Geisterhäuser in Köln-KlettenbergWarum drei Wohnblöcke seit Jahren verfallen
- Sie sehen nicht nur aus wie Plattenbauten, sie stammen auch aus dem Ostblock.
- Die Eigentümerin hat das Gebäude aufgegeben – die Stadtverwaltung ebenfalls.
- Wer der Frage nachgeht, wie es soweit kommen konnte, stößt auf einen jahrelangen Rechtsstreit um die Häuser, basierend auf einer abenteuerlichen Geschichte, die jedem Agententhriller Konkurrenz macht.
Klettenberg – Auf der Wiese steht ein verrosteter Grill. Hinter den Häusern hängen noch Basketballkörbe über einer Spielfläche, die längst von Moos überwuchert ist. Irgendwer hat notdürftig mit himmelblauer Farbe die Nummer fünf auf das mittlere Haus gemalt, das wohl schon damals als dauerhafte Unterkunft nicht mehr so richtig für voll genommen wurde. Dann waren sie weg, die Menschen, die einmal an der Friedrich-Engels-Straße 3 bis 7 gelebt und gearbeitet haben.
Seit Jahren sind die Häuser dem Verfall preisgegeben. Hinter den Zäunen und Toren, die mit Ketten verriegelt sind, vermodern die Bretter, mit denen Fenster notdürftig zugenagelt wurden. Es ist ein Sinnbild totaler Kapitulation. Die Eigentümerin hat das Gebäude aufgegeben – die Stadtverwaltung ebenfalls.
Kampf gegen Leerstand
Köln benötigt dringend mehr Wohnraum. Das Amt für Wohnungswesen kämpft deswegen zunehmend gegen Leerstand, doch auf die Häuser an der Friedrich-Engels-Straße hat die Behörde keinen Zugriff. Zwei von ihnen standen schon leer, lange bevor die Kölner Wohnraumschutzsatzung 2014 beschlossen wurde.
Das dritte wurde noch bis 2018 bewohnt und nach Aussage der Stadtverwaltung für die Unterbringung von Obdachlosen benutzt. Dabei handelt es sich ebenfalls nicht um Wohnen im Sinne der Satzung. Nach Kündigung durch die Eigentümerin musste das Gebäude zurückgegeben werden. Eine Auseinandersetzung mit ihr ist schwierig. Die drei Gebäudeblöcke gehören der Russischen Föderation und befanden sich ehemals im Eigentum der UdSSR.
Sie wurden 1974/75 gebaut und von der Handelsvertretung der damaligen Sowjetunion und der russischen Botschaft genutzt. Ein großer Teil der Räume in den Häusern sind Büros, Besprechungs- und Konferenzsäle. Doch es gibt darin auch 80 Wohnungen. Zwei der Häuser wurden bereits im Jahr 2000 verlassen, die Hausnummer 7 zwischendurch noch über eine Gesellschaft vermietet.
Gebäude sind nicht bewohnbar
Die Verwaltung hält aber keines der Gebäude mehr für bewohnbar: Auf eine Anfrage seitens des Betriebsausschusses der Gebäudewirtschaft und der Bezirksvertretung Lindenthal hat sie in einer schriftlichen Stellungnahme geantwortet, dass eine Besichtigung im Jahr 2016 ergeben habe, dass sich die Häuser in einem desolaten Zustand befinden.
Die Objekte Friedrich-Engels-Straße 3 und 5 seien marode. Sie wiesen schwerwiegende Schäden an der Betonsubstanz, Schwarzschimmel, Feuchtigkeitsschäden mit Pilzbefall und Schadstoffbelastungen auf. Die technische Ausstattung sei marode. „Die Kosten einer Instandsetzung beliefen sich auf 11 Millionen Euro. Sie dürften sich inzwischen weiter erhöht haben.“
Für das Objekt Friedrich-Engels-Straße 7, an dessen Eingang sich noch Klingelschilder befinden, ergebe sich ein ähnliches Bild, wobei ein undichtes Dach hinzukommt.
