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Lehre statt Uni„Kölner Handwerkschefs lecken sich die Finger nach Studienabbrechern“

Lesezeit 6 Minuten

Daniel Schneider macht seine Ausbildung als Anlagentechniker.

  1. Daniel Schneider hat sowohl das Studium der Philosophie, als auch der Informatik abgebrochen.
  2. Um herauszufinden, was er wirklich will, nahm er sich eine Auszeit in einem buddhistischen Kloster in England.
  3. Was ihn dann dazu bewegt hat, eine Ausbildung als Anlagentechniker zu beginnen und warum er damit bis heute glücklich ist.

Daniel Schneider hat einige Umwege gemacht, bevor er den Weg ins Handwerk gefunden hat. Man trifft den 29-Jährigen auf einer Baustelle an der Ehrenfelder Stuppstraße, wo die Firma Hagelücken, bei der Schneider eine Ausbildung macht, eine Gastherme austauscht und die Leitungen wartet. Schneider kontrolliert die Messgeräte und wirkt, als habe er noch nie etwas anderes gemacht. Dabei war sein Weg ins Handwerk keineswegs vorgezeichnet.

Schon als Junge hatte sich Schneider für Philosophie interessiert, las Klassiker der westlichen Geisteslehre und später auch buddhistische Bücher. Kein Wunder also, dass er sich nach dem Abitur und einem Sprachaufenthalt in Australien für das Fach Philosophie an der Universität Köln einschrieb.

Studium von der Stange

2012 war das, und es entpuppte sich schnell als Fehler. In der Massenuniversität fühlte er sich nicht gut aufgehoben, die Betreuung war nicht so, wie es sich Schneider vorgestellt hatte.

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Also überlegte er neu – und erinnerte sich daran, dass er sich als Jugendlicher immer schon gerne mit Computern beschäftigt hatte. Warum also nicht Informatik studieren? Im Rahmen einer Exkursion hatte er den Fachbereich an der Universität Koblenz-Landau kennengelernt. Es gab keinen Numerus clausus, Schneider konnte sich einfach anmelden.

Doch auch hier fühlte er sich nicht angekommen: „Es war ein Studium von der Stange“, sagt er. Der Unterricht war ihm zu theoretisch, die Kommilitonen bewiesen zu viel Ellenbogenmentalität.

„Es wurde dort das Einzelkämpfertum gefördert. Wenn ich anderen geholfen habe, kam eigentlich nie etwas zurück.“ Zudem plagten Schneider Zweifel, welche Perspektiven er mit dem Studium später habe. Vier Semester hielt er durch, dann brach er das Studium ab.

Was will ich wirklich?

Schneider brauchte eine Auszeit, ging nach Großbritannien, in die Nähe von Petersfield im Westen Englands. Dort kehrte er in ein buddhistisches Kloster ein, das aus einem Haupthaus und vielen kleinen Hütten bestand, die sich in einem Wald befanden.

„Die Konsumgesellschaft hat mich überfordert“, sagt er. Die Ruhe in den Waldhäusern fand er befreiend. Es war eine Chance, zur Ruhe zu kommen, zu sich selbst zu gelangen, den eigenen Lebensweg zu überdenken.

Das Leben im Kloster war von Askese geprägt. Besitz gab es nicht, das Essen spendeten die Einwohner aus der Umgebung. „Alles war sehr schlicht. Ich wusste nicht, was ich am nächsten Tag essen würde und ob ich am nächsten Tag essen würde“, sagt Schneider.

„Das Leben dort war auch eine Art Selbsttest für mich, um herauszubekommen, wie ich mit Entbehrungen umgehen kann.“ Damals litt er unter einer „Plan- und Perspektivlosigkeit“, wie er sagt. Trotz seinem Abitur und der vielen Möglichkeiten, die ihm eine Großstadt wie Köln bieten konnte. „Ich fand nichts, was sinnstiftend war.“

Autarkes Klosterleben

Auch das Handwerk hat Schneider im Kloster kennengelernt. Das Kloster war in vielen Bereichen autark. Es gab Solarzellen auf Dächern, um Strom zu erzeugen, Holz wurde im eigenen Forst geschlagen, um damit kleine Öfen zu heizen. Schneider lernte in einer Werkstatt zu arbeiten. Lernte, wie man Treppen ausbessert und wie man Holz bearbeitet.

Aber auch das Leben im Kloster hatte nach einer gewissen Zeit seine Tücken. Nach vier Jahren empfand Schneider das Leben dort als beengend, litt unter den vielen Hierarchien, unter den Seilschaften, die auch hier dominierten.

