Veedels-Check BraunsfeldZwischen Villen und Wald vibriert’s
Braunsfeld – Hält man im Jahr 2018 zusammen in den Veedeln? Gibt es sie noch, die typisch kölschen Veedel? Mehr als 30.000 Kölner haben sich an unserer nicht repräsentativen Umfrage beteiligt und Noten für Ihre Stadtteile verteilt. Alle 14 Tage veröffentlichen wir die Ergebnisse von fünf weiteren Veedeln.
Braunsfeld – das Porträt
In Braunsfeld lohnt es sich, genau hinzuschauen. Und das gilt nicht nur, wenn man als Fußgänger auf der Aachener Straße unterwegs ist. Wer nicht aufpasst, riskiert, von einem Rennradfahrer auf dem Weg Richtung Sporthochschule mitgenommen zu werden. Dabei ist Braunsfeld kein Veedel zum Durchrauschen – und doch tun es jeden Tag tausende Pendler. Die Aachener Straße ist die Lebensader des Veedels. Selbst abseits des Berufsverkehrs geht es hier meist nur im Schritttempo voran. Fußgänger, die die vier Fahrstreifen samt Bahngleisen überqueren möchten, brauchen meist zwei Ampelphasen, um die andere Straßenseite zu erreichen – und Autofahrer viel Geduld.
Die Aachener Straße prägt das Veedel, doch sie ist nicht alles. Die Ruhe, die sich manch einer im Trubel wünschen mag, ist nur wenige Häuserblöcke entfernt. Etwa auf dem Pauliplatz. Der etwas versteckte Panbrunnen im Schatten der aufwendig renovierten Stadthäuser wirkt fast schon idyllisch. Wer richtig abschalten möchte, macht sich auf in Richtung Stadtwald. Streng genommen gehört zwar nur ein kleiner Teil des Waldes tatsächlich zu Braunsfeld, für viele Anwohner im Veedel ist er jedoch ein gern genutzter Ort zum Spielen, Joggen und Spazierengehen.
Wochenmarkt als echtes Ausflugsziel
Samstagsvormittags verwandeln die Händler des Wochenmarktes den Stadtwald im Bereich der Kitschburger Straße seit gut einem Jahr zum neuen Treffpunkt des Veedels. Was eigentlich nur als Übergangslösung für die Zeit der Umbauarbeiten auf dem bisherigen Marktgelände an der Clarenbach Kirche gedacht war, sehen viele inzwischen als neuen Anziehungspunkt. „In manchen Internetforen für Touristen gilt unser Wochenmarkt inzwischen sogar schon als echtes Ausflugsziel, die Leute verweilen hier, das ist toll“, freut sich Obsthändler und Marktmeister Matthias Krings. Von ursprünglich knapp 15 Ständen ist der Markt inzwischen auf 25 gewachsen, und die Entwicklung scheint weiterzugehen. „Wir haben ständig neue Anfragen, aber es gibt ja auch noch Potenzial, theoretisch könnten wir bis zum Wildpark wachsen“, so Krings. Er wünscht sich, dass der Standort von der Übergangs- zur Dauerlösung wird.
Der Blick auf das Treiben zwischen den Wochenmarktständen zeigt eine weitere Entwicklung in Braunsfeld: Väter und Mütter schieben ihre Kinderwagen über die Waldwege, und der Nachwuchs spielt unter den Bäumen. Braunsfeld ist in den vergangenen Jahren nicht nur gewachsen, sondern auch jünger geworden. Von knapp 10.900 Einwohnern im Jahr 2000 ist das Veedel auf gut 12.000 Menschen Ende 2017 gewachsen. Das neue Wohnareal auf dem Gelände der früheren Sidol-Fabrik an der Eupener Straße hat viele junge Familien angelockt. Und es werden weitere kommen.
Modernes Wohnquartier statt Schmuddelecke
Am Braunsfelder Markt etwa entstehen in einem einmaligen Bauprojekt derzeit knapp 70 Wohnungen direkt über den Bahngleisen. Aus der früheren Schmuddelecke, wo einst ein Bahnhof war und heute noch ein altes Schrankenwärterhäuschen steht, soll ein modernes Wohnquartier werden. Das Besondere: Die täglich etwa 20 Güterzüge, die über die Aachener Straße rollen und den Verkehr jedes Mal für einige Minuten komplett zum Erliegen bringen, sollen in Zukunft durch das Wohnhaus rollen. Die Bahnstrecke ist ein eindrucksvolles Zeichen für die Ausdehnung der Stadt. Als die sogenannte „Klüttenbahn“ Ende des 19. Jahrhunderts ihren Betrieb aufnahm, führte die Strecke weitgehend durch freies Feld.
Heute liegt sie im Zentrum des Veedels. Braunsfeld wächst nicht nur in Sachen Wohnraum, auch wirtschaftlich hat sich einiges getan. Im Technologiepark sind mehr als 300 Unternehmen zu Hause, sie beschäftigen rund 6.000 Menschen. Zwischen dem offensichtlichen Wachstum gibt es viele Ecken, in denen sich ein zweiter und dritter Blick lohnt. Und auch der reicht manchmal nicht aus, um das Besondere zu entdecken. Da wäre etwa das kleine Büdchen in der Hültzstraße/Ecke Aachener Straße.