Herr Sedelmayer aus Bayern
Wer der Frage nachgeht, wie es soweit kommen konnte, stößt im Internet auf einen jahrelangen Rechtsstreit um die Häuser, basierend auf einer abenteuerlichen Geschichte, die jedem Agententhriller Konkurrenz macht.
Sie beginnt Mitte der 90er Jahre, als ein gewisser Franz Sedelmayer aus Bayern als „Sicherheitsberater“ nach Sankt Petersburg reiste. Er hatte den Auftrag, die dortige Polizei auszubilden. Diese stellte ihm ein Grundstück zur Verfügung, mit einer hochherrschaftlichen, aber maroden Villa aus der Zarenzeit, die Sedelmayer für viel Geld sanierte.
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Doch Anfang der 90er-Jahre, nach dem Zerfall der Sowjetunion, wechselten Akteure und Gesetze ständig. 1994 enteignete Boris Jelzin, der damalige russische Staatspräsident, Sedelmayer, um auf dem Anwesen ausländischen Besuch unterzubringen.
Der selbstbewusste Bayer reagierte: Er verklagte Russland auf Entschädigung, für seine Investitionen in die Firma und die Immobilien, das beschlagnahmte Material und die entgangene Nutzung des Grundstücks.
Grundlage war ein Investitionsschutzabkommen zwischen Deutschland und Russland, das als Ort für Schiedsverfahren Stockholm festlegt. Dort fällte das Schiedsgericht 1998 sein Urteil: Russland schuldete Sedelmayer rund zwei Millionen Dollar, verzinst mit zehn Prozent. Doch der Staat zahlte nicht.
Jagd auf russisches Eigentum
Sedelmayer begann, Jagd auf russisches Eigentum im Ausland zu machen – und fand es unter anderem in Köln, in Gestalt von drei Häusern an der Friedrich-Engels-Straße. Sedelmayer erwirkte mit seinem Gerichtstitel vor dem Kölner Amtsgericht eine Zwangshypothek auf die Immobilien.
Zwar gelang es Sedelmayer, zwischendurch ein wenig Miete von dem letzten bewohnten Haus einzustreichen, dieses machte aber nur einen Bruchteil der ihm geschuldeten Summe aus. So wurden die Gebäude in den folgenden Jahren nacheinander zwangsversteigert. Höchster Bieter: jeweils russische Unternehmer, Strohmänner des russischen Staates. Das Ergebnis: Russland bekam die Häuser zurück, Sedelmayer wieder kein Geld.
„Kreml-Schreck“
Irgendwann nach der dritten Versteigerung im vergangenen Jahr, 20 Jahre nach dem Stockholmer Urteil, wurden die Forderungen dann doch getilgt. Der bayerische Geschäftsmann ging in die Geschichte ein, als „Kreml-Schreck“, als der einzige, der jemals erfolgreich gegen den russischen Staat zwangsvollstreckt hat.
Zurück bleiben drei Geisterhäuser an der Friedrich-Engels-Allee und die Ratlosigkeit im Umgang mit ihnen. Sie spricht aus der Stellungnahme der Stadtverwaltung auf die Frage nach dem Umgang mit den Häusern: „Gegen eine Anmietung oder Erwerb sprechen negative Erfahrungen mit den Vertretern der Eigentümerin, der Russischen Föderation, im Hinblick auf eine zuverlässige und konstruktive Kommunikation über Vertragsverhandlungen oder Sanierung“, heißt es in der Antwort. Auch fürchte man weiterhin einen Zugriff von Gläubigern der Russischen Föderation auf die Gebäude.
Das Fazit der Verwaltung: „Vor dem geschilderten Hintergrund bedarf es diplomatischer statt ordnungsbehördlicher Lösungsansätze. Diese würden ausgelotet.“ Solange verfallen die Häuser weiter.