- Das Coronavirus hat Nordrhein-Westfalen erreicht, aber „wir sollten auch nicht in Panik verfallen“, sagt Stephan Pusch, Landrat des Kreises Heinsberg.
- Dort wurden die ersten zwei Infizierungen bei einem Ehepaar entdeckt.
- Von Panik ist in der Ortschaft Gangelt, aus der das Ehepaar stammt, wahrlich nichts zu spüren.
Düsseldorf/Köln/Heinsberg – Am Morgen des Aschermittwoch wendet sich der Landrat des Kreises Heinsberg über die sozialen Netzwerke an die Bürger, um über die beiden bestätigten Verdachtsfälle zu informieren und darüber, dass Kindergärten und Schulen geschlossen bleiben. Das Coronavirus hat Nordrhein-Westfalen erreicht.
„Die Situation erfordert von uns allen ein bisschen Disziplin, aber wir sollten auch nicht in Panik verfallen“, sagt Stephan Pusch. Er fordert die Bürger auf, bei Krankheitssymptomen zuhause zu bleiben und Kontakt mit dem Hausarzt aufzunehmen. Überdies bittet der CDU-Politiker, „Menschenansammlungen möglichst zu vermeiden, Ruhe zu bewahren und keine Falschnachrichten zu verbreiten“.
Kreis Heinsberg: Coronavirus ist Thema Nummer eins
Der Beitrag wird bis zum Nachmittag mehr als 100 000 Mal geklickt und zeigt ganz offensichtlich Wirkung. Von Panik ist in der Ortschaft Gangelt, aus der das Ehepaar stammt, das zu diesem Zeitpunkt bereits in die Uniklinik nach Düsseldorf verlegt ist, wahrlich nichts zu spüren. In der Grenzland-Apotheke von Gangelt gehen die üblichen Grippemittel über die Theke. Das Coronavirus ist natürlich Thema Nummer eins unter den Menschen, aber mehr als ein komisches Gefühl in der Magengegend löst es zum Glück nicht aus. „Jetzt merken wir, wie klein die Welt geworden ist“, sagt eine Frau und wendet sich zum Gehen. „China schien doch so weit weg.“ Und ein älterer Mann beruhigt sich schlicht mit der Erkenntnis, dass es größere Menschenansammlungen in den Dörfern nach Karneval eh nicht mehr gebe.
Der Krisenstab des Landkreises hat in enger Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium in Düsseldorf und dem Robert-Koch-Institut (RKI) in der Nacht ganze Arbeit geleistet. Nur 20 Stunden nach Bekanntwerden des Verdachtsfalls sind die wichtigsten Maßnahmen zur Unterbrechung der Infektionsketten bereits eingeleitet. An der Uniklinik Köln, die der Mann am 13. und 19. Februar wegen einer Vorerkrankung aufgesucht hat, sind sämtliche Mitarbeiter und Patienten, die mit ihm in Kontakt standen, identifiziert und unter häusliche Quarantäne gestellt worden. Gleiches gilt für das Krankenhaus in Erkelenz, wo der 47-Jährige zunächst behandelt worden war und für zwei Arztpraxen, die das Ehepaar vorab zur Behandlung aufgesucht hatte.
Coronavirus: Infizierter besuchte Karnevalssitzung
Das möglichst lückenlose Unterbrechen der Infektionsketten gestaltet sich deshalb schwierig, weil das Ehepaar, wie NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann es am Mittwoch in Düsseldorf formuliert, in den vergangenen 14 Tagen viele „gesellschaftliche Kontakte“ hatte. Da erscheint der Kurzurlaub in einem Wellness-Hotel in den benachbarten Niederlanden noch am unproblematischsten, zumal er nach Angaben der Frau schon länger zurückliegt, die Ansteckungsgefahr also gering ist.
