Köln – Die Geschichte der Eisbären im Kölner Zoo ist lang und tragisch. Über 140 Jahre lebten Exemplare des größten Landraubtiers der Welt in zu kleinen Gehegen in Riehl. Bis die Verantwortlichen im Jahr 2000 ein Einsehen hatten und die Haltung aufgaben.
Dass die Tiere in Köln keine Chance auf ein zumindest einigermaßen erfülltes Dasein hatten, erschloss sich den meisten Besuchern nicht. Sie liebten die weißen Riesen mit den großen Tatzen. Bei den Fütterungen drängten sich Hunderte Menschen am Zaun der Anlage und verfolgten fasziniert, wie die Bären eimergroßen Klötzen mit gefrorener Nahrung hinterherjagten, damit spielten, sie aus dem Wasserbecken fischten und sie auf den künstlichen Eisschollen aus Beton verspeisten.
Wilde Bärenseelen litten unter der Enge
Wer jedoch abseits der Fütterungen die Tiere intensiver beobachtete, dem zeigte sich, dass man rund drei Meter große und mitunter mehr als eine halbe Tonne schwere Lebewesen nicht einfach so aus ihrer polaren Heimat in das Gehege eines Großstadtzoos transferieren kann. Sie liefen oft rastlos hin und her, schwammen immer wieder den selben Kreis, wiederholten minutenlang die selbe Bewegung.
„Es kam immer wieder zu solchen Stereotypien“, sagt Zoodirektor Theo Pagel. Die wilden Bärenseelen litten unter der Enge. Und sie waren unterbeschäftigt – trotz aller noch so kreativer Versuche der Tierpfleger, sie durch immer neue Spielmöglichkeiten und Aufgaben zu unterhalten.
In freier Wildbahn bejagen Eisbären einen Gebietsradius von rund 150 Kilometern, sie sind Einzelgänger und stoßen – Muttertiere mit Nachwuchs ausgenommen – oft lange Zeit auf keinen einzigen Artgenossen. „Für die moderne Eisbärenhaltung bedeutet dies, dass den Tieren weitläufige Anlagen mit Möglichkeiten zur individuellen Gehege-Separierung geboten werden sollten, damit sie sich aus dem Weg gehen können.
Bis 1915 lebten die Eisbären in einem Zwinger
Zoos berücksichtigen dies heute und haben die Standards enorm optimiert“, erklärt Pagel. Im Kölner Zoo aber war das nicht möglich. Und das war es nie seit 1860, dem Gründungsjahr des Tierparks. Bis 1915 lebten die Eisbären in einem Zwinger, bevor sie eine neue, rund 1000 Quadratmeter große Anlage mit Bassin und Wasserfall bezogen.
Dieses Gehege wurde im Krieg zerstört und 1957 in neuer Gestalt an alter Stelle wiedereröffnet. Die prägnanten Betonplatten, die Eisschollen darstellen, sind heute noch augenfälliges Merkmal des Geheges. 1968 gelang erstmals die Aufzucht von gleich drei jungen Eisbären. Insgesamt kamen 25 Jungtiere in Köln zur Welt.
Kölns letzter Eisbär war eine Bärin
Im Jahr 2000 beschlossen der damalige Zoodirektor Günther Nogge und der zuständige Kurator – der heutige Zoodirektor Theo Pagel –, die Eisbärenhaltung aufzugeben. „Wir halten unsere Tiere verhaltensgerecht nach modernen biologischen Erkenntnissen und machen da auch keine Kompromisse“, sagt Pagel. Eine artgerechtere Anlage hätte der Zoo jedoch nicht finanzieren können, da zu der Zeit der neue millionenschwere Elefantenpark entstand.
Kölns letzter Eisbär war eine Bärin. Sie hieß Vera und verbrachte bis dahin ihr gesamtes, 20 Jahre währendes Leben dort, bis sie im Jahr 2000 in einen niederländischen Tierpark mit deutlich besseren Haltungsbedingungen zog.
Bis heute äußerten Besucher bei Befragungen immer wieder den Wunsch, Eisbären zu sehen, sagt Pagel. „Für uns als moderner und wissenschaftlich geführter Zoo spielt das allerdings eine untergeordnete Rolle.“ Der Wunsch dürfte sich nicht erfüllen. Zumindest so lange nicht, bis eine adäquate Anlage geschaffen werden kann, was in absehbarer Zeit nicht passieren wird. Im alten Kölner Eisbärengehege finden heute Flugschauen mit Vögeln statt.