Schon Ende des 19. Jahrhunderts entbrannte eine hitzige Diskussion um den jetzigen Standort.
Konrad Adenauer wollte einen Bahnhof mit Blick auf den Aachener Weiher
Architekt Paul Böhm spinnt mit seiner Vision die Umzugspläne weiter.
Köln – Für die Zeitgenossen schien es keinen besseren Platz für den 1859 eröffneten Hauptbahnhof geben zu können: Denn damals strebte alles zur imposanten Dom-Baustelle, die den Tourismus und das Selbstbewusstsein der ganzen Stadt beflügelte. Doch schnell wurde es dort zu eng, Umzugspläne wurden geschmiedet — der renommierte Kölner Architekt Architekt Paul Böhm hat den Faden mit seiner Vision wieder aufgenommen.
Kunst, Kultur und regionaler Schienenverkehr. Nach den Vorschlägen des Architekten Paul Böhm würde der Kölner Hauptbahnhof nicht mehr länger Hauptbahnhof bleiben, sondern seine Funktion an einen neuen Knotenpunkt in Deutz abtreten. Im Rechtsrheinischen werde ohnehin der meiste Fernverkehr abgewickelt. Der Hauptbahnhof steht am falschen Ort, ist sich Böhm sicher. Denn es fehle der Platz für Erweiterungen.
In Böhms Gedankenspielen bleibt das Gebäude des Hauptbahnhofs immerhin stehen, Gleistrassen würden begrünt. In der Kölner Geschichte sollte er aber schon mehrfach ganz aus der Altstadt verschwinden. Schon Ende des 19. Jahrhunderts entbrannte eine hitzige Diskussion um den jetzigen Standort, und um ein Haar wäre der Hauptbahnhof tatsächlich an den Hansaring und den Güterbahnhof Gereon verlegt worden, wo gerade die nördliche Neustadt entstand und wo deutlich mehr Fläche vorhanden war als neben dem Dom.
Der 1859 eröffnete „Centralpersonenbahnhof“ neben dem Dom war schnell zu klein geworden, ab 1880 wurde darüber diskutiert, ob am alten Standort ein neuer Bahnhof entstehen sollte oder ein Umzug die bessere Lösung wäre. „Angeblich gab es im Rat eine Stimme Mehrheit für den Dom-Standort“, sagt Ulrich Krings, ehemaliger Stadtkonservator und Autor mehrerer Bücher über den Hauptbahnhof.
Sogar Oberbürgermeister Wilhelm von Becker habe den Umzug an den Hansaring befürwortet, letztendlich sei er aber überstimmt worden. Die Gewerbetreibenden und Grundstücksbesitzer rund um den Dom hätten sich mit ihren monetären Interessen durchgesetzt, so Krings. 1894 wurde der neue, deutlich vergrößerte Bahnhof eröffnet – am jetzigen Standort.
Der botanische Garten wurde geopfert
Rund 40 Jahre zuvor herrschte weitgehend Einigkeit darüber, dass der „Centralpersonenbahnhof“, der die fünf links- und rechtsrheinischen Bahnhöfe verschiedener Bahngesellschaften überflüssig machen sollte, an den Dom gehört. Dafür wurde der botanische Garten geopfert, der später in Riehl als Flora Wiederauferstehung feierte.
„Man war froh, dass man diese Fläche hatte“, sagt Krings. Denn damals strebte alles zur imposanten Dom-Baustelle, die den Tourismus und das Selbstbewusstsein der ganzen Stadt beflügelte. Auch die neue Dombrücke, Vorgängerin der Hohenzollernbrücke, wurde auf die Kathedrale ausgerichtet.
Nach dem Ersten Weltkrieg erkennt Oberbürgermeister Konrad Adenauer neue Möglichkeiten in dem Band, das heute als innerer Grüngürtel bekannt ist. Lange war er militärisch genutzt worden, nach dem Krieg ist Deutschland jedoch entmilitarisiert. Adenauer verpflichtet den Hamburger Stadtplaner Fritz Schumacher, sich Gedanken über die Entwicklung Kölns zu machen. Schumacher plant den ehemaligen Festungsring als städtebauliche Ergänzung der Neustadt. „Der innere Grüngürtel war nicht als Grüngürtel geplant, sondern als Stadterweiterung“, sagt Ulrich Krings. Allerdings begrünter als die erste Neustadt. Zu Schumachers Konzept gehört auch die Ansiedlung repräsentativer Gebäude.
Die Universität ist Realität geworden, der Hauptbahnhof blieb unverwirklicht. Zwischen der Aachener Straße und der Dürener Straße sollte er als langgestreckter Klinkerbau entstehen – „ein riesiger schöner neuer Bahnhof“ mit dem Aachener Weiher als vorgelagertem Blickfang, so Krings. Er sollte den alten Hauptbahnhof jedoch nicht ersetzen, sondern lediglich entlasten. „Ohne Wirtschaftskrise in den 1920er Jahren wären die Pläne verwirklicht worden“, sagt Krings. So blieb der innere Grüngürtel vor allem eine Grünfläche – „aus der Sicht Schumachers eine Fehlentwicklung“. Er habe ihn sich urbaner vorgestellt: „Der Aachener Weiher, wie wir ihn kennen, ist nur der Rest einer gigantischen Planung.“
„Das Dritte Reich hat noch mal radikalerer Pläne gemacht“, sagt der ehemalige Stadtkonservator. Die Nationalsozialisten wollten den Hauptbahnhof komplett aus der Altstadt entfernen und ihn durch Wohn- und Geschäftshäuser ersetzen. Stattdessen planten sie einen linksrheinischen Hauptbahnhof dort, wo ihn auch Fritz Schumacher vorgesehen hatte. Das rechtsrheinische Pendant sollte in Deutz im Bereich des Gotenrings entstehen. Davor, in Richtung Rhein, wollten sie ein „Gauforum“ mit riesiger Halle und Aufmarschgelände errichten: „Die dort Versammelten sollten das tolle Stadtbild sehen“, sagt Krings. Verbunden werden sollten die beiden Bahnhöfe mit einem Eisenbahnring, der über die zu erweiternde Südbrücke und eine Rheinquerung auf Höhe der jetzigen Zoobrücke verlaufen sollte. Der Zweite Weltkrieg verhinderte die größenwahnsinnige Planung.
Eine Verlegung des Hauptbahnhofs war aber auch danach immer wieder Thema. Auch Rudolf Schwarz, Generalplaner für den Wiederaufbau Kölns, habe ihn sich „weggewünscht“, sagt Ulrich Krings. Er verlegte den Hauptbahnhof in seinen Überlegungen wieder an den Hansaring, so, wie es bereits Ende des 19. Jahrhunderts geplant war. Von den Nazis übernahm er die Idee des Eisenbahn-Rings. Doch auch dazu kam es nicht. Der im Krieg zerstörte Hauptbahnhof wurde aufgebaut und ein Umzug – wieder einmal – zu den Akten gelegt.