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1:2 gegen Spanien in der AnalyseDie Tragödie von Stuttgart

Lesezeit 4 Minuten
Joshua Kimmich lehnt am Pfosten.

Joshua Kimmich lehnt am Pfosten, er muss das Aus gegen Spanien erst noch verkraften.

Die deutsche Fußball-Nationalelf unterliegt Spanien nach Verlängerung 1:2 und scheidet aus der Heim-EM aus.

Als es vorüber war, tanzten die Fans der spanischen Mannschaft zu Peter Schillings „Major Tom“; zu jenem Lied, das die deutschen Erfolge bei dieser Europameisterschaft im eigenen Land begleitet hatte. Das Viertelfinale von Stuttgart war zuvor über 120 Minuten zu einem Klassiker geworden; zu einem Fußball-Werbefilm voller Tempo, Kampf und in der Schlussphase auch spielerischer Brillanz.

Doch nachdem Florian Wirtz Olmos Führung aus der 51. Minute ausgeglichen (89.) und die deutsche Elf in die Verlängerung geschossen hatte, war Merino Sekunden vor dem Schlusspfiff noch der Siegtreffer gelungen.

Niederlage gegen Spanien für Deutschland eine Tragödie

Für Deutschland war es eine Tragödie. Es gibt selbst im Fußball keine unverdienten Sieger nach 120 Minuten. Doch schien es, als sei die deutsche Mannschaft dem Halbfinale in der Schlussphase näher gewesen. So hatte die Partie zwar keinen Verlierer verdient, aber einen Sieger finden müssen. Spanien steht nun am Dienstag im Halbfinale in München.

Das Aus bedeutete auch das Ende der Karriere von Toni Kroos. „Wir haben alle alles reingelegt und waren sehr nah dran. Umso bitterer ist es“, sagte der deutsche Regisseur. „Wir haben unverdient verloren“, stellte Julian Nagelsmann unter Tränen fest, schwer getroffen von den Ereignissen des Abends und bewegt von der Energieleistung seiner Mannschaft.

Nagelsmanns Startelf-Entscheidungen fruchten nicht

Der Bundestrainer hatte eine Anpassung im Mittelfeld vorgenommen, wo Emre Can begann, um die Kreise des spanischen Unterschiedsspielers Fabian Ruiz stören zu helfen. Unangenehm für den Gegner zu sein, das schien vom Start weg die Devise dieser deutschen Elf. Deshalb startete auf dem linken Flügel erneut Leroy Sané, der die Räume besprinten sollte, die Spaniens Außenverteidiger ab und an gewähren.

Gut gespielt und doch verloren, Deutschland ist bei der Heim-EM ausgeschieden.

Gut gespielt und doch verloren, Deutschland ist bei der Heim-EM ausgeschieden.

Von den ersten acht Minuten vergingen fünf mit der Behandlung auf dem Rasen liegender Spanier. Zweimal blieb Pedri liegen, den Kroos bei einem Duell um den Ball so hart erwischt hatte, dass es nicht weiterging für den 21-Jährigen. Eine scheinbare Schwächung der Spanier, doch der Leipziger Dani Olmo kam, der später das 1:0 erzielte und letztlich den Siegtreffer vorbereitete. Es war jede Menge Härte im Spiel, auch von spanischer Seite. So erlebten die Zuschauer ein ziemliches Geholze, was sich auch in den Spieldaten niederschlug: Beide Mannschaften blieben deutlich unter ihren üblichen Passquoten. Man gönnte einander keinen Quadratzentimeter Rasen.

Wechsel bringen Schwung ins deutsche Team

Kai Havertz hatte eine erste Chance, als er Kimmichs Flanke nach schönem Angriff in Unai Simons Arme köpfte. Spanien machte Tempo, Deutschland hielt robust dagegen. Früh sahen Rüdiger und Raum die ersten Gelben Karten des Spiels, auch Spaniens Innenverteidiger Robin Le Normand wurde verwarnt. Am Ende stand ein Kartenrekord für EM-Spiele. Es war eine wilde Raserei.

Zur zweiten Halbzeit kamen Wirtz für Sané und Andrich für Can, womit Nagelsmann belegte, dass seine Pläne nicht aufgegangen waren. Doch dem Ergebnis taten die Wechsel zunächst nicht gut. Fünf Minuten nach Wiederanpfiff düpierte Lamine Yamal David Raum und passte quer an den Elfmeterpunkt, wo Olmo präzise verwandelte.

Deutschland attackierte anschließend mit dem Mut der Verzweiflung. Zunächst zwang Andrich Spaniens Keeper aus der Distanz zu einer Glanzparade. Dann hatte der eingewechselte Niclas Füllkrug die größte Chance der zweiten Hälfte, als er Wirtz' Hereingabe aus kurzer Distanz stramm an den Pfosten setzte (77.). Die DFB-Elf vertraute im zweiten Durchgang auf ihre fußballerische Qualität, und als es nicht mehr um taktische Ideen ging sondern darum, den Gegner auszuspielen, trat Deutschland um den unglaublichen Florian Wirtz wie entfesselt auf. Die Schlussphase war ein Drama, das beide Mannschaften an ihre Grenzen führte. Die Deutschen inszenierten einen gewaltigen Wirbel. Und Sekunden vor Anbruch der Nachspielzeit gewann Kimmich das Kopfballduell mit Cucurella, und setzte Wirtz in Szene, der den Ball mit dem Spann perfekt traf und per Innenpfosten ins Tor jagte.

Kein Elfmeter, kein Elfmeterschießen – Deutschland nach Last-Minute-Gegentor raus

Es ging in die Verlängerung, um diesem EM-Klassiker einen Sieger aus dem laufenden Spiel heraus zu bescheren. Die Spanier wirkten in den 30 Extra-Minuten weniger gefasst als die Deutschen, die durch Wirtz (105.) und Füllkrug weitere Großchancen hatten. Musiala jagte Cucurella den Ball aus kurzer Distanz knallhart an die Hand, doch Absicht war dem spanischen Linksverteidiger nicht nachzuweisen, und es war wohl im Rahmen der Regeln, keinen Strafstoß zu verhängen. Wenngleich es die Deutschen unfassbar schmerzte.

Die DFB-Elf war nun voll im Spiel, dominierte, hatte das Momentum. Doch dann hatte Dani Olmo zu viel Platz auf dem linken Flügel, schlug eine Flanke in den deutschen Strafraum und fand Mikel Merino, der sich in Rüdigers Rücken davongeschlichen hatte und Neuer per Kopf keine Chance ließ (119.).

Es war das maximale Drama einer furios kämpfenden deutschen Elf, die sich zu früh, aber mit einem fantastischen Auftritt aus dem Turnier verabschiedete. Und einsehen musste, dass am Ende die Gegner sangen.