Köln gehört zu den teuersten Städten für Studenten. 445 Euro zahlen Hochschüler im Durchschnitt für ein WG-Zimmer.
Studenten beklagen, dass Vermieter die Notlage ausnutzen. Auch Plätze in Wohnheimen fehlen.
Für die, die kein Zimmer finden, ist der letzte Ausweg die Notschlafstelle des Asta, um nicht obdachlos zu werden. Sie wird immer häufiger genutzt wird. Ein Besuch.
Köln – Um ins Herz der studentischen Wohnungsnot in Köln zu gelangen, muss man ein paar Türen öffnen und dann eine Treppe hinabsteigen. Zehn Gehminuten von der Kölner Universität entfernt hat der Asta der Hochschule eine Notschlafstelle in einem Haus im Keller eingerichtet. 53.00 in Wise eingeschirbeen. 5800 neue Studierende.
Helferin Janine Schröder flitzt gegen 20.30 Uhr durch den durchaus geräumigen Saal, der Platz für zwei Dutzend Studenten bietet, rückt noch ein paar aufblasbare Matratzen zurecht und drapiert hier und da Decken. Wenig Komfort für einen Start ins Studium, aber die Studenten, die hier hinkommen, haben keine Ansprüche. Ohne die Notschlafstelle wären sie wohl obdachlos.
Daan Gerlach (22), Aina Ramis (21) und Ramiro Cejas Colombo (21) sind drei der jungen Leute, die zum Semesterstart keine Wohnung gefunden haben und daher auf die Notschlafstelle angewiesen sind. Die Laune der drei Erasmus-Studenten ist erstaunlich gut, sie unterhalten sich angeregt bei einer Pizza in einem nahe gelegenem Café, bevor sie mit Rucksack und Koffer in die Notschlafstelle ziehen. Erasmus ist eben auch ein bisschen Abenteuer. Hoffnung auf eine Wohnung haben sie derzeit kaum. „Die Mieten sind einfach zu hoch“, sagt Gerlach.
Der Niederländer, der in Spanien studiert, ist für ein Jahr an die Uni Köln gekommen und hat sich für Psychologie eingeschrieben. In seiner Studienstadt Granada könne man ein Apartment für 200 Euro mieten, in Köln geht unter 400 Euro fast nichts. Zahlreiche E-Mails hat er geschrieben, ohne Erfolg.
„Meine Eltern unterstützen mich zwar, aber mehr als 300 Euro kann ich nicht bezahlen.“ Unverständlich für ihn: In Spanien sei es üblich, dass die Universitäten Studenten Zimmer in Campusnähe zur Verfügung stellten. In Köln seien sie auf sich allein gestellt.
Asta-Helferin Janine Schröder kennt solche Geschichten. Vor zwei Jahren kam sie selbst vom Niederrhein nach Köln, um hier zu studieren – und hat ebenfalls in der Notschlafstelle ihr erstes Heim gefunden. Einige Wochen lang lebte sie in der provisorischen Unterkunft, danach hat sie noch zweieinhalb Monate bei einer Kommilitonin auf dem Sofa geschlafen, bevor sie ein Apartment vom Kölner Studierendenwerk erhielt. Hundert Mails hatte Schröder bis dahin an private Vermieter geschrieben. „Die meisten haben nicht mal geantwortet.“
Wie groß die Wohnungsnot unter Kölner Studenten ist, lässt sich auch an der Statistik des Asta ablesen: Als die Notschlafstelle 2013 eingerichtet wurde, hatten sich gerade einmal zehn Studenten um einen Platz beworben, in diesem Jahr waren es 50. Ein Blick in den Mietpreisspiegel genügt, um die Misere nachzuvollziehen. Liegt der Preis für Kölner Wohnungen bei elf Euro Kaltmiete, so werden für kleine WG-Zimmer fast durchgehend 20 bis 25 Euro verlangt.
Mit Ausreißern nach oben: Vermieter in Lövenich bieten 25 Quadratmeter für 670 Euro, in Braunsfeld (20 Quadratmeter) für 675 Euro oder in der Innenstadt (18 Quadratmeter) für 640 Euro an. Rekordverdächtig sind acht Quadratmeter in Buchheim für 420 Euro.
