Kolumne von Kölner Chefarzt Manfred LützMan sollte Greta Thunberg nicht überfordern!
- Der Kölner Chefarzt, Theologe und Bestseller-Autor Manfred Lütz ist für seine scharfzüngige Meinung deutschlandweit bekannt.
- So wettert er unter anderem gegen den Fitness-Kult und Diät-Sadismus. Aber der Psychiater gibt in seinen Büchern auch bewegende Einblicke in die Welt von Süchtigen, Depressiven und Schizophrenen.
- In seiner KStA-Kolumne „Wahn und Sinn – das ganze Leben” antwortet Lütz jede Woche auf eine von Lesern gestellte Sinnfrage.
- In dieser Folge geht es um ein Thema, das derzeit alle bewegt: die Welt in der Krise.
Hilft beten – in Zeiten von Klimakrise und größenwahnsinnigen Präsidenten? Und wenn ja, warum? Oder sollten wir lieber auf mehr Greta Thunbergs setzen, um die Welt und uns zu retten?
Beten hilft immer. Dabei darf man allerdings das Gebet nicht vulgärmarxistisch missverstehen. Beten ist keineswegs das Kiffen der unterdrückten Menschheit, die gerade die mögliche Revolution zum Besseren verpennt. Beten ist das Ereignis, in dem ich anerkenne, dass es über mich hinaus noch jemanden gibt, dem gegenüber ich mich verantworten muss, der mich aber auch liebevoll in seiner Hand hält und mit dem ich in Beziehung treten kann. In jedem echten Gebet ereignet sich die Anerkennung, dass alles in Gott seinen geheimnisvollen Sinn hat. Denn wenn es Gott nicht gibt, dann ist letztlich alles sinnlos – auch die Weiterexistenz der Menschheit in annehmbaren klimatischen Verhältnissen.
Zur Person Manfred Lütz
Manfred Lütz, geb. 1954, ist Psychiater, Psychotherapeut und katholischer Theologe. Der frühere Chefarzt des Kölner Alexianer-Krankenhauses ist auch Mitglied im Päpstlichen Laienrat.
Alle klugen Seelsorger haben immer davor gewarnt, das Gebet als Nötigung Gottes misszuverstehen, den man auf diese Weise zwingen könne, so zu helfen, wie ich mir das vorstelle. Und auch Greta Thunberg darf man nicht überfordern. Es ist gut, dass sie Zeichen setzt, aber es ist zynisch, gleichzeitig von ihr zu verlangen, dass sie nun von morgens bis abends klimaneutral vor sich hinatmen soll. Es gibt nicht das perfekte Verhalten, es gibt nicht den perfekten Menschen. Christen glauben daher, dass alle Menschen der Gnade Gottes bedürfen. Und übrigens: Wäre mit dem Tod wirklich alles aus, dann müsste mich der Klimawandel im Grunde nicht allzu sehr berühren – so lange ich mir bis zum Ende meines Lebens eine Klimaanlage leisten kann.
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In den Memoiren meines Großonkels Paulus van Husen, die ich vor kurzem herausgegeben habe, gibt es eine unglaublich anrührende Geschichte. Van Husen war Mitglied des Widerstands gegen Adolf Hitler. Claus Schenk Graf von Stauffenberg fuhr von seiner Wohnung aus zum Attentat in die Wolfsschanze. Als van Husen zusammen mit dem später von den Nazis ermordeten württembergischen Staatspräsidenten Eugen Bolz ins Konzentrationslager Ravensbrück gefahren wurde, waren beide streng ermahnt worden, nicht miteinander zu sprechen. Plötzlich brüllte der SS-Mann, der vorne saß: „Hüten Sie sich, nochmal zu versuchen, mit dem anderen Häftling zu sprechen.“
Als van Husen bestritt, gesprochen zu haben, kam die Entgegnung: „Ich habe deutlich im Rückspiegel gesehen, dass Sie die Lippen ständig bewegt haben.“ Darauf van Husen: „Ich bete Rosenkranz.“ Der andere: „Das hilft Ihnen nichts; lassen Sie den Quatsch!“ Doch als die KZ-Wärter van Husen, in Ravensbrück angekommen, den Rosenkranz abnehmen wollten, trat eben dieser SS-Mann vor und gab ihn ihm schweigend zurück.
Dieses Rosenkranzgebet verhalf dazu, dass man auch in diesem brutalen SS-Mann für einen kurzen Moment jenen Funken Gottes aufblitzen sah, von dem der Auschwitzüberlebende Jehuda Bacon überzeugt ist, dass er in jedem Menschen existiert, und es gab Paulus van Husen die Kraft, den Terror zu überstehen.
Aus dieser Kraft heraus wurde er nach dem Krieg Mitbegründer der CDU und erster Verfassungsgerichtspräsident Nordrhein-Westfalens. So trug er mit dazu bei, dass wir in einem freiheitlich-demokratischen Gemeinwesen leben. Er hat unerschütterlich an die Wirksamkeit des Gebets geglaubt – und wir alle profitieren heute davon.
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