Den buddhistischen Unterricht erlebte er als formal, die Lehrer als wenig kompetent – weit von den ursprünglichen Lehren Buddhas weg. „Buddha habe ich dort nicht gesehen“, sagt Schneider. „Es wurde steril und spiegelte das Leben draußen wie in einer Petrischale.“ Zudem habe das Kloster viele extreme Menschen angezogen. „Am Ende befand ich mich dort in einer Sackgasse.“

Im Sommer 2019 kehrte Schneider nach Deutschland zurück. Hier traf er auf einen Zimmermann auf der Walz, mit dem er einige Tage zusammenarbeitete und der bei Schneider das Interesse am Handwerk, das schon im Kloster entfacht worden war, verstärkte. Er absolvierte beim Verein Zug um Zug ein Bewerbungstraining und schrieb Firmen an.

"Das Handwerk hat ein Imageproblem"

Heute macht er im Unternehmen Hambücken seine Ausbildung zum Anlagentechniker, eine Mischung aus Klempner und Heizungstechniker – und ist zufrieden. „Wenn ich ein Waschbecken eingebaut habe, sehe ich sofort, was ich gemacht habe.“ Drei Jahre dauert die Ausbildung, ein Teil wurde ihm aufgrund seines Studiums erlassen.

Cologne Fail Days

Nach einer Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (2017) liegt die Abbruchquote bei Bachelor-Studenten bei 29 Prozent. Während an Unis 32 Prozent der Studenten aufgeben, sind es an Fachhochschulen 27 Prozent. Knapp die Hälfte aller Abbrecher verlassen in den ersten beiden Semestern den Campus, weitere 29 Prozent folgen im dritten oder vierten Semester. Hauptgründe für den Abbruch seien Überforderung (30 Prozent), mangelnde Motivation (17 Prozent) und zu viel Theorie (15 Prozent). Hinzu kommen finanzielle Probleme und die schwierige Vereinbarkeit von Nebenjob und Studium.

Beratungen gibt es bei der „Umsteigen-Karriereberatung“ der Handwerkskammer zu Köln. Infos im Internet. Das Kölner Studierendenwerk bietet ab dem 5. November jeden Dienstag von 12 bis 14 Uhr das offene soziale Kurzberatungsangebot (Osaka) in der Mensa Zülpicher Straße 70 an.

Damit Studienabbrecher besser über Alternativen zum Studium Bescheid wissen, richten die Handwerkskammer zu Köln und andere die Themenwoche „Cologne Fail Days 2019“ aus, die vom 7. bis zum 14. November stattfindet. Im Rahmen der Woche haben Studienzweifler die Möglichkeit, am 8. und 12. November verschiedene Unternehmen kennenzulernen. Bereits am 7. November, ab 19 Uhr berichten ehemalige Studenten von ihren Erfahrungen an der Hochschule. Am 13. November stehen von 12 bis 15 Uhr Studenten zahlreiche Berater in TH Köln, Campus Deutz, Rede und Antwort zu Problemen im Studium und Alternativen zum Studium. Die Woche klingt mit einer Party im Club Bahnhof Ehrenfeld am 14. November in der Zeit von 17 bis 22 Uhr aus. Unter anderem gibt es einen Poetry Slam mit Florian Cieslik und Juston Buße zum Thema „Scheitern und wieder aufstehen“. (ris)

www.cologne-faildays.de

www.umsteigen-karriereberatung.de

www.kstw.de

„Das Handwerk hat ein Imageproblem“, sagt Schneider. Völlig zu unrecht, denn es sei vielfältig und biete eine Auswahl aus 200 verschiedenen Berufen an. „Fachkräfte werden händeringend gesucht und jeder Handwerkschef leckt sich die Finger nach Abiturienten oder Studienabbrechern, die etwas handwerkliches Geschick mitbringen.“

Die Perspektiven seien hervorragend: Denn wer seine Ausbildung absolviere, könne später einen Meister machen, einen Betrieb gründen oder auch studieren. Schneider sagte, er habe einen Freund, der als Netzwerk-Administrator arbeite, 5000 Euro verdiene und „es würde mich nicht wundern, wenn er bald ein Haus baut“.

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Studenten, die mit dem Gedanken spielen, ihr Studium abzubrechen, gibt Schneider einen Tipp: „Man muss sich klar machen, dass ein Studienabbruch kein Fehler ist und man sich nicht als Versager fühlen muss.“

Vielmehr sei das Studium ein Teil der persönlichen Lebensgeschichte. Andererseits müsse man sich auch eingestehen, dass man Hilfe benötige und diese Hilfen suchen und in Anspruch nehmen.

Daniel Schneider wird bei der Cologne Fail Night am Donnerstag, 14. November, seine Geschichte vom Studium in das Handwerk erzählen.