Kommentar„Besucher sollten Kölner Flora als besonderes Schatzkästlein betrachten“
- Vor allem der nachhaltigen Initiative und Finanzhilfe des Freundeskreises sind die neuen Schaugewächshäuser in der Kölner Flora zu verdanken.
- Ein Botanischer Garten ist keine Zierfläche, die allein zum Kaffeetrinken, Joggen und Fotoshooting einlädt. Sie soll auch ein Lernort und Schutzraum für seltene Arten bleiben.
- Früher war die Flora der Stolz der Kölner Bürgerschaft. Sie hat mehr Respekt und Zuwendung verdient, findet unser Autor.
Köln – Gut Ding will Weile haben, in Köln. 35 Jahre nachdem zum ersten Mal der dringend notwendige Neubau der maroden Gewächshäuser in der Kölner Flora amtlich wurde, steht nun tatsächlich der Rohbau. Der Freundeskreis des Botanischen Gartens feiert diesen Tag, an den er schon fast nicht mehr zu glauben wagte, als einen Freudentag – das Richtfest der neuen Schaugewächshäuser, in die dann, endlich, Anfang 2022 auch all die ausgelagerten Pflanzen zurückkehren werden.
Der Verein hat allen Grund zur Freude und zum Stolz auf sich selbst. Denn ohne seine Initiative, ohne die 460.000 Euro, die er an Spenden sammelte, ohne die von ihm angesprochenen Architekten wäre das Projekt wohl nie in Gang gekommen, nie realisiert worden. Die Fläche der abgerissenen Glashäuser wäre, davon darf man ausgehen, als weitere Fläche des Grünflächenamtes vermutlich mit einem möglichst pflegeleichten Grün – vielleicht ein weiterer Palmenhain? – bepflanzt worden.
Kölner Flora ist keine Grünfläche
Die Kölner Flora ist keine Grünfläche, sondern ein Botanischer Garten. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde er von dem berühmten Gartenbauarchitekten Peter Josef Lenné entworfen und von einem wohlhabenden Kölner Bürgertum finanziert. Einlass erhielt man nur gegen ein Eintrittsgeld in der Höhe des Wochenlohns eines Arbeiters.
Botanische Gärten wie die in den europäischen Hauptstädten waren damals stolze Vorzeigeobjekte der Kolonialgesellschaften, die eben jene Botanische Welt zeigen wollten, über die sie nun auch noch regierten. Zugleich aber waren sie auch das Schauobjekt der im 19. Jahrhundert sich entwickelnden Wissenschaften und Universitäten. Das Publikum staunte in Zoologischen und Botanischen Gärten über eine sagenhafte Vielfalt. Und endlich waren sie auch der Stolz ehrgeiziger Sammler, die aus allen Weltenden Raritäten zusammentrugen, unbekannte Arten bestimmten und stolz mit ihren Forschernamen versahen.
Flora in das Grünflächenamt der Stadt integriert
Auch der Botanische Garten Köln wurde mit diesem Anspruch geführt, über viele Jahrzehnte von eigenen Direktoren. Heute ist die Flora in das Grünflächenamt der Stadt integriert, das neben dem Kölner Grüngürtel, dem Straßenbegleitgrün oder den Friedhöfen eben auch einen Botanischen Garten zu unterhalten hat. Der sollte von der Stadt und ihren Bürgern mit dem Ehrgeiz und Stolz geführt werden, der ihm als Erbe und Aufgabe gebührt. Und seine Besucher sollte ihn nicht nur als idyllische Flaniermeile, als Jogging-Kurs oder Bildhintergrund für Hochzeitsfotos vor Tulpen- und Stiefmütterchen-Rabatten begreifen, sondern als etwas Besonderes: als ein Schatzkästlein.
Die neuen Schaugewächshäuser werden nicht als Wintercafé eingerichtet, sondern als Grüne Schule in Zeiten des Klimawandels. Unsere Landschaften verändern sich, Wälder vertrocknen, heimische Arten kämpfen ums Überleben, neue nehmen ihren Platz ein. Auch der Botanische Garten verändert sich. Viele Bäume haben auch dort zu kämpfen gegen Krankheiten, gegen die Hitze. Viele mussten deshalb schon gefällt werden und werden von Freunden des Gartens schmerzlich vermisst.
„Lernorte“ für Nachhaltigkeit und Klimawandel
In den neuen Gewächshäusern entstehen nun „Lernorte“ für Nachhaltigkeit und Klimawandel. Das sind ernste Themen, mit denen in den traurigen Zeiten des grassierenden Artensterbens kaum die Leichtigkeit der alten Gewächshausschau einhergehen wird. Und doch werden die Gewächshäuser die Freude und das Staunen über die Schönheit, die Überlebenskraft, über das Wunder der Natur schenken.
Deshalb ist das Richtfest ein Freudentag. Und er sollte Stadtverwaltung und Kölner ermuntern, es nicht allein Flora-Gärtnern und dem Freundeskreis des Botanischen Gartens zu überlassen, diesen Ort mit Sorgfalt und mit ausreichenden finanziellen Mitteln weiterhin zu pflegen. 35 Jahre für den Neubau der Tropenhäuser – das ist traurig und empörend zugleich. Denn die Flora hat Generationen von Kölnern über 150 Jahre hinweg reichlich beschenkt. Sie hat mehr Zuwendung verdient.