Dennoch haben die Behörden das Hotel und dessen Nachbarn informiert. Problematischer erscheint da die Karnevalssitzung in der Ortschaft Langbroich, an der das Paar am Wochenende teilnahm. Minister Laumann versucht zu beruhigen. „Es handelt sich um eine überschaubare Sitzung in einer überschaubaren Gemeinde.“ Seit Donnerstagmorgen suchen die Behörden aber in einer größeren Aktion nach allen Besuchern der Sitzung in Langbroich.
Wie der Landrat bittet auch er die Menschen, sofort zu reagieren, „wenn sie Symptome haben. Wir müssen sehr aufpassen, dass keine Panik entsteht“. In einem Fall ist das bereits geschehen. Ein Bekannter des Infizierten, der mit ihm gemeinsam Karneval gefeiert hatte und bei der Flugbereitschaft der Bundeswehr in Köln-Wahn arbeitet, hatte seiner Einheit den Kontakt mit dem Erkrankten gemeldet. Daraufhin wurde er zur Untersuchung ins Bundeswehr-Krankenhaus nach Koblenz gebracht. Der Soldat hatte jedoch keinerlei Krankheitssymptome, sagt ein Sprecher der Bundeswehr. „Sicherheitshalber“ sei die Flugbereitschaft am Mittwoch zeitweise abgeriegelt worden. Von morgens bis 14.15 Uhr konnte dort niemand hinein oder hinaus.
Völlig unklar ist am Mittwoch, wann und wie sich das Ehepaar aus Gangelt das Virus eingefangen hat. Die zunächst geäußerte Vermutung, der 47-Jährige könne sich bei einem Bekannten angesteckt haben, der sich häufig in China aufhält, hat sich als falsch erwiesen. „Wir wissen es derzeit nicht“, sagt Laumann.
Zustand des Infizierten weiterhin kritisch
Der Zustand des 47-Jährigen sei nach wie vor kritisch aber stabil, bestätigt Professor Dieter Häussinger, ärztlicher Direktor der Uniklinik Düsseldorf. Derzeit stünden lebenserhaltende Maßnahmen im Vordergrund. Immerhin habe sich die schwere Lungenentzündung des Patienten nicht weiter verschlechtert. Seine Frau sei ebenfalls erkrankt, der Verlauf aber deutlich milder.
Doch wie geht es jetzt weiter? Der Gesundheitsminister versucht zu beruhigen. Es handele sich derzeit „um eine lokale Frage im Kreis Heinsberg“. Falls es nicht gelänge, die Infektionskette zu unterbrechen und es zu weiteren Fällen komme, sei man in Nordrhein-Westfalen gut vorbereitet. „Hier leben 80 000 Ärzte. Wir haben 118 000 Krankenhausbetten und werden in der Lage sein, mit unseren Gesundheitsstrukturen den Menschen einen guten Schutz zu bieten“, so Laumann. Überdies sei aus anderen Ländern bekannt, dass mehr als 80 Prozent der Krankheitsverläufe leicht seien.
Sollte sich die Zahl der Infektionen drastisch erhöhen, sieht auch Professor Dieter Häussinger die Kliniken im Land gut gerüstet. Beim Coronavirus handele es sich nicht um eine Infektion, „die nur an Unikliniken behandelt werden kann“, sagt der Direktor der Düsseldorf Uniklinik. „Das geht an allen Krankenhäusern mit einer entsprechenden Station. Panik ist nicht angebracht. Das Krankheitsbild kann schwere Verläufe haben, ist aber nicht vergleichbar mit anderen schweren Infektionskrankheiten.“
Wie es im Kreis Heinsberg weitergeht, will Landrat Stephan Pusch je nach Lage von Tag zu Tag entscheiden. Die Selbstverantwortung der Menschen sei die beste Vorsorge: „Keiner braucht loszulaufen und Hamsterkäufe zu tätigen.“ Nach seinen Angaben sind rund 100 Menschen in der Kreisverwaltung mit dem Thema befasst. Die dörflichen Strukturen erleichterten die Arbeit, weil man sich kenne. „Wir versuchen, das in den Griff zu bekommen, und bitten um Verständnis, wenn die Zulassungsstelle im Straßenverkehrsamt mal geschlossen bleibt.“