Wo sich früher einmal Kunden durch das Verkaufsfenster mit Zeitungen und Zigaretten und später auch mit Kaffee eindeckten, hat sich Sabine Maier ihren Traum vom Kunstkiosk erfüllt. „Die Ecke hier ist genial, viele Leute, die zum Arzt oder in den Stadtwald gehen, kommen vorbei und halten an“, sagt die 53-Jährige. Immer montags und freitags fährt sie von ihrer eigentlichen Arbeitsstelle nach Braunsfeld. Wenn sie die Rollos öffnet, wird sie von der Bankangestellten zu „Tante Sabine“ und verkauft all das, was ihr auch selber gut gefällt: Ketten, Ohrringe und Schals – manches hat sie selbst gemacht, anderes dazugekauft.
Ein weiterer dieser Orte, an denen der eilige Pendler achtlos vorbeirauscht, ist die Werkstatt von Daniel Kress. In dem ehemaligen Wohnhaus direkt an der Aachener Straße brennt oft auch spät abends noch Licht und wer genau hinschaut, kann durch die Fensterscheiben erahnen, welche Schätze sich hier verbergen. In der 180 Quadratmeter großen Wohnung eines ehemaligen Profi-Cellisten hat sich Geigenbauer Kress seine Werkstatt eingerichtet.
Im kreativen Chaos zwischen einem alten Apothekerschrank und den Möbeln aus dem Herrenzimmer seines Großvaters reparieren Kress und seine Mitarbeiter die Instrumente großer Musiker. Die Bassisten von Udo Jürgens, BAP und Kasalla standen schon in der Wohnung. Auch Mitglieder des russischen Barockorchesters und der Berliner Philharmoniker setzen auf die Handwerkskunst des Braunsfelders. Angst vor großen Namen hat er nicht. „Als der Bassist von Kasalla in der Tür stand, habe ich gedacht »Okay, er hat einen Kontrabass, und der ist kaputt, also repariere ich ihn«, sagt der 42-Jährige pragmatisch. Aus dem Stolz auf seine Werkstatt macht er aber keinen Hehl: „Es ist doch irgendwie cool, der Geigenbauer im Veedel zu sein.“
Es sind diese kleinen Ecken wie die versteckte Werkstatt des Geigenbauers, das zunächst unscheinbare Kunstbüdchen oder die immer noch zahlreichen Fachgeschäfte an der Aachener Straße, die das Veedel für viele Braunsfelder so lebenswert machen. Wer auf dem Weg zum 1. FC Köln oder zur Arbeit einfach nur durchdüst, hat dafür keinen Blick. Dass es sich oft lohnt, in Braunsfeld genauer hinzuschauen, merkt nur, wer sich die Zeit dafür nimmt.
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Veedelsgeschichte
Seinen Namen verdankt Braunsfeld dem Ziegelfabrikanten und Fuhrunternehmer Ferdinand Leopold Braun (1804-1892). 1862 eröffnete er eine Ziegelei, um das schnell wachsende Köln mit Baumaterial zu versorgen. Schon im Jahr 1864 beantragte er beim Bürgermeister, dass das Gebiet seinen Namen trägt – es war die Geburtsstunde von „Brauns Feld“. Im Jahr 1888 schließlich wurde Braunsfeld im Zuge der Kölner Stadterweiterung eingemeindet. Schon vom Jahr 1900 an erwies sich die Aachener Straße als wichtige Verkehrsader. Das erkannten auch viele Geschäftsleute, die sich hier ansiedelten. Doch die Straße erlebte auch andere Zeiten: Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs diente sie als wichtige Strecke für Truppentransporte. Durch die Eröffnung des Stadtwalds 1898 entdeckten zunehmend wohlhabende Kölner den Reiz der Gegend, und es entstanden die noch heute erhaltenen Villen. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Braunsfeld durch mehrere Luftangriffe stark zerstört, im Zuge des Wiederaufbaus ab 1948 entwickelte sich Braunsfeld wieder zu einem attraktiven Wohn- und Industriegebiet mit dem Technologie Park als neuem wirtschaftlichen Zentrum.
Baustellen im Veedel
Eines der größten Probleme in Braunsfeld ist zugleich das charakteristischste Merkmal des Veedels: der Verkehr auf der Aachener Straße. „Es gibt kein Konzept für die Verkehrsplanung“, kritisiert Henning Sonnemann von der Interessengemeinschaft (IG) Braunsfelder Bürger.
Der dichte Verkehr im Veedel bringt ein weiteres Problem mit sich: Wer in Brauns-feld einen Parkplatz sucht, braucht Zeit, gute Nerven und reichlich Glück. „Hier fallen immer mehr Parkmöglichkeiten weg, und man hat das Gefühl, dass das die Politik überhaupt nicht interessiert“, sagt Ines Buschmann von der Interessengemeinschaft (IG) Braunsfeld. Die Vereinigung der Geschäftsleute beklagt außerdem, dass immer mehr inhabergeführte Fachgeschäfte schließen müssen und das Veedel so einen Teil seiner Attraktivität verliert. „Als der Metzger dicht gemacht hat, haben wir ein Dreivierteljahr gebraucht, bis es einen Nachfolger gab“, berichtet Buschmann. Im vergangenen Jahr haben die Geschäftsleute in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer die „Faktensammlung Braunsfeld“ erarbeitet. Darin forderten sie unter anderem, die Aachener Straße durch Bänke, Brunnen und Blumenkübel attraktiver zu machen.