Veedels-CheckIn Ossendorf lebten einst stolze Ritter
Köln-Ossendorf – Hält man im Jahr 2018 zusammen in den Veedeln? Gibt es sie noch, die typisch kölschen Veedel? Mehr als 30.000 Kölner haben sich an unserer nicht repräsentativen Umfrage beteiligt und Noten für Ihre Stadtteile verteilt. Alle 14 Tage veröffentlichen wir die Ergebnisse von fünf weiteren Veedeln.
Ossendorf – das Porträt
„Un wer wäsch dem Kind dat Föttche. Un wer spüllt dat Kammerpöttche? Dat deit alles Schnüsse-Tring, doför eß de Madamm ze fing“ – 1862 setzte Komponist Joseph Roesberg einer Ossendorfer Dienstmagd namens Katharina ein musikalisches Denkmal. Als „Schnüsse Tring“ blieb das vorlaute Fräulein – nicht zuletzt wegen der gleichnamigen Karnevalsgesellschaft – bis heute ein Begriff. Die Karnevalisten haben ihrer „Tring“ und dem Komponisten mit einem Brunnen am Joseph-Roesberg-Platz einen dauerhaften Platz im Stadtteil gesichert. Roesbergs Strophen beschreiben eine Frau von herbem Charme. Eine Charakterisierung, die durchaus auch auf den Stadtteil zutrifft.
Der Platz mit dem Brunnen an der Kreuzung von Rochus- und Frohnhofstraße ist aber auch so das Herz des ältesten Veedels von Ossendorf. „Früher war hier mehr Leben“, sagt Passalidis Pantelis. Er betreibt seit 25 Jahren „Julias Grill“ vis à vis des Schnüsse-Tring-Brunnens. Das ist noch vorsichtig formuliert, denn der griechische Imbiss ist fast die letzte verbliebene gastronomische Institution im Umkreis. Einst konnten Kneipenbummler die Runde vom „Haus Bex“ zum „Rochus-Hüsje“, von dort zum „Rochus-Eck“ und weiter bis zum „Ossendorfer Stübchen“ drehen.
Die bodenständige kölsche Bierkneipe ist die letzte ihrer Art im Herzen des Viertels. Auf der Frohnhofstraße fanden bis vor wenigen Jahren Feste statt, wie das familiäre „Brunnenfest“ der KG Schnüsse Tring. Und der Veedelszoch am Karnevalssamstag stellte sich früher hier auf. Für die Wirte eine willkommene Einnahme. Seit ein paar Jahren jedoch haben die Jecken einen anderen Startplatz – nicht gerade zur Freude von Passalidis Pantelis.
„Man kann schon sagen, dass ich inzwischen wohl ein echter Ossendorfer bin“, sagt Passalidis grinsend. Wenn er auf eine Zigarettenlänge vor seinem Laden steht, geht oder fährt kaum jemand vorbei, den er nicht kennt und freundlich grüßt. Im Viertel scherzt man, er habe eine Freundin namens Julia. So heißt der Grill, obwohl es nie eine Betreiberin mit diesem Namen gab. „Der Laden hieß schon immer so, keine Ahnung warum“, erklärt Passalidis. Seine Frau heißt Magdalena.„Noch läuft das Geschäft“, sagt er. Zusammen mit seinem Team kriege er es gut hin, Qualität zum bezahlbaren Preis anzubieten. Das sei wichtig, in diesem Viertel. Es gibt nicht nur Gyros. „Wir haben internationale Küche“, sagt er. Und wer nur auf einen Kaffee in seinen Imbiss kommt, ist auch willkommen. Passalidis ist nicht der Typ, der lange über vergangene, vielleicht bessere Zeiten klagt.
