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Tod von Kurt BraunAngeklagter Clemens K. widerspricht Kölner Rechtsmediziner

Lesezeit 4 Minuten
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Clemens K. im Langericht Köln

  1. Im Dezember vergangenen Jahres wollte Kurt Braun, Angestellter der Stadtkämmerei, eine offene Geldforderung bei einem Mieter an der Straße Auf der Schildwache eintreiben.
  2. Kaum hatten er und seine Kollegin geklingelt, wurde die Wohnungstür aufgerissen und der 47-Jährige mit einem Messer angegriffen. Er wurde schwer verletzt, starb noch am Unfallort.
  3. Am sechsten Verhandlungstag hat Thomas Kamphausen, Rechtsmediziner aus Köln, ausgesagt. Clemens K. ließ die Aussagen nicht unkommentiert.

Köln – Kurt Braun hatte keine Chance. „Seine Verletzungen waren nicht überlebbar, auch nicht bei sofortiger Maximalversorgung in der Notaufnahme eines Krankenhauses“, sagt Thomas Kamphausen, Rechtsmediziner aus Köln. Er hatte den Leichnam des städtischen Mitarbeiters noch am Tattag obduziert, nachdem Kurt Braun in Dünnwald von dem offensichtlich psychisch kranken Clemens K. erstochen worden war.

Auch die Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes, die ein halbes Jahr zuvor mit Clemens K. in ähnlicher Weise aneinander geriet, hat offensichtlich nur ihrer Geistesgegenwart ihr Leben zu verdanken. Die Frau hatte reflexartig ihre Arbeitsmappe vor den Kopf gehalten, als Clemens K. mit einem Schraubendreher auf sie einstach. „Stiche mit Werkzeugen dieser Art sind grundsätzlich lebensbedrohlich und können tödliche Verletzungen verursachen“, führte Kamphausen auf Nachfrage des Gerichts aus.

Es ist der sechste Verhandlungstag im Prozess gegen Clemens K., der sich seinem Prinzip treu bleibt, auf Nebenkriegsschauplätze auszuweichen und Fragen stellt, die seine irrationale Denkweise offenbaren. Als Kamphausen das chemisch-toxikologische Gutachten erwähnt, das er nach der Obduktion des Toten analysierte, hatte er sedierende Substanzen im Blut festgestellt, die eindeutig auf die Notfallmedikation im Rettungswagen zurückzuführen sind. Als Todesursache gab der Rechtsmediziner „Herzversagen durch inneres und äußeres Verbluten an“.

Hier lesen Sie mehr: Kurt Braun – Klinik entließ Angeklagten Clemens K. als „nicht mehr behandlungsfähig“

„Konnte der Herzstillstand nicht auch durch die verabreichten Beruhigungsmittel ausgelöst worden sein?“, fragt K. und die Antwort lautet „nein“. Als Kamphausen davon spricht, dass sich der Täter bei den wuchtigen Stichen ebenfalls am Finger verletzt hatte und dies mit dem Tatgeschehen in Einklang zu bringen ist, widerspricht K.: Er habe sich am Vortag beim Gemüseschneiden mit dem Messer verletzt, das könne nicht sein. „Dafür war ihre Wunde zu frisch“, entgegnet der Rechtsmediziner.

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Kamphausen erinnert den polizeilichen Anruf am Tattag, als er gebeten wurde, eine Eil-Obduktion durchzuführen, obwohl noch gar nicht klar war, wie die Leiche den Weg in die Rechtsmedizin finden würde: „Da war so viel Blut im Rettungswagen, die wussten nicht, wie sie den Transport bewerkstelligen sollten.“ Die Feuerwehr hatte schließlich Abhilfe schaffen können, mit einem Schlauch den kompletten Wagen abgespritzt.

Kamphausen hatte an der Leiche zwei Stichverletzungen dokumentiert. Der erste Stich war tödlich, ging durch die dritte Rippe direkt mitten ins Herz. Der zweite Stich war potenziell lebensgefährlich und traf das Schulterblatt. „Der Knochen war komplett durchstochen. Beide Stiche wurden mit großer kinetischer Energie ausgeführt“, sagte der Arzt. Hinweise für ein „dynamisches Kampfgeschehen“ seien „in keiner Weise erkennbar gewesen“. Clemens K. hatte stets behauptet, in Notwehr gehandelt zu haben, weil Kurt Braun mit drohenden Boxbewegungen bei ihm vor der Tür gestanden habe. Als der Rechtsmediziner immer wieder von der enormen Wucht der Stiche referiert, bittet K. ums Wort: „Wie kann das denn sein? Ich habe doch gar nicht so viel Kraft, habe eher leger zugestochen.“ Völlig mitleidlos, distanziert und unbeteiligt wirkt er dabei.

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Aus den Akten ist ersichtlich, dass Clemens K. schon vor Jahren durch Gewalttätigkeiten auffiel. Sein ehemaliger Betreuer hatte 2003 um seine Entlassung aus dem Betreuungsverhältnis gebeten, weil er drei Jahre vergeblich Kontakt zu K. versucht hatte herzustellen. Als es ihm schließlich gelang, habe K. ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen und Steine nach ihm geworfen. „Er ist unberechenbar und ein Risiko. Er ist betreuungsunfähig, eine Zusammenarbeit nicht möglich“, schrieb der Sozialarbeiter ans Betreuungsgericht und informierte auch die Polizei und das Gesundheitsamt. Daraufhin wurde ein Nachfolger als Betreuer eingesetzt.

Es ist offensichtlich, dass Clemens K. es nur dem Zufall zu verdanken hat, dass bei seinen Angriffen 2019 vor seiner Haustür und in der Klinik niemand zu Tode kam. In der Klinik hatte er „nur“ mit einem stumpfen Messer zugestochen, ein Augenzeuge der Tat sprach von „Todesängsten um die angegriffene Kollegin“. Warum die Ärzte in Merheim keine Fremdgefährdung annahmen und ihn trotz der schweren Vorfälle wieder in Freiheit entließen, darauf wird es im Gerichtssaal keine Antwort geben. Die Ärzte können nicht im Zeugenstand vernommen werden, weil Clemens K. sie nicht von der Schweigepflicht entbinden will.

Der psychiatrische Gutachter, der K. schon seit Jahren kennt, wird am kommenden Freitag gehört werden. Ebenso die psychiatrische Sachverständige, die in einem vorläufigen Gutachten zu der Überzeugung gelangt ist, dass Clemens K. aufgrund seines Geisteszustandes schuldunfähig ist.