Als erste Schule in Deutschland führt ein Kölner Gymnasium so genannte Yondr-Beutel ein, die nur zentral entriegelt werden können.
Lernen ohne SmartphoneKölner Schule führt versiegelte Handy-Safes für die Schultasche ein

Schulleiterin Anja Veith-Grimm mit ihren Kollegen Jens Wenzel (l.) und Andy Schöller (r.) vom Gymnasium Schaurte-Straße. In der Hand halten sie die Handy-Beutel und den zentralen Entriegler.
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Sie sind klein. Aber sie sollen ein großes Problem lösen: In kleinen grün-grauen Beuteln sollen die Handys aller Schülerinnen und Schüler des Deutzer Gymnasium Schaurtestraße ab dem nächsten Schuljahr vor der ersten Stunde verschwinden. Ein Magnet verschließt die Täschchen dann so fest, dass sie während der Schulzeit nicht mehr zu öffnen sind. Das Handy lagert in dem Beutel quasi sicher vor dem eigenen Zugriff in der Schultasche. Entriegelt werden können die Beutel erst nach dem Ende des Schultags über zentrale Magnet-Entriegler.
Diesen Weg wird das Deutzer Gymnasium ab dem Sommer gehen, um das Handynutzungsverbot quasi auf smarte Art umzusetzen. Derzeit laufen bereits die Testläufe. Yondr-Beutel heißen die von einer Firma in Irland entwickelten Magnet-Hüllen, die unter anderem in Großbritannien, den USA und Kanada bereits in sehr vielen Schulen zum Einsatz kommen – ebenso in Gerichtsgebäuden oder auch bei Konzertveranstaltern. Bei Weltstars wie Coldplay oder Billie Eilish ist es mittlerweile normal, sein Handy in so einer Tasche einschließen zu müssen, bevor es ins Konzert geht. Die Künstler wollen, dass die Konzertbesucher auch wirklich die Musik und den Moment genießen und nicht nur mit dem Handy filmen.
Schüler können sich immer schlechter konzentrieren
Das Deutzer Gymnasium wird nach eigenen Angaben die erste staatliche Schule in Deutschland sein, die die Taschen für eine komplette Schulgemeinde von den Fünftklässlern bis in die Oberstufe nutzen möchte. Bislang gibt es nur eine Privatschule in Dresden, die das System eingeführt hat. Das nach den Sommerferien neu an den Start gehende Kölner Gymnasium Neustadt-Nord plant für die ersten Fünftklässler ebenfalls die Einführung der Handytaschen. Der dortige kommissarische Schulleiter Volker Einecke ist bislang stellvertretender Schulleiter des Schaurte-Gymnasiums und nimmt die Idee dorthin mit.
Lange hat Schulleiterin Anja Veith-Grimm darüber nachgedacht, was man tun und wie man dafür sorgen kann, dass das Handynutzungsverbot an den Schulen wirklich effektiv umgesetzt wird. In ihr arbeitete eine wachsende Sorge über die Folgen der Handynutzung bei ihren Schülerinnen und Schülern. Zu deutlich sieht sie – auch sensibilisiert durch Publikationen von Silke Müller („Wir verlieren unsere Kinder“) oder Jonathan Haidt („Generation Angst) – die Gefahren der allgegenwärtigen Smartphones. Lehrkräfte berichten quer durch alle Schulformen, dass die Konzentrationsfähigkeit der Schüler stetig sinkt und fokussierter Unterricht immer schwieriger wird, weil die Ablenkung stets griffbereit liegt.
Handynutzungsverbote werden unterlaufen
Allgemeinde Handynutzungsverbote gibt es inzwischen an einer immer größeren Zahl von Schulen. Nur sind die eben für die Lehrkräfte kaum effektiv zu kontrollieren: Handys stecken in Socken, um auf der Toilette zu zocken. Sie lagern hinter den Mäppchen oder auf Knien, um sich die Zeit mit TikTok-Videos und Instagram zu vertreiben oder Nachrichten zu verschicken. Wirklich effektiv kontrollieren können das die Lehrerinnen und Lehrer nicht.
Es gibt Schulen in Köln, die auf das Einschließen der Handys in Spinde setzen oder sogenannte Handyhotels angeschafft haben, in denen die Smartphones abgelegt werden. Aber nicht jede Schule habe die Möglichkeit, Handyspinde für alle Schülerinnen und Schüler anzuschaffen, sagt Veith-Grimm. Wobei selbst da ja nicht gewährleistet sei, dass die Handys in der Pause heimlich herausgeholt würden. Da schienen Veith-Grimm die mit Magnet verschließbaren Hüllen ein vergleichsweise simpler wie effizienter Weg, das bestehende Handy-Verbot auch wirklich durchzusetzen. Kostengünstig dazu: Die Anschaffungskosten für die Taschen liegen für die Eltern bei einmalig 15 Euro. Die Initiative dazu ging von den beiden Lehrern Jens Wenzel und Andy Schöller aus, die sich in der Schule besonders um das Thema Medien und Medienerziehung kümmern.
In zwei Projekttagen haben Schülerinnen und Schüler wie Lehrkräfte gemeinsam dazu reflektiert, was das Smartphone aus psychischer und biologischer Sicht für Auswirkungen hat und was es für einen Unterschied in der Aufmerksamkeit macht, selbst wenn man es nur auf dem Tisch liegen hat. Die Yondr-Taschen wurden ausprobiert, um damit Erfahrungen zu sammeln und miteinander ins Gespräch zu kommen. Schließlich muss für einen solchen Prozess die ganze Schulgemeinschaft mitgenommen werden – neben der Elternschaft vor allem auch die Schülervertretung.
Bei Unter- und Mittelstufe sei das eine vergleichsweise einfache Sache, so Veith-Grimm. Mehr Kopfschmerzen habe ihr bereitet, wie die Oberstufe ins Boot geholt werden könne. Schließlich wurde ein Weg gefunden: Auch die Oberstufe macht mit. Im Gegenzug gibt es außen am Gebäude der Oberstufe einen Magnet-Entsperrer, um den Beutel in der Mittagszeit und nachmittags öffnen zu können. Auch wenn es keine Garantie dafür gibt, dass die Regeln unterlaufen werden: Schulleiterin Veith-Grimm findet wichtig, dass die Schule dadurch eine klare pädagogische Haltung vermittelt.
Mehr Gespräche und Begegnung auf dem Schulhof
Die Hoffnung ist, dass ein Schulleben ohne Handy nicht nur konzentrierteres Arbeiten ermöglicht, sondern auch mehr Raum für Begegnung schafft. Für den Oberstufenraum wurde jetzt ein durch Spenden finanzierter Kicker angeschafft und auch der Schulhof soll mit mehr Spielmöglichkeiten umgestaltet werden, damit das analoge Miteinander gestärkt wird. Einige Schüler, die die Handytaschen bereits für die Projekttage testen durften, haben ihre Erfahrungen in einem Film geteilt: „Wir haben mehr miteinander geredet“, war darin unisono das Fazit.