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Dass nur wenige Schritte entfernt ein neues Wohnviertel Formen annimmt, stimmt ihn hoffnungsfroh. Immerhin sollen hier doppelt so viele Wohnungen entstehen wie in den alten Häusern. Eine ganze Siedlung wird zwischen Rochusstraße und Masiusstraße neu gebaut. In mehreren Schritten. Die Gebäude der Genossenschaft „Die Ehrenfelder“ sind aus den 1930er Jahren. Älter sind in Ossendorf nur die noch erhaltenen ehemaligen Gutshöfe.
Der Frohnhof und der Pisdorhof, deren Geschichte bis in das 10. Jahrhundert zurückreicht, waren einst von stolzen Rittern bewohnt. In der Umgebung gab es ausgedehnte Waldgebiete. Im 19. Jahrhundert wurde direkt neben dem Frohn-hof eine Zuckerfabrik gebaut. Fabrikant Emil Pfeifer wohnte nebenan in einer Villa, die nicht mehr existiert.
Seit den 1970er Jahren sind der Frohn-hof und der Pisdorhof zu Werkstätten und Wohnhäusern für Menschen mit Behinderung geworden, zwei Institutionen des Caritasverbandes im Stadtteil. Zeugen einer vergangenen Epoche sind auch die kleinen Arbeiterhäuschen aus dem 19. Jahrhundert, von denen an der Rochus- und an der Frohnhofstraße noch ein paar erhalten sind. Vielleicht hat die Dienstmagd Katharina ja einst in solch einem Häuschen gewohnt.
Nicht sehr hohe Bevölkerungsdichte
„Ossendorf fehlt ein richtiger Mittelpunkt“, sagt auch Bezirkspolitiker Udo Hanselmann. Der Sozialdemokrat ist außerdem im Bürgerverein und beim Karnevalsverein Löstige Fastelovendsfründe engagiert. Den zu schaffen, sei nicht leichter geworden, nachdem zunächst die Siedlung auf dem ehemaligen Kasernengelände entstanden war und nun auch um den ehemaligen Flughafen ein größeres Wohngebiet fertiggestellt sein wird. „Das ist dann alles Ossendorf“, sagt Hanselmann. 6,81 Quadratkilometer groß ist Ossendorf. 10 000 Menschen leben hier.
Die Bevölkerungsdichte ist mit rund 1500 Menschen pro Quadratkilometer nicht sehr hoch. Zum Vergleich: In Ehrenfeld wohnen fast 10 000 Menschen auf einem Quadratkilometer. Die Siedlung Ossendorfpark ist ein reines Wohngebiet. Geschäfte gibt es keine. Sommerfeste, Ferienspielaktionen und ein Weihnachtsmarkt auf dem zentralen Platz, dem König-Baudouin-Platz, sind regelmäßige Gelegenheiten, um die hier lebenden Menschen zusammenzubringen.
Derlei Leben muss sich im jüngsten Teil von Ossendorf – am alten Flughafen Butzweilerhof – noch entwickeln. Seit Beginn der 2000er Jahre, nachdem die deutschen und belgischen Militärstützpunkte aufgegeben wurden, sind mehrere Wohnanlagen entstanden. Unter anderem eine Siedlung mit 99 Einfamilienhäusern, architektonisch an die Gestalt der alten Flughafengebäude angelehnt. „Es fehlt eine Anlaufstelle wie das Familienhaus im Ossendorfpark“, sagt Bezirksbürgermeister Josef Wirges. Er will mit Verbänden Kontakt aufnehmen, die solch ein soziales Zentrum betreiben könnten.
Die stolze Zeit des „Luftkreuz des Westens“ liegt rund 80 Jahre zurück. Seit Anfang der 1960er Jahre wurde der „Butz“ schrittweise zum Gewerbegebiet umgewandelt. Namhafte Firmen wie Sony, Daimon und Kettner hatten früher hier ihren Sitz. Heute sind Markenzeichen wie Rimowa, Ikea, Netcologne und die Sparkasse Köln-Bonn hier ansässig. In den 1990er Jahren wurde des „Medienzentrum“ entwickelt. Die Sender „Vox“, „Super RTL“ und „n-tv“ haben hier ihre Adresse. Von 1999 bis 2011 wurde die Reality-Serie „Big Brother“ in den Ossendorfer Magic-Media-Studios (MMC) gedreht. Die Kandidaten mussten mehrere Wochen lang in einer Wohngemeinschaft leben und wurden dabei von Kameras überwacht. Von 1999 bis 2014 wurde der Deutsche Fernsehpreis im Coloneum in Ossendorf verliehen. Jährlich wurde das – damals noch verkehrstechnisch eher abgelegene Studiogelände zum Treff für Stars und Sternchen.
