AboAbonnieren

Kommentar

Kommentar zur Zwangsräumung einer Großfamilie
So leiden Menschen - und das Image der Stadt Köln

Ein Kommentar von
Lesezeit 2 Minuten
Protestkundgebung gegen Zwangsräumung von sechsköpfiger Familie (Wienands) vor dem Rathaus.

17.01.2023, Köln: Protestkundgebung gegen Zwangsräumung von sechsköpfiger Familie (Wienands) vor dem Rathaus.

Eine sechsköpfige Familie soll zwangsgeräumt werden. Der Stadt Köln droht das Thema Wohnungslosigkeit zu entgleiten. Ein Kommentar.

Eine alleinerziehende Mutter muss mit ihren fünf Kindern ihre Wohnung verlassen und in ein Obdachlosenhotel am anderen Ende der Stadt ziehen. Von der Stadt Köln erhält die auf Transferleistungen angewiesene Frau binnen eines Jahres kein passendes Wohnungsangebot. Das Kölner Verwaltungsgericht bewertet das (Nicht-)Handeln der Stadt und die geplante Unterbringung der Familie in einer weit von Schule und Kita entfernten Obdachlosenunterkunft als menschenunwürdig.

Das Urteil weist über den vielschichtigen wie beschämenden Einzelfall hinaus: Der Stadt Köln, die öffentlich gern betont, viel gegen Obdachlosigkeit zu unternehmen, droht das Thema Wohnungslosigkeit zu entgleiten.

460 Zwangsräumungen in Köln

Mehr als 7000 Menschen haben in Köln keine feste Wohnung. Immer mehr Kölnerinnen und Kölner sind wegen Überschuldung und nicht bezahlbarer Mieten von Wohnungslosigkeit bedroht. 460 Wohnungen wurden in Köln im vergangenen Jahr zwangsgeräumt, im Jahr 2021 waren es 403. Die politischen Versprechen, mehr sozialen Wohnraum zu schaffen, sind bislang Lippenbekenntnisse geblieben. Das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt hat bislang kein Programm zum sozialen Wohnungsbau aufgelegt – auch eine in Aussicht gestellte städtische Wohnungsbaugesellschaft ist nicht in Sicht.

Die Stadt tut nicht nichts: So hat sie beschlossen, allen Obdachlosen abschließbare Einzelzimmer zur Verfügung zu stellen. Auch die Anmietung von weiteren Wohnräumen wurde anvisiert. Und eine Million Euro zusätzlich für die Obdachlosigkeit.

Aber es geschieht angesichts größer werdender sozialer Not zu wenig. Bis 2030 soll es keine Obdachlosen mehr geben, so sieht es ein Plan der EU vor. Auch Köln will die Obdachlosigkeit bis dahin verbannt haben – bestehender und kommender Krisen zum Trotz. Damit das gelingen kann, muss Oberbürgermeisterin Henriette Reker das Thema zur Chefinnensache machen. Integration und soziale Gerechtigkeit dürfen keine Lippenbekenntnisse bleiben. Sonst leidet – wie im beschämenden Fall der Großfamilie W. – das Image der Stadt.

Hinweis: In der ursprünglichen Version des Texts war der Name der Familie ausgeschrieben. Die Redaktion hat sich im Verlaufe der öffentlichen Diskussion über die Umstände der Zwangsräumung entschieden, den Namen nicht mehr zu veröffentlichen.