Gastbeitrag von Kölner SchulleiterUnsere Schule ist eine andere geworden
Köln – Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist!“ Dieses Zitat von Victor Hugo kam mir in den Kopf, als ich die Entwicklungen in Bezug auf Lernen mit digitalen Medien an meiner Schule reflektierte. Innerhalb weniger Tage musste der komplette Unterricht von Präsenzveranstaltung auf „Fernstudium“ umgestellt werden. Die dafür nötige Energie für diese Anstrengung konnte aus der Überzeugung gewonnen werden, dass wir die Schülerinnen und Schüler trotz Corona-Krise eine bestmögliche Bildung bieten wollen.
Die vorerst spontanen Einzelmaßnahmen digitalen Lernens bekamen mittels einer koordinierenden und unterstützenden Steuerung einer schulischen Projektgruppe immer mehr systemische Strukturen und somit auch nachhaltigen Charakter. Unsere Schule ist in dieser Zeit eine andere geworden.
Nach Corona-Krise nicht in alte Muster zurückfallen
Die Prozesse an unserem Kölner Gymnasium lassen sich wohl auch an vielen Schulen im ganzen Land ähnlich nachvollziehen, daher ist es zu diesem Zeitpunkt unbedingt erforderlich nach der Corona-Krise nicht in die alten Muster zurückzufallen. Wir müssen die neuen Erfahrungen nutzen und jetzt eine konsequente Digitalisierungsoffensive starten. Die Mittel des Digitalpakts werden – sofern es in diesem Tempo weitergeht – nicht vor 2021 an den Schulen ankommen. Das ist zu spät.
Zur Person
André Szymkowiak leitet das Gymnasium Thusneldastraße in Köln-Deutz mit rund 800 Schülern. Er plädiert dafür, die starken Impulse der Digitalisierung während der Corona-Krise an den Schulen zu nutzen und den Wandel konsequent weiterzuverfolgen.
Wir haben das „Homeschooling“ der drei Wochen vor den Osterferien mithilfe von Eltern und Schülern umfangreich (über ein digitales Instrument!) evaluiert. Die Ergebnisse sind zum großen Teil nicht überraschend aber vermitteln in ihrer Deutlichkeit klare Botschaften. Für eine gerechte Bildung im digitalen Wandel bedarf es zweier Gelingensbedingungen: Erstens eine zeitgemäße digitale Plattform, die vernetzte Kommunikation und Zusammenarbeit ortsunabhängig möglich macht und zweitens ein individuell nutzbares Endgerät, das zur intensiven Arbeit ebenfalls ortsunabhängig nutzbar ist. Zurzeit verwenden die meisten Schülerinnen und Schüler das Mobiltelefon für das digitale Lernen zuhause. Tablets und PCs gibt es zwar in der Schule, diese können aber nicht verliehen werden.
Bisheriges Konzept von Realität eingeholt
Das bisherige Konzept, die Schulen an den digitalen Wandel anzupassen, nämlich die Entwicklung pädagogischer Konzepte anzustoßen und die Lehrkräfte fortzubilden, ist von der Realität eingeholt worden. Die aktuelle Entwicklung macht deutlich: Viele Schulen haben bereits pädagogische Konzepte für das digitale Lernen, diese sind aber nicht unbedingt in Medienkonzepten, schriftlich fixiert, sondern sind bereits als gemeinsame Vorstellung in Kollegien und Schulleitungen vorhanden.
Lehrerfortbildungen in Bezug auf digitales Lernen bleiben wichtig, vieles kann aber auch schon mit dem schulinternen Know-how erreicht werden, auch das hat sich in den vergangenen Wochen gezeigt.
An Schulen werden verlässliche Strukturen gebraucht
Was an Schulen jetzt gebraucht wird, sind verlässliche Strukturen in Bezug auf Hard- und Softwareausstattung für jeden Einzelnen. Wird das nicht gewährleistet, vergrößert der digitale Wandel die soziale Kluft zusätzlich und die Möglichkeiten des digitalen Wandels werden nur – wie bisher – ansatzweise genutzt. Und das wäre sehr schade, denn neben der Ortsunabhängigkeit des Lernens, was uns in den Zeiten des Fernunterrichts so nutzt, gibt es noch zwei zentrale Eigenschaften der digitalisierten Schule: Individualisierung und Vernetzung.
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Dieses scheinbare Paradoxon wird die Schule grundlegend verändern. Mit dem persönlichen digitalen Endgerät wird es Schülerinnen und Schülern möglich, im eigenen Tempo und mit individuellen Lernwegen zu arbeiten. Das vor Jahren bereits gegebene Versprechen, individuelle Förderung an der Masseninstitution Schule zu gewährleisten, könnte endlich einen entscheidenden Schub bekommen. Durch die Vernetzung entstehen neue Wege der Kommunikation, die zur Kooperation und zur Partizipation innerhalb der Schule genutzt werden können.
Die verantwortlichen Akteure in den Schulträgern und der Bildungspolitik haben jetzt die Möglichkeit, den vielen Schulen, die sich unter großer Anstrengung auf den Weg gemacht haben, wirkungsvoll zu unterstützen. Es wäre schade, wenn diese Gelegenheit verschlafen wird.