Interview mit Kölner Virologen„Nur ein kleiner Teil erkrankt schwer“
- Der Kölner Virologe Prof. Florian Klein spricht im Interview über die Gefährlichkeit des Coronavirus, seine Verbreitung und Variation der Symptome.
Herr Prof. Klein, wie gefährlich ist das Coronavirus im Vergleich zur Influenza?
Die Vergleiche sind nicht ganz einfach. Wir haben es mit einem Virus zu tun, das Atemwegserkrankungen auslöst und das leicht übertragbar ist. Im Falle der Grippe werden häufig Zahlen genannt, die sich aus einer Übersterblichkeit während der Grippesaison ableiten. Das bedeutet: Wir sehen mehr Todesfälle während der Grippesaison als in den Sommermonaten, in denen das Grippevirus nicht zirkuliert. Bei den Infektionen des neuartigen Coronavirus bewerten wir aber eine Fallsterblichkeit – das heißt: Wie viele Personen sterben von allen, die infiziert sind. Diese Zahl wird am Anfang von Epidemien überschätzt, da wir vor allem die Menschen sehen, die schwer erkranken oder sterben. Für das neuartige Coronavirus gehen wir aktuell außerhalb von China von einer Fallsterblichkeit von etwa 0,5 Prozent aus. Die Fallsterblichkeit bei der saisonalen Grippe liegt etwas darunter.
Wie würden Sie denn die Wahrscheinlichkeit, an der Krankheit zu sterben, einordnen?
Hier kommen zwei Punkte zusammen: Das Risiko, sich zu infizieren und das Risiko, nach einer Infektion einen schweren Verlauf mit Todesfolge zu haben. Das Risiko, sich aktuell in Deutschland zu infizieren, ist sehr gering. Und daher ist auch das Risiko an dem neuartigen Coronavirus zu versterben, sehr gering.
Wie wahrscheinlich ist es denn aber, dass man sich überhaupt ansteckt?
Bisher hatten wir sehr wenige Fälle in Deutschland. Jetzt sehen wir, dass es Infektionen gibt und das wird sich auch fortsetzen. Wir versuchen aber weiterhin, Infektionsketten zu verhindern. Um damit – und das ist die Strategie – die Anzahl der infizierten Personen möglichst klein zu halten und die Verbreitung deutlich zu verlangsamen.
Gänzlich stoppen lässt sich die Verbreitung des Virus also nicht mehr?
Das ist unwahrscheinlich, aber der Zeitgewinn ist trotzdem sehr wichtig, damit wir mehr Informationen sammeln können. Zum einen über die Krankheit, über den Einsatz von Medikamenten, über das Virus selbst – und zum anderen, um einen Impfstoff zu entwickeln. Und wir kommen aus der Influenza-Saison heraus und in die Sommermonate hinein. Das kann nach allem, was wir wissen, auch ein Vorteil sein. Zusammengefasst: Wir wollen die Verbreitung lange auf sehr kleinem Niveau halten.
Zur Person
Prof. Florian Klein (42) ist Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Köln. Er studierte in Köln, Zürich, Bologna und Boston. An der Rockefeller University in New York spezialisierte er sich auf die Erforschung des HI-Virus.
In Jahr 2015 folgte er dem Ruf auf eine Professur in Köln und etablierte am Zentrum für Molekulare Medizin (ZMMK) eine Arbeitsgruppe für Experimentelle Immunologie. (ksta)
Warum hoffen Sie auf den Sommer?
Die Übertragung wird schwieriger, weil die Menschen dann einfach nicht so dicht beieinander sind wie im Winter. Außerdem ist die absolute Luftfeuchtigkeit im Sommer höher, so dass die Schleimhäute nicht so schnell austrocknen. Zudem ist eine starke Sonnenstrahlung für diese Viren eher ungünstig.
Bislang hieß es, dass vor allem ältere Menschen und Vorerkrankte zur Risikogruppe gehören. Gilt das weiterhin?
Ja, hier scheint es ein höheres Risiko zu geben.
Kann man zwei Mal hintereinander erkranken?
Das wissen wir aktuell noch nicht. Es wäre aber ungewöhnlich. Wir gehen bisher davon aus, dass sich eine Immunität entwickelt.
Warum variieren die Symptome und die Schwere der Erkrankungen von Fall zu Fall?
Das ist nicht unüblich. Die meisten infizierten Personen erkranken hier eher leicht oder sie haben überhaupt keine Symptome. Nur ein kleiner Teil erkrankt schwer. Warum das so ist, verstehen wir noch nicht genau, basiert aber auf verschiedenen Faktoren, die im Immunsystem und in unserer Genetik verankert sind.
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Gibt es besondere Vorsichtsmaßnahmen für Ärzte und Pflegepersonal?
Ja, die gibt es. Denn wir wollen natürlich vermeiden, dass sich solche Infektionen im Krankenhaus verbreiten. Es gibt also schon jetzt definierte Schutzmaßnahmen für Ärzte und Pflegepersonal, die infizierte Personen oder Verdachtsfälle betreuen. Das ist übrigens ein Vorteil unseren chinesischen Kollegen gegenüber, die von der Krankheit einfach getroffen wurden. Wir konnten uns seit Anfang Januar auf die Krankheit immer besser vorbereiten und Pläne für den Umgang damit erstellen.
Wie sinnvoll ist eine Abriegelung, etwa von Unternehmen oder gar von ganzen Städten?
Man muss sich genau anschauen, was man macht. Wenn man etwa nach einer Infektion in einer Schule diese vorübergehend schließt, kann es eine sinnvolle Maßnahme sein, um die Anzahl der Personen, die das Virus weitergeben können, zu reduzieren und um eine bessere Übersicht zu gewinnen. Würde man aber jetzt etwa den Zugverkehr zwischen Italien und Deutschland einstellen, würde das sehr wenig zur Kontrolle beitragen.
Auch in Köln sind Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken bereits knapp. Welche Maßnahmen empfehlen Sie?
Es ist sicher völlig übertrieben, sich jetzt mit Lebensmitteln einzudecken und Hamsterkäufe zu tätigen. Das ist nicht notwendig. Wichtig ist dagegen, dass man die ganz normalen Hygienemaßnahmen durchführt, die einen auch vor der Grippe schützen. Und das ist in erster Linie eine sehr gute Händedesinfektion.