Kurioser SchriftwechselStadt braucht Monate, um Schrottrad in Köln zu entfernen
Köln – Der Vorderreifen fehlt, der Hinterreifen ist platt, der Sattel verschwunden – in diesem Zustand rostet ein silbernes Fahrrad an der S-Bahn-Haltestelle Trimbornstraße in Kalk seit Monaten vor sich hin, angelehnt an einen Zaun, gesichert mit einem dünnen Spiralschloss. Dass es ewig nicht bewegt wurde, ist offensichtlich. Kunst ist es auch nicht, es kann also weg.
Aber die Stadtverwaltung, berichtet der Kölner Axel Sommer, sei einfach nicht in der Lage, das Schrottrad zu entfernen. Nach einem monatelangem, teils kuriosen Schriftwechsel mit verschiedenen Mitarbeitern der Stadt hat Axel Sommer inzwischen nur noch ein Kopfschütteln übrig für das Verhalten der städtischen Verwaltung. Sommer nennt es „dilettantisch“. Es ist die Geschichte einer völlig vermurksten Kommunikation zwischen einer Verwaltung und ihren Bürgern. Die Stadt hat sich auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Dienstag bislang nicht zu der Angelegenheit geäußert.
Hinweis kam über das städtische Portal „Sags uns“
Der Fall, der auf den ersten Blick durchaus auch wie eine Lappalie daherkommen mag, wirft spätestens beim zweiten Blick allerdings die Frage auf, wie ernsthaft die Stadt mit Hinweisen umgeht, um die sie ihre Bürgerinnen und Bürger auf einer groß beworbenen eigens eingerichteten Meldeplattform im Internet explizit bittet.
Unter „sags-uns.stadt-koeln.de“ oder in einer entsprechenden App kann jeder Kölner und jede Kölnerin seit 2015 Probleme im Stadtbild melden: wilden Müll, verdreckte Spielplätze, kaputte Ampeln, Graffiti, Straßenschäden oder eben Schrottfahrzeuge. Der Stadt zufolge haben sich die Ämter verpflichtet, innerhalb von zwei Arbeitstagen auf eine Mängelmeldung zu reagieren. Das bedeute zwar nicht, dass der Mangel dann auch beseitigt ist, das könne durchaus dauern. „Aber keine Meldung wird vergessen“, betont die Verwaltung. Axel Sommer hat andere Erfahrungen gemacht.
Chronologie einer vermurksten Kommunikation
Am 28. Dezember 2020 informiert er die Stadtverwaltung auf dem Portal erstmals über das Schrottrad an der Trimbornstraße. Eine Woche später erhält er eine Antwort: Wegen der „aktuellen Corona-Lage“ sei der Ordnungsdienst in vielfältige Aufgaben eingebunden, für die Beseitigung von Schrottfahrzeugen seien keine Kapazitäten frei: „Bitte wenden Sie sich zu einem späteren Zeitpunkt mit Ihrem Anliegen erneut an uns.“
Am 29. Januar meldet Sommer das Fahrrad zum zweiten Mal, wieder über „Sags uns“. Zwei Tage später die schriftliche Antwort: Das Anliegen sei schon übermittelt worden, die zuständige Fachverwaltung kümmere sich. Aber nichts geschieht.
Am 26. März reklamiert Sommer den Vorgang erneut, diesmal per E-Mail beim Bürgerbüro der Stadtverwaltung. Er erhält keine Antwort.
Am 26. April versucht er es wieder, tags darauf die Antwort, der Fall werde bearbeitet, man melde sich unaufgefordert bei ihm. Tut man aber nicht.
Am 17. Mai fragt Sommer nach, wie es denn nun aussehe, das Rad stehe immer noch da. Acht Tage später antwortet die Abteilung Bürgerdienste, der Vorgang sei in Bearbeitung, man werde sich wieder melden. Es geschieht: nichts.
Am 22. Juni reklamiert Sommer zum fünften Mal. Sechs Tage später die Antwort: Man bitte um Verständnis, die Verwaltung könne die Meldungen nicht zeitnah bearbeiten. Man habe ihn aber nicht vergessen.
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Kölner fühlt sich von der Stadt veräppelt
Weil er sich allmählich veräppelt fühlte, erzählt Sommer, schreibt er eine ausführliche Mail zurück. Er regt darin unter anderem an, das Schrottrad endlich zu beseitigen, Beschwerden von Bürgern „zeitnah“ zu beantworten und auch eine Rückrufnummer zu nennen. „Warum ruft man mich denn zum Beispiel nicht mal eben an und erklärt in aller Kürze, warum man die Angelegenheit noch nicht bearbeiten konnte, dann wäre ja alles okay gewesen“, sagt Sommer. Oder noch besser: Jemand fährt endlich raus und entsorgt das Fahrrad. Stattdessen beschäftigen sich nun mehrere Sachbearbeiter der Stadt seit Monaten mit dem Schrottrad von der Trimbornstraße.
Am 3. September schließlich schickt die Abteilung Bürgerdienste Axel Sommer ein ausführliches Antwortschreiben, der Ton in der Mail ist ausgesprochen freundlich und verständnisvoll. Seine Verärgerung und seine Zweifel am Angebot „Sags uns“ seien nachvollziehbar, heißt es darin. Auch unter Berücksichtigung der Corona-Pandemie sei ein Zeitraum zwischen Meldung und tatsächlicher Entfernung des Schrottfahrrads vor fast neun Monaten „nicht akzeptabel“, räumt der Absender ein.
Fahrrad wurde womöglich „schlicht übersehen“
Das Ordnungsamt sei auch durchaus tätig geworden, habe zunächst einen gelben Infozettel an das Fahrrad geklebt – und als sich der Besitzer nicht gemeldet habe, das Rad fristgerecht am 11. März der AWB zur Entsorgung freigegeben. Warum danach nichts geschah, sei nur zu vermuten. Womöglich sei das Rad „schlicht übersehen“ worden. Und weiter in der Mail: „Zu Ihrer Information: Das Fahrrad wurde zwischenzeitlich durch Mitarbeitende der AWB abgeholt.“
Der Unterzeichner verspricht, die internen Prozesse rund um „Sags uns“ würden optimiert, das Portal „weiterentwickelt“. Man bedanke sich für bei Axel Sommer für sein Feedback.
Das Problem ist nur: Das Schrottrad steht bis heute an der Trimbornstraße.