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„Er war nicht allein, als er starb“Kölnerin leistete nach tödlichem Autounfall in Köln-Rondorf erste Hilfe

Lesezeit 3 Minuten
Das Unfallauto nach dem tödlichen Zusammenstoß mit zwei Fußgängern in Rondorf am 17. August 2024.

Das Unfallauto nach dem tödlichen Zusammenstoß mit zwei Fußgängern in Rondorf am 17. August 2024.

Insgesamt zehn Anwohner der Rodenkirchener Straße handelten sofort, als nachts ein BMW zwei Fußgänger anfuhr. Ein 27-Jähriger starb.

Sonntagmorgen, 17. August, kurz nach Mitternacht. Mai-Lan Ho ist gerade nach Hause gekommen. Sie hat lange gearbeitet, bis vor kurzem führte die 39-Jährige das Lokal „Zur Alten Post“ in Rondorf. Ho ist noch keine fünf Minuten zu Hause, da hört sie von der Straße einen gewaltigen Schlag, ein Krachen. Sie stürmt nach draußen und fühlt sich sofort an ein „Schlachtfeld“ erinnert, sagt Mai-lan Ho heute, zwei Wochen später, wenn sie von dem tödlichen Autounfall auf der Rodenkirchener Straße spricht.

Überall liegen Trümmerteile. Ein schwarzer BMW steht halb auf dem Gehweg, halb auf der Fahrbahn, die Scheiben zersplittert, die Kühlerhaube eingedrückt. Zwei junge Fußgänger liegen auf dem Asphalt, einige Meter voneinander entfernt. Sie wurden von dem Auto getroffen, das laut Zeugen deutlich zu schnell unterwegs gewesen sein soll. Neben einem der beiden Verletzten steht der Autofahrer, er habe um Hilfe gebeten, schildert Mai-Lan Ho dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ – und immer wieder gerufen: „Das wollte ich nicht, das wollte ich nicht.“

Mai-Lan Ho hat nach dem tödlichen Autounfall in Rondorf am 17. August 2024 mit ihren Nachbarn erste Hilfe geleistet.

Mai-Lan Ho hat nach dem tödlichen Autounfall in Rondorf am 17. August 2024 mit ihren Nachbarn erste Hilfe geleistet.

Die 39-Jährige läuft zu dem anderen Verletzten, er liegt mitten in den Trümmern und atmet schwer. Mai-lan Ho sieht seine schweren Verletzungen am Kopf. Sie zögert einen kurzen Moment, dann zieht sie ihn aus dem Schutt und kniet sich neben ihn. Legt seinen Kopf auf ihren Schoß und spricht mit ihm. „Hilfe ist unterwegs“, sagt sie zu dem Mann. Dabei ist er gar nicht mehr ansprechbar. Mai-lan Ho ahnt, dass er seine Verletzungen nicht überleben wird. „Sie waren einfach viel zu schwer, das sah man sofort“, sagt die 39-Jährige heute.

Köln: Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung

Tatsächlich stirbt der 27 Jahre alte Nurullah Ülkü wenig später im Krankenhaus. Sein 22 Jahre alter Begleiter überlebt. Beide wohnten in Herne und wollten sich an dem Wochenende Köln ansehen. Ülkü war erst vor wenigen Monaten aus der Türkei nach Deutschland gekommen, um hier zu arbeiten und seiner Familie Geld in die Heimat zu schicken. Vorige Woche wurde seine Leiche ins osttürkische Bitlis überführt und dort beigesetzt. Freunde sammeln Spenden für die Grabpflege. Gegen den laut Polizei betrunkenen Autofahrer (24) ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung.

Sie erzähle all das nun, sagt Mai-lan Ho, weil sie anderen Menschen Mut machen wolle, in einer ähnlichen Situation zu helfen – so wie die 39-Jährige und ihre Nachbarn. Denn auch die seien nach dem lauten Schlag sofort auf die Straße gelaufen. Eine Frau brachte Handtücher, mit denen Mai-lan Ho Nurullahs Wunden abdrückte. Andere versuchten, dessen vor Schmerzen schreienden Freund zu beruhigen. Wieder andere stoppten den Verkehr, unter anderem einen KVB-Linienbus, dessen Insassen ebenfalls ausstiegen und herbei eilten.

Köln: Beherzte Zeugen halfen nach Unfall in Rondorf

Ungefähr zehn Zeugen hätten sich an der Unfallstelle gekümmert, bis der Rettungsdienst und die Polizei dagewesen seien, sagt Mai-lan Ho. Sie brachte den sterbenden Fußgänger in die stabile Seitenlage, presste die Handtücher auf die Wunden und übergab ihn schließlich an die Rettungssanitäter. Die ganze Zeit über sei sie ruhig geblieben, „bei klarem Verstand“, habe teilweise noch anderen, die überfordert oder wie erstarrt wirkten, Anweisungen gegeben.

Der Zusammenbruch, sagt Mai-lan Ho, kam später. Als sie wieder alleine war. Um die Bilder in ihrem Kopf, die Eindrücke und Erinnerungen an die Unfallstelle zu verarbeiten, habe sie sich an eine Psychologin gewandt. Die Gespräche und die in den Sitzungen erlernten Techniken helfen ihr, sagt sie, die seit dem Unfall manchmal aufsteigenden Panikattacken zu bekämpfen.

Dennoch bereue sie nicht, geholfen zu haben an jenem Sonntagmorgen. Auch wenn sie, die Sanitäter und die Ärzte Nurullah Ülkü nicht mehr retten konnten, so sieht Mai-lan Ho doch einen Sinn in ihrem Einsatz. „Ich will nicht, dass die Eltern denken, ihr Junge war alleine, als er starb“, sagt sie. „Denn das war er nicht.“ Vielleicht könne ihnen dies wenigstens ein bisschen Trost spenden.