, wie er sich selbst bezeichnet, auf das rheinische Jemölsch tat der Gruppe gut. Er positioniert sich klar etwa gegen rechtes Gedankengut und (Neo-)Nazis. Er denkt viel, manchmal auch kompliziert, und er kann durchaus hartnäckig sein. Und wenn er sich missverstanden fühlt, gar nachtragend. Hartmut Priess hat einen ganz eigenen Humor. „Ich bin eher einer vom Typ Rumpelstilzchen“, sagt er ganz trocken beim Gespräch mit dieser Zeitung.

Für Hartmut Priess ist das, was die Bläck Fööss machen, Weltmusik. Bei allem, was die Band jenseits der normalen Konzert- und Karnevalsauftritte in Angriff nahm, hatte er eine Schlüsselrolle, war die treibende Kraft. Er knüpfte die Kontakte zum WDR oder zur afrikanischen Gruppe Ladysmith Black Mambazo, er initiierte Projekte wie „Usjebomb“ oder die Mitsing-Konzerte für Schüler in der Philharmonie. „Es war mir immer wichtig, dass die Kinder den Stammbaum nicht nur singen, sondern auch verstehen, was sie da singen“, sagt er am Telefon.

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Schulprojekte und die musikalische Arbeit  mit Kindern liegen Hartmut Priess sehr am Herzen. Das Foto aus dem Jahr 2005 zeigt ihn mit Grundschulkinder im Studio Whitehouse.

„Er wechselt zu Metallica“, scherzte Moderator Linus bei Priess’ Abschiedskonzert in der Lanxess-Arena Silvester 2018. Nein, tat er nicht. Stattdessen wollte er nach dem Ausstieg bei den Fööss seine Herzensprojekte weiter verfolgen. „Es war mein Ziel, weiter in die Schulen zu gehen oder mit der Knippschaft zu spielen“, sagt Priess. „Auf die große Bühne zieht mich nichts, ich bin ein Mann der kleinen Räume.“

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In der zweiten Reihe fühlte sich Priess schon immer wohl. Er konnte gut damit leben, dass die Bläck Fööss anfangs aus PR-Gründen als Drei-Mann-Band verkauft wurden: Tommy, Erry und Peter vorne am Bühnenrand ums Mikrophon, während Bömmel, Joko und Hartmut hinten zwischen der Saalband standen und spielten. „Es ist schön, wenn man die Größe hat, sich klein zu machen“ ist ein anderer Satz von ihm. Und man sieht ihn mit Gitarre in einer Schulklasse zwischen Kindern sitzen. Und wenn die Kinder es wollen, singt er auch Songs von Kasalla oder Cat Ballou mit ihnen.

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Alltag im Karneval: Hartmut Priess bei einem Bläck Fööss-Auftritt in einem Festzelt im Kölner Umland.

Doch dann kommt Corona, und damit die freiwillige Isolation. Und das vorläufige Ende des Musikmachens. Es klingt ein wenig traurig, wenn er am Telefon sagt: „Was soll ich alleine Musik machen? Nur mit Bass? Nein, das geht nur mit anderen.“ Zufrieden ist er trotzdem. „Ich war und bin dem Leben dankbar, dass ich all die Jahre mit dem leben konnte, was ich wirklich gern machte und im Kleinen etwas bewegen konnte.“ Herzlichen Glückwunsch, Hartmut Priess.