AboAbonnieren

KunibertfensterWie ein 800 Jahre alter Kölner Kunstschatz restauriert wird

Lesezeit 4 Minuten
19.12.2024 Köln. Gerlinde Möhrle (Brille) und Sandra Williger restaurieren Fenster von St. Kunibert. Foto: Alexander Schwaiger

Gerlinde Möhrle (links) und Sandra Williger betrachten den Fortschritt ihrer Arbeit.

Gerlinde Möhrle und Sandra Williger arbeiten seit drei Jahren am Kunibertfenster. Dafür braucht es Behutsamkeit. Ein Besuch in der Werkstatt.

Der Respekt vor dem Kunstwerk hat Gerlinde Möhrle auch nach all der Zeit nicht verlassen. „Wie viele Jahrzehnte, Jahrhunderte das überlebt hat“, sagt sie in ihrem Atelier: „Das sind Originale, ein Schaden wäre eine Katastrophe.“

Ein Kunstschatz ersten Ranges

Seit drei Jahren restauriert die 59-Jährige zusammen mit Sandra Williger das Kunibertfenster, das zu den bedeutendsten spätromanischen Glasmalereien überhaupt gehört. Üblicherweise ist es im Obergeschoss des Chores von St. Kunibert zu sehen, wo es in fünf Szenen das Leben von Kunibert darstellt, im siebten Jahrhundert Bischof von Köln. Nun liegt es wie ein großes Puzzle in einer Werkstatt in Poll und wartet darauf, wieder zusammengesetzt zu werden. Behutsam und mit viel Sachverstand – das rund 800 Jahre alte Glasgemälde ist schließlich ein Kunstschatz ersten Ranges.

19.12.2024 Köln. Gerlinde Möhrle (Brille) und Sandra Williger restaurieren Fenster von St. Kunibert. Foto: Alexander Schwaiger

Gerlinde Möhrle bei der Arbeit am Kunibertsfenster

Auf einem beleuchteten Tisch haben die beiden Diplom-Restauratorinnen eines der 19 Felder des Kunibertfensters ausgebreitet. Da die neuen Bleiverbindungen noch fehlen, ist die Szene mit dem schlafenden Kunibert und Merowingerkönig Dagobert in ungezählten Einzelstücken zu sehen. Durch einen Lichtstrahl, der auf Kunibert fällt, erkennt Dagobert, dass sein Page zu Höherem bestimmt ist. Die Darstellung erstrahlt – wieder – in kräftigen Tönen, die unbekannten Urheber erzielten damals mit wenigen Mitteln eine prachtvolle Wirkung: „Insgesamt hat man nur sieben verschiedene Farben verwendet“, sagt Sandra Williger.

Klebematerial verfärbte die Glasgemälde von St. Kunibert

Viel von dieser Wirkung ging jedoch in den vergangenen Jahren verloren. Die Glasgemälde von St. Kunibert, eingesetzt wahrscheinlich zur Weihe der östlichen Teile der romanischen Kirche am Rheinufer im Jahr 1227, wurden in den 1960er Jahren doubliert. Das heißt, sie wurden mithilfe von Acrylfolie ähnlich einem Sandwich zwischen zwei dünne Scheiben gebettet, um sie besser zu schützen. Ein Verfahren, wie es nur in Köln zur Anwendung gekommen sei, so Sandra Williger. Das Problem: Im Laufe der Zeit verfärbte das Klebematerial das bunte Glas auf unschöne Weise, durch die Vergilbung wurde es völlig entstellt.

19.12.2024 Köln. Gerlinde Möhrle (Brille) und Sandra Williger restaurieren Fenster von St. Kunibert. Foto: Alexander Schwaiger

300.000 Euro kostet die Wiederherstellung des Fensters.

Eine Nachwirkung, die Möhrle und Williger nun viel Arbeit beschert. Um die Finanzierung kümmert sich auch der Förderverein Romanische Kirchen. Allein die Wiederherstellung des Kunibertfensters koste rund 300.000 Euro, so Geschäftsführerin Gabriele Oepen-Domschky. Das Geld komme aus unterschiedlichen Quellen. Der Verein selbst habe 10.000 Euro hinzugegeben, aber auch das Erzbistum und eine Reihe von Einzelspendern beteiligten sich an den Kosten. Weitere Spender seien natürlich willkommen. Denn es bleibt nicht beim Kunibertfenster: Zu den großen Glasgemälden im Chor zählen auch das sogenannte Wurzel-Jesse-Fenster und das Clemensfenster. Hinzu kommen mehrere kleinere Fenster im Chor und den Querhäusern, denen sich Möhrle und Williger bereits angenommen haben: Die Restaurierung der mittelalterlichen Glaskunst aus St. Kunibert begleitet sie seit nunmehr fast 20 Jahren. „Es sind Tausende von Stunden, die da reingehen“, sagt Gerlinde Möhrle.

Im kommenden Sommer soll das Fenster wieder eingesetzt werden

Gearbeitet wird in Abstimmung mit der Dombauhütte. Normalerweise würden die historischen Bleiprofile, die die Glasstücke miteinander verbinden, erhalten bleiben, sagen die Expertinnen. Bei der Restaurierung in den 1960er Jahren wurden zum Schutz der Glasoberflächen auf die mittelalterlichen Glasstücke von beiden Seiten dünne Gläser aufgebracht, was breitere und höhere Bleiprofile erforderte. Nur in diesem Fall werden die zu breiten Bleiprofile deshalb ausgetauscht. Im ersten Schritt wird das Glas vom Blei befreit. Dann kommen die Gläser in ein Lösemittelbad, um die „Schutzgläschen“ abzulösen.

Am Ende werden die Glasstücke auf einem Verbleiungsbrett mit neuen, schmalen Bleiprofilen in Anlehnung an die mittelalterlichen Profilstärken wieder zu einem Fensterfeld verbunden. Auf dem Weg dorthin liegen diverse Restaurierungs- und Reinigungsarbeiten: Sprünge werden geklebt und Alterungsspuren auf Glasteilen imitiert, die in den 1960er Jahren eingesetzt wurden und damit im Vergleich zum mittelalterlichen Material zu makellos wirken.

Fast fertiggestellt ist die Restaurierung des 6,50 mal 2,30 Meter großen Kunibertfensters mittlerweile. Voraussichtlich im kommenden Sommer soll es an seinen angestammten Ort zurückkehren. Danach geht es mit dem Wurzel-Jesse- und dem Clemensfenster weiter. Künftig werden die Kunstwerke durch eine Außenschutzverglasung gesichert, die mit etwas Abstand davorgesetzt wird. Gerlinde Möhrle und Sandra Williger dokumentieren jeden ihrer Arbeitsschritte akribisch. Das sei wie eine Patientenakte, sagen sie. Sollte in Zukunft erneut ein operativer Eingriff nötig sein, könnten diese Informationen noch einmal nützlich werden.