Das jüngste Großprojekt im Gewerbegebiet ist die neue zentrale Arbeitsagentur. Nach gut 30 Jahren an der Luxemburger Straße hat sie ihren Kölner Hauptsitz in die Butzweilerhofallee verlegt. Ein Neubau für 600 Mitarbeiter entstand in rekordverdächtiger Zeit durch ein innovatives Bauverfahren: industriell vorgefertigte Raummodule wurden zu mehreren – bis zu sechs Geschossen hohen – Bürohäusern zusammengefügt.
Die wichtigsten Baustellen in Ossendorf
An Großbaustellen herrscht im Stadtteil kein Mangel – und das wird auch noch lange Zeit so sein. Am Butzweilerhof entsteht in den historischen Bauten des ehemaligen Flughafens ein Eventzentrum für Oldtimerliebhaber. Auch ein Hotel gehört zu dem ambitionierten Projekt „Motorworld Rheinland“. Mitte des Jahres wird Einweihung gefeiert. Unmittelbar daneben werden Wohnhäuser errichtet.
Genossen ziehen in die Gartenhöfe
Weitere Wohnhäuser sind zwischen der Rochusstraße und der Masiusstraße in Bau. Das Projekt Ossendorfer Gartenhöfe der Ehrenfelder Wohnungsgenossenschaft ersetzt in drei Bauphasen eine Siedlung aus den 1930er Jahren. Beabsichtigt ist, dass möglichst viele der Bewohner – Genossenschaftsmitglieder – von ihrer alten in eine der neuen Wohnungen umziehen und somit im Veedel wohnen bleiben können.
Neubau für JVA
Die nächste Ossendorfer Großbaustelle wird an der Justizvollzugsanstalt eingerichtet werden. Dort ist ein Neubau geplant. Er soll von 2020 oder 2021 an in zwei Bauabschnitten von jeweils etwa drei Jahren entstehen. Die Hälfte der 1200 Häftlinge wird während der Bauphase in andere Justizvollzugsanstalten verlegt. (Rös)
Die Geschichte von Ossendorf
Ein Ochse ziert das Wappen des Stadtteils. Ob der Name Ossendorf jedoch tatsächlich etwas mit dem Tier zu tun hat, ist nicht ganz geklärt. Im Jahr 980 ist der Ort in einer Schenkungsurkunde des Erzbischofs an den Stift St. Ursula erstmals erwähnt. Gegenstand der Schenkung war ein Gehöft – vermutlich das Gut Frohnhof. Fast tausend Jahre änderte sich wenig an den Lebensverhältnissen der Menschen, die verteilt auf wenige Gehöfte lebten und arbeiteten.Der tiefgreifendste Wandel fand ab 1930 statt. Die Wohnsiedlung der Ehrenfelder Genossenschaft um die Gerhard-Bruders-Straße markiert den Beginn eines rasanten Wachstums. Die Siedlungsgemeinschaft St. Rochus folgte in den 1950er Jahren.
Ein weiteres Viertel entstand Mitte der 1960er Jahre durch die Gesellschaft Wohnbau CCAA. 1969 wurde die Justizvollzugsanstalt in Betrieb genommen.Belgische Streitkräfte prägten bis in die 1990er Jahre das Stadtteilleben stark mit. Die einstige Klerken-Kaserne an der Butzweilerstraße ist heute das Wohnviertel Ossendorfpark. Heute leben mehr als 10 000 Menschen im Stadtteil. (Rös)