Die FDP hat eine Idee präsentiert, um die Verkehrswende in Köln möglicherweise zu beschleunigen – ist sie visionär oder unrealistisch?
Utopie oder mutige Vision?So will die Kölner FDP die Verkehrswende forcieren
Die Kölner FDP will die aktuell knapp 5000 Park-and-Ride-Plätze in Köln in den nächsten fünf Jahren verdoppeln und in den nächsten zehn Jahren verdreifachen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die FDP einen spektakulären Plan entworfen, wo sie eine große neue Umsteigestation vom Auto auf die Bahn für sinnvoll hält und wie sie aussehen könnte.
An und vor allem über der Autobahn 4, Ausfahrt Klettenberg, soll demnach ein Mobilitätszentrum mit unter anderem 4700 Auto-Parkplätzen gebaut werden. Das sieht die größte der drei Varianten vor. Dabei entstünde über der Autobahn ein Parkhaus, das im Baukastenprinzip um weitere Parktürme erweitert werden könnte, die miteinander verbunden sind. Aus den Parkhäusern könnten die Autofahrer laut FDP auf die angrenzende Stadtbahnlinie 18 wechseln, allerdings müsste dafür eine neue Haltestelle entstehen.
Die anderen beiden Variante sind eine übliche Parkpalette mit 730 Stellplätzen direkt an der Bahntrasse sowie ein sogenannter monolithischer Block mit 4200 Parkplätzen, der über die Autobahn reicht. Die beiden großen Varianten haben zusätzlich große Photovoltaik-Anlagen, sie sollen gemeinsam mit den eingesparten gefahrenen Auto-Kilometern die Klimabilanz aufhellen.
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Die Verfasser haben die Studie wegen der Nähe zur Luxemburger Straße „Das Luxemburger Tor“ genannt und verstehen sie als Diskussionsbeitrag und als Anregung. Zu ihnen zählt Thomas Schmeckpeper, der 2020 für die Wählergruppe Gut den Einzug in den Stadtrat verpasst hat und auch die Seilbahnpläne für Köln forcieren will.
Tatsächlich fehlt es Köln nicht an Visualisierungen, die schön aussehen und einen Blick in eine mögliche Zukunft werfen – aber letztlich nie umgesetzt werden. Die Fragen, die sich in solchen Fällen stellen, ähneln sich: Sind die am Computer erstellten Bilder eine realistische Vision oder doch nur eine schöne Utopie? Hilft der Plan der FDP also bei der Verkehrswende und bei der angestrebten Klimaneutralität?
Martin Lanzendorf hat die Professur für Mobilitätsforschung an der Universität Frankfurt inne, er sagt: „Es stellen sich bei solchen Ideen viele Fragen: Wie viel kostet das? Wer zahlt es? Wer nutzt es? Ist es Teil einer gesamtstädtischen Strategie? Ich sehe die Varianten mit den vielen Auto-Parkplätzen kritisch, weil die Wege vom Parkplatz zur Bahnhaltestelle teils sehr lange sind. Das ist unattraktiv für die Nutzer, zumal es nur eine Stadtbahn-Anbindung gibt und beispielsweise keine S-Bahn.“ Lanzendorf bezeichnet eine übliche Parkpalette als am sinnvollsten, sie ist seiner Aussage nach am günstigsten und am einfachsten umzusetzen.
FDP-Fraktionschef Ralph Sterck sagt zu den Plänen: „Das sind dicke Bretter, die wir da bohren müssen.“ Zumal die FDP mit ihren fünf von 90 Sitzen im Rat für eine politische Mehrheit das Bündnis aus Grünen, CDU und Volt überzeugen muss. Gespräche will Sterck Anfang des Jahres führen, für die Finanzierung schwebt ihm ein Investor vor. Schmeckpeper sagt zur Frage, wie realistisch die Idee ist: „Wir können ja nicht den Kopf in den Sand stecken.“
Aktuell bieten die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) an 24 Standorten Park-and-Ride-Anlagen, darunter sieben Parkhäuser. Insgesamt können dort 4764 Autos parken, laut KVB ist die Auslastung unterschiedlich stark. Die FDP will nun mindestens eine Verdopplung, besser eine Verdreifachung.
Das sind ambitionierte Ziele, das zeigt das Beispiel des geplanten Ausbaus der Anlage Weiden West, die bislang 680 Plätze hat. 2015 beschloss der Stadtrat den Bedarf einer Parkpalette für rund 1200 Autos, 2022 sollte der Bau beginnen, 2024 beendet sein. Das wird nicht klappen, wie ein KVB-Sprecher mitteilt.
Erst 2024 beginnt demnach der Bau, der 2025/2026 fertig sein soll. Im schlimmsten Fall dauert es also vom Grundsatzbeschluss des Rates bis zur Fertigstellung elf Jahre. Weitere neue Anlagen folgen erst danach. Damit ist auch klar: Das Gestaltungsbündnis aus Grünen, CDU und Volt verfehlt sein selbst gestecktes Ziel, weitere Park-and-Ride-Anlagen bis 2025 umzusetzen.
Mobilitätsforscher Lanzendorf sagt: „Park-and Ride-Stellplätze sind häufig der Versuch, einen Konsens mit den Autofahrern zu finden. Solange es in Städten aber noch so viele kostenlose Parkplätze gibt, ist es für viele attraktiver, mit dem Auto in die Stadt zu fahren. Warum sollen sie umsteigen, wenn sie schon im Auto sitzen?“
Die FDP ist trotzdem überzeugt, dass es „neue Park-and-Ride-Plätze in einem bisher nie überlegten Umfang braucht – und das möglichst nah an der Stadtgrenze“. Das sagt ihr verkehrspolitischer Sprecher Christian Beese. Im Netz der bisherigen Anlagen fehlt laut FDP ein Standort eben im Kölner Süden.
Die Vorteile vor allem der Baukastenvariante laut der Studie: Die Türme sind flexibel in Höhe und Anzahl zu bauen, sind teilweise aus Holz und könnten auch an anderen Autobahnen gebaut werden. Im obersten Stockwerk soll es Veranstaltungsräume geben, etwa für Sport oder Kultur. Auch Räder sollen Platz finden, dazu könnte ein Teil als Quartiersgarage benutzt werden. Und der über die Photovoltaik-Anlagen gewonnene Strom soll direkt verbraucht werden, etwa für Elektroautos.
Info: PendelverkehrLaut des Statistischen Landesamtes NRW pendelten vergangenes Jahr 4,8 Millionen Erwerbstätige in andere Städte, 346.086 davon nach Köln hinein und 165.510 heraus. In NRW nutzten laut einer anderen Statistik der Behörde im Jahr 2020 insgesamt 70,3 Prozent der Pendlerinnen und Pendler das Auto, 12,5 Prozent den Öffentlichen Personennahverkehr, 10,1 Prozent das Rad und 0,8 Prozent ein Motorrad. 5,8 Prozent gingen zu Fuß.
Allerdings sind die beiden Statistiken laut einer Sprecherin nicht miteinander zu kombinieren. Und die Erhebung zu den Verkehrsträgern ist demnach auch schon zwei Jahre alt, neuere Daten gibt es noch nicht. Es kann sich also etwas daran verändert haben.