Studierende der Katholischen Hochschule sahen sich das Viertelfinale Deutschland-Spanien an und zählten, wie häufig Alkohol- und Wettwerbung eingeblendet wurde.
„Alarmierend“Kölner Suchtexperte kritisiert häufige Alkohol- und Glücksspiel-Werbung bei EM
Beim vergangenen Viertelfinale zwischen Deutschland und Spanien bekamen die Zuschauerinnen und Zuschauer Werbung für Alkohol und Glücksspiel im Fünf-Minuten-Takt zu sehen. Zu diesem Ergebnis kamen Studierende des Master-Studiengangs „Suchttherapie“, die das letzte Deutschlandspiel zum Studienobjekt machten. Sie konzentrierten sich beim gemeinsamen Schauen in einem Seminarraum an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Köln auf Häufigkeit und Positionierung der Werbung während des Spielverlaufs.
Der Kölner Suchtpsychologe Ulrich Frischknecht, der die Studierenden bei dem Projekt begleitet, kritisiert die Dominanz der Werbung stark. Angesichts der Ergebnisse spricht er von einem „suchtpolitischen Versagen“.
Alkoholwerbung bei EM: Suchtpsychologe fordert Ende
„Durch Alkoholkonsum in Deutschland entstehen den Krankenkassen und indirekt der Volkswirtschaft jährlich 60 Milliarden Euro Kosten – ganz zu schweigen von dem persönlichen Leid, das durch den Alkoholkonsum in den Familien entsteht.“ Für ihn sei unverständlich, weshalb die Bitburger-Brauerei direkt im Anschluss an den Uefa-Slogan Werbung für ihr Bier machen darf. Er fordert – ebenso wie Suchtbetroffene, Verbände und Politiker – ein Ende der Werbung für Alkohol und Sportwetten im Fußball.
Neben der Biermarke Bitburger ist auch der Sportwettenanbieter Betano offizieller Sponsor der Fußball-EM. In der Analyse habe sich gezeigt, dass Alkoholwerbung in unmittelbarer Nähe zu den Spielpausen wie Halbzeitpause, Abpfiff der regulären Spielzeit, Halbzeit der Verlängerung und Gesamtabpfiff gezeigt wurde. Außerdem habe es ab der 20. Spielminute nur noch drei fünfminütige Zeitfenster gegeben, in denen kein Werbebanner für Glücksspiele eingeblendet worden sei.
Kölner Studierende wollen Analyse mit Patienten durchführen
Alarmierend findet Frischknecht die Positionierung der Alkoholwerbung – immer vor den Abpfiffen mit Pausencharakter. Dies sei aus Sicht des Suchtforschers „werbepsychologisch der beste Sendeplatz für Bierwerbung“ – nicht nur, weil genug Zeit sei, sich selbst ein Bier zu holen, sondern auch, weil in solchen Pausen die Anspannung während eines Fußballspiels nachlasse: Der Alkoholkonsum lasse sich damit direkt mit der Entspannungswirkung „ankonditionieren“, so Frischknecht.
Die Studierenden, die begleitend zu ihrem Studium in Einrichtungen der Suchthilfe bereits als Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter tätig sind, entwickelten im Anschluss an das Spiel die Idee, eine solche Analyse-Übung mit ihren Patienten durchzuführen. Damit könnte ihnen bewusster werden, an wie vielen Stellen sie von der Suchtmittelindustrie unbewusst beeinflusst werden. (gam)