445 Euro für ein WG-Zimmer
Einer neuen Studie des Berliner Moses-Mendelssohn-Instituts zufolge ist Köln eine der teuersten Studentenstädte, was die Mieten angeht. 445 Euro zahlen Hochschüler durchschnittlich für ein WG-Zimmer – Platz sechs im nationalen Ranking. Nur in Hamburg, München, Stuttgart, Frankfurt und Berlin sind Zimmer teurer.
Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt eine neue Studie vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und dem Finanzberatung MLP. Danach zahlen Kölner Studenten für ein 30 Quadratmeter großes Zimmer durchschnittlich 459 Euro – ein Drittel mehr als im Jahr 2010, als es noch 353 Euro waren. „Der Druck auf den Wohnungsmarkt ist groß“, sagt IW-Immobilien-Experte Michael Voigtländer.
In Köln seien seit 2010 nur 46 Prozent der benötigten Wohnungen errichtet worden. Die Zahl der Studenten sei im gleichen Zeitraum aber um 30.000 auf knapp 100.000 gestiegen. Selbst Studenten in Wohngemeinschaften werden unter diesen Bedingungen wählerischer, was die Auswahl neuer Mitbewohner angeht.
„Vermieter nutzen die Not aus“
Mara Woltermann (20) war bislang zu sieben WG-Castings in Köln eingeladen. Bis zu 35 Konkurrenten hatte sie um ein Zimmer. „Es kommt daher gut an, wenn man einen Kasten Bier zum Gespräch mitbringt“, sagt die Studentin der Sozialwissenschaften. „Oder man verspricht, eine Waschmaschine mitzubringen, wenn man einziehen will.“
„Viele Vermieter nutzen die Wohnungsnot aus“, meint Adriana Lieberth (18). Sie studiert im ersten Semester Gesundheitsökonomie und hat aus dem angespannten Wohnungsmarkt ihre Konsequenz gezogen. In den kommenden Monaten wird sie zu Hause in Neuss bleiben und nach Köln pendeln. Drei Stunden jeden Tag, hin und zurück. Wenn Bus und Bahn pünktlich sind. Im kommenden Semester will sie sich einen Nebenjob suchen, um für ein Zimmer in Köln zu arbeiten.
Yinghui Yu (22) kam aus der zentralchinesischen Zwei-Millionen-Metropole Luoyang an die Uni Köln und lernt für den Studiengang Medizin. Seit einem Jahr schläft sie bei einer Freundin in Aachen auf der Couch. Letzte Woche führte sie an einem Tag 20 Telefongespräche, um an eine Wohnung zu kommen.
Vergeblich. „Internationale Studenten haben es besonders schwer“, sagt sie. Wer aus einem Nicht-EU-Land kommt, darf nicht regelmäßig arbeiten und kann in der Regel keine Bürgschaft der Eltern vorweisen. „Die Vermieter trauen uns nicht.“
10.000 Anfragen pro Jahr
Wer Glück hat, findet ein Zimmer in einem Wohnheim des Kölner Studierendenwerks: Dort liegt er durchschnittliche Mietpreis bei 252 Euro. 5000 Wohnungen hat das Werk im Bestand, 3000 von ihnen werden jährlich frei. „Wir erhalten aber 10.000 Anfragen pro Jahr“, sagt Sprecher Klaus Wilsberg.
Planungen und Genehmigungsverfahren müssten beschleunigt werden, das Land müsse Geld zur Verfügung stellen: Der Sanierungsstau allein in den90 Kölner Wohnheimen liege bei 87 Millionen Euro.
Es gibt natürlich auch die vielen Studenten, die nach zäher Suche Erfolg haben und ein Zimmer finden. Jasmin Kähm (19) ist eine von ihnen. Sie war nach einem Jahr als Au-pair in den USA aus dem baden-württembergischen Pforzheim nach Köln gezogen, um Englisch und Biologin auf Lehramt zu studieren.
Als wir sie zum ersten Mal in der Mensa treffen, ist Kähm noch auf Wohnungssuche und erzählt, dass sie mit einer Freundin eine WG gründen wolle. Es kam anders. Viele Tage schlief sie auf der Couch der Freundin. Dann kam die erlösende Nachricht: Kähm hat ein Zimmer in Kalk gefunden. 320 Euro plus Nebenkosten – fast ein Schnäppchen in Köln.