Mitten in der Nacht wird Xhevrije Papa aus dem Bett in der Flüchtlingsunterkunft am Holweider Schlagbaumsweg geklingtelt. Die 67-Jährige soll abgeschoben werden – sofort.
Der herzkranken Frau wird nur wenig Zeit zum Packen gegeben, ihre Familie ist hilflos.
Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats, bezeichnet die Umstände, unter denen die Abschiebung vollzogen worden ist, als „menschenverachtend“.
Köln – Es war 2.30 Uhr in der Nacht zum vergangenen Dienstag, als die Polizei an der Haustür der Familie Papa klopfte. Als die Familie in der Flüchtlingsunterkunft am Holweider Schlagbaumsweg öffnete, standen sieben Beamte vor der Tür und verkündeten, dass das älteste Familienmitglied, Xhevrije Papa, abgeschoben werden soll – und zwar sofort. Die 67-Jährige erhielt 20 Minuten Zeit, um ihre Sachen zu packen, eine Dolmetscherin war nicht vor Ort, die 14-jährige Tochter musste übersetzen. Dann wurde die Frau umgehend zum Flughafen Düsseldorf und dann per Flugzeug in die albanische Hauptstadt Tirana gebracht.
So erzählen es Gazent und Alisabetha Papa (36 und 35), Sohn und Schwiegertochter, bei einem Besuch in einem Holweider Park und kämpfen mit Tränen in den Augen. Vor zwei Jahren war die Roma-Familie aus Albanien nach Deutschland gekommen. „Dort gab es kein Leben für uns“, sagt Gazent Papa mit Hilfe einer Dolmetscherin, die die Willkommensinitiative Mülheim (Wiku) organisiert hat. Als Roma seien sie diskriminiert worden, hätten keine Chance auf eine feste Arbeit. So schlug sich das Paar mit fünf Kindern als Tagelöhner durch. Für einen Aufenthaltstitel in Deutschland reichte das bisher nicht. Die Familie wird bislang nur geduldet.
67-Jährige ist auf Medikamente angewiesen
Fragwürdig seien aber die Umstände der Abschiebung, sagt Marianne Arndt von der Wiku Mülheim. Einerseits sei die Frau herzkrank, leide unter Bluthochdruck und Depressionen. Sieben Medikamente müsse sie regelmäßig nehmen, die in Albanien nicht erhältlich seien, so die Tochter. Überhaupt erhalte man dort Arzneien nur gegen viel Geld, dass die Familie nicht hat. Xhevrije Papa lebe von einer schmalen Rente von 40 Euro, das reiche hinten und vorne nicht. „Die Lebensmittelpreise in Albanien seien fast so hoch wie in Deutschland. „Es ist also völlig unklar, ob Frau Papa überhaupt medizinisch betreut wird“, sagt Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats.
Unklar ist auch, warum eine Seniorin mitten in der Corona-Pandemie nach Albanien abgeschoben wird. Papa sei wegen ihres Alters und ihrer Vorerkrankung eine Risikopatientin, so Arndt. Unklar ist zudem, warum die Familie auseinandergerissen wurde und die Abschiebung vor den Augen der Kinder (14, 11, 9, 3 und sechs Monate) erfolgte. „Alle Kinder haben geweint“, sagte Alisabetha Papa. Einige seien hinter dem Polizeiauto hinterhergelaufen. Sie selbst sei bei der Abschiebung ohnmächtig geworden und will nun therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen.
„Wir sind traurig und haben Angst“, sagte Alisabetha Papa. Keiner von ihnen habe in den vergangenen Tagen geschlafen. Denn neben der Sorge um die Oma, fürchten sie die nächsten zu sein, die abgeschoben werden könnten. Dass die Stadt ihre Duldung erst am 9. Juni bis zum 28. August verlängert, beruhigt sie nicht. Denn auch ihre Oma verfügte über eine Duldungsverlängerung. Das Paar betont, dass sie sich gerne integrieren wollen. Gazent Papa will arbeiten, seine Frau hat sich um einen Platz um Ausbildungsprojekt „Chance +“ der Caritas bemüht. „Wir wollen, dass unsere Kinder ein besseres Leben haben.“
Abschiebungen wurden wegen Corona ausgesetzt
Die Umstände, unter denen die Abschiebung vollzogen worden sind, nennt Prölß „menschenverachtend“. Er vermutet eine härtere Linie, die nun seitens der Behörden bei Abschiebungen verfolgt werde. In der Corona-Zeit seien diese zu 95 Prozent ausgesetzt worden. Sie seien kaum durchführbar gewesen, weil Flugzeuge am Boden geblieben waren und Staaten Einreiseverbote erlassen hatten.
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Die Wiku Mülheim will nun Geld sammeln, um Xhevrije Papa in Albanien zu unterstützen. Sie lebt derzeit bei der Familie einer Tochter in der Stadt Lac, sechs Personen in einem Raum. Zudem will Arndt die Stadt und die Fraktionen im Rat mit der Abschiebung konfrontieren, damit so etwas nicht wieder vorkommt. Die Stadt teilte mit, der Vorgang werde aufgearbeitet, es habe sich um eine Maßnahme des Landes gehandelt, die die Stadt durchführen musste.