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„Alle 27 Sekunden erkrankt ein Mensch“Kölner rettet Leukämie-Patienten das Leben

Lesezeit 4 Minuten
Heß

Florian Heß bei seiner Stammzellenspende

Köln-Müngersdorf – Vier glückliche Monate. Das ist besser als nichts. So sieht es Ignacia Pattillo Garnham aus Chile im Nachhinein. Im Jahr 2016 erkrankte ihr dreijähriger Sohn an einem aggressiven Gehirntumor. Die Chemotherapie verursachte eine schwere Wirbelsäulendisplasie, also eine Erkrankung des Knochenmarks, die dazu führt, dass sich die Anzahl der Blutkörperchen drastisch verringert. Er brauchte eine Stammzelltransplantation – und zwar innerhalb von 15 Tagen.

DKMS fand passenden Spender

Die verzweifelte Mutter hielt zunächst nicht für möglich, was dann geschah: Die DKMS fand ausreichend schnell einen Spender. Ihr Sohn wurde behandelt, konnte bald wieder sitzen, essen und sogar spielen – bis der Hirntumor wieder zurückkam und er verstarb. Doch für die Zeit, die ihm und seiner Familie durch die Transplantation geschenkt wurde, ist Pattillo Garnham so dankbar, dass sie sich seitdem selbst bei der DKMS engagiert. Das erzählt sie bei einer Feier im Kölner Sitz der Organisation an der Aachener Straße 1042. Denn die DKMS hat einen Erfolg zu vermelden: Sie hat mittlerweile 100.000 Stammzellspenden weltweit vermittelt und damit sehr vielen Menschen das Leben gerettet.

Alle 27 Sekunden erkrankt ein Mensch an Leukämie

Wie wichtig der Kampf gegen den Blutkrebs ist, erläutert Elke Neujahr, Vorsitzende der Geschäftsführung und Global Chief Executive Officer der DKMS-Gruppe, die außer in Deutschland in den USA, Polen, Großbritannien, Chile und Südafrika aktiv ist sowie in einem Joint-Venture mit Indien: „Alle 27 Sekunden erkrankt weltweit ein Mensch daran“, schildert Neujahr, „eine Millionen Menschen jährlich.“ Noch fänden vier von zehn Erkrankten keinen passenden Spender, doch die Chancen haben sich deutlich erhöht. Heute sind bei der DKMS 11 Millionen Spender registriert. In Köln allein 120 700 Personen.

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Moderator Amiaz Habtu, Lars Penke, Elke Neujahr, Ignacia Pattillo Garnham und ein weiterer Gast (v.l.) bei der DKMS in Müngersdorf

Der 25-jährige Kölner Florian Heß ist einer von ihnen. Schon sein Job bei der Berufsfeuerwehr erfordert, sich darüber Gedanken zu machen, wie man Menschenleben rettet. 2019 ließ er sich bei der DKMS typisieren und registrieren. Bei der Typisierung werden bestimmt, welche Merkmale die „Humanen Leukozyten-Antigene“ (HLA) auf den weißen Blutkörperchen der jeweiligen Person aufweisen. Sie müssen möglichst perfekt passen, damit ein Mensch als Spender für einen anderen in Frage kommt. Ein Jahr später war das bei Heß der Fall. Die Spende erwies sich als unspektakulärer als der Begriff „Stammzelle“ nahelegt: „Ich bekam einen Zugang zu einer Ader in einen Arm gelegt, von wo das Blut abfloss“, schildert Heß. „In einer Zentrifuge wurden die Stammzellen herausgefiltert und dann wurde das Blut über eine andere Kanüle wieder in meinen Körper geleitet. Nach vier Stunden war ich wieder durch die Tür.“

Empfänger aus Kroatien ist genesen

Der Mann, der seine Zellen erhielt, ist mittlerweile wieder gesund. Er ist zwischen 20 und 40 Jahre alt und kommt aus Kroatien. Mehr darf Heß erst nach einer Sperrzeit von fünf Jahren erfahren. Dann möchte er ihn gerne treffen. „Ich möchte wissen, wie er aussieht und was er für ein Mensch ist“, so Heß. Er ist das lebende Beispiel für Heß, dass sein kleiner Aderlass eine große Wirkung hat.

So hat es auch Lars Penke am eigenen Körper erlebt. Während seines Studiums litt er an zwei schweren Autoimmunerkrankungen. Die Therapie, die sein Immunsystem unterdrückte, erleichterte den Krebszellen, ihre zerstörerische Wirkung zu entfalten. 2018 bekam Penke Fieber, hatte Gelenkschmerzen, nachts Schweißausbrüche. Eine Untersuchung brachte die Diagnose: Blutkrebs – in einer seltenen Form. „Das war ein Schock“, erinnert sich der 26-Jährige. „Die Welt stand still. Wenn wir von Krebs reden, reden wir ja auch immer vom Tod.“

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Seine Überlebenschance für die kommenden fünf Jahre lag bei fünf Prozent. Doch der junge Mann blieb optimistisch: „Ich gehöre dazu“, beschloss er. „Vielleicht war es auch eine gesunde Naivität“, sagt er heute. Sie versorgte ihn mit der nötigen Energie, um mit seinen Freunden Unterstützer in seinem Heimatort Isselhorst in Ostwestfalen zusammenzutrommeln. 1200 Menschen ließen sich typisieren – und Penke fand einen Spender. Drei Jahre ist die Transplantation nun her. Ein Nebeneffekt seiner Selbstrettungsaktion: Bei der Typisierung wurden weitere sechs Spender ausgemacht. Elke Neujahr weiß, wie wichtig solche Aktionen sind: „Je mehr Menschen sich typisieren und registrieren lassen, desto mehr könnten gerettet werden.“ Bis 2030 hat sie ein großes Ziel: Dann sollen 200.000 Menschen ein zweites Leben geschenkt bekommen haben.