„Mir fällt die Kinnlade runter“Kölner Richter mit Freispruch in Vergewaltigungsfall
Köln – Mit dem erwarteten Freispruch endete am Freitag der Prozess um eine angebliche Vergewaltigung. „Da fällt einem ja die Kinnlade runter“, sagte der Vorsitzende Richter Benjamin Roellenbleck zu dem Fall, der vor Gericht eine spektakuläre Wendung genommen hatte. Eine 23-jährige Verkäuferin hatte offenbar zu Unrecht ihren Onkel angezeigt; im Zeugenstand hatte sie sich in Widersprüche verstrickt.
Zeugin verspielt im Zeugenstand ihre Glaubwürdigkeit
Als einen guten Freund hatte die 23-Jährige den Partner ihrer Tante bezeichnet. Er habe sie immer gut beraten, wenn sie etwa Streit mit ihrer Lebensgefährtin gehabt habe. Dass die beiden eine Affäre hatten, verschwieg die Frau. „Nach Aktenlage musste man denken, die ist lesbisch und dann handelt es sich auch noch um den Onkel, da war einvernehmlicher Sex fernliegend“, resümierte der Richter.
Die Zeugin habe ihre Glaubwürdigkeit verspielt, nachdem sie bei ihrer Zeugenaussage wiederholt gelogen habe. Die Anklage war ursprünglich davon ausgegangen, dass der 42-jährige Angeklagte seine Nichte in einer wegen der Corona-Pandemie geschlossenen Pizzeria betrunken gemacht habe, um sich danach an ihr vergehen zu können. Er soll die Frau missbraucht haben, als sie schlief.
In der Vergangenheit immer wieder gelogen
Nachdem die Verteidigerin Adrijana Blazevska-Gkiztavidis die Existenz von Sexvideos angesprochen hatte, räumte die Zeugin die sexuelle Beziehung zu ihrem Onkel ein. „Auf die Frage, warum sie uns angelogen hat, kam dann erst, das wisse sie nicht und dann will sie erpresst worden sein“, so der Richter. Das passe mit der Beschreibung des Angeklagten als guten Freund nicht zusammen.
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Zeugen hatten ausgesagt, die 23-Jährige habe bereits einen Gehirntumor und eine Herzerkrankung vorgetäuscht, um ihre Freundin an sich zu binden. Sie leide unter Verlustängsten. Daher sei es laut Gericht auch gut möglich, dass die Vergewaltigung komplett erfunden worden. Denn die Beziehung mit der Lebensgefährtin habe laut deren Mutter bereits kurz vor dem Aus gestanden.
Kein Freispruch zweiter Klasse
Oberstaatsanwältin Almut Breitenbach hatte einen Freispruch gefordert, allerdings lediglich „im Zweifel für den Angeklagten“. Dem folgte der Richter so nicht. „Insgesamt ist aus tatsächlichen Gründen nicht davon auszugehen, dass das so stattgefunden hat“, sagte Roellenbleck. Der Vorwurf sei nicht bewiesen, daher handele es sich auch nicht um einen sogenannten Freispruch zweiter Klasse.
Finanziell entschädigt werden soll der angeklagte Familienvater für fünf Monate Untersuchungshaft aber nicht. Denn er hätte gegenüber den Ermittlern selbst frühzeitig die Beziehung zu seiner Nichte preisgeben und sich damit zumindest teilweise entlasten können, sagte Roellenbleck. Die Verteidigung hat bereits angekündigt, gegen diese Entscheidung vorzugehen.