AboAbonnieren

WohnungsnotLindenthaler wollen Wohnungen auf Supermarktdächer bauen

Lesezeit 4 Minuten

Ortsbesichtigung vor einem Supermarkt: Bezirksvertreter Inge Klein (Grüne, l), Lothar Müller (Die Linke), Claudia Pinl und Florian Weber-Baranowsky (beide Grüne).

Lindenthal/Sülz – Aldi, DM, Jacques' Weindepot, Lidl, Netto und Rewe - die Rhöndorfer Straße ist eine feste Anlaufstelle für den wöchentlichen Großeinkauf vieler Kölner. Filialen konkurrierender Supermarktketten koexistieren dort in Eintracht. Die flachen Bauten mit den riesigen Parkplätzen haben eines gemeinsam: Viel freien Platz auf ihren Dächern und neben den Gebäuden.

Diesen Freiraum könne man angesichts der herrschenden Wohnungsnot besser nutzen, finden die Lindenthaler Bezirkspolitiker. „Über den Supermärkten und Parkplätzen an der Rhöndorfer Straße könnte man noch einige Stockwerke mit Wohnungen errichten", sagte der stellvertretende Bezirksbürgermeister Roland Schüler bei einem Ortstermin. Giebeldächer könnten dafür leicht zurückgebaut werden.

Berlin macht es vor

Die Bezirksvertretung Lindenthal hat nun auch einstimmig den passenden Beschluss verabschiedet. Damit beauftragt sie die Verwaltung zu prüfen, inwieweit im Stadtbezirk Lindenthal die Flächen des Einzelhandels und ihre Parkplätze für zusätzlichen Wohnungsbau erschlossen werden können.

Gleichzeitig gibt sie der Stadtverwaltung eine Methode an die Hand, wie sie dieser Aufgabe nachkommen soll: Die Verwaltung könne bestehende Koordinierungsstellen - wie für das städtische Baulückenprogramm - personell so aufstocken, dass Mitarbeiter für jeden Stadtbezirk bestimmt werden, die mit Eigentümern, Pächtern und Investoren in Verhandlungen treten, um die mindergenutzten Flächen und Parkplätze für den Wohnungsbau zu erschließen.

Die Idee, über Supermarktfilialen und auf Teilen der Parkplätze Wohnungen zu errichten, ist nicht neu. Schüler kann Beispiele aus anderen Städten nennen. „In Bocholt wird gerade ein großer Rewe-Markt aufgestockt“, weiß der stellvertretende Bezirksbürgermeister zu berichten. Auf dem Dach entstünden Wohnungen. In München wird über einem Parkplatz ein Pfahlbau errichtet, in dem Wohnungen entstehen. Auf Berliner Supermärkten sollen 9000 Wohnungen gebaut werden.

Verhandlung mit Supermärkten schwierig

Und auch im Kölner Stadtrat ist die Idee bereits angekommen. Im vergangenen Jahr hatte die FDP-Fraktion eine Anfrage an die Stadtverwaltung gestellt, ob ihr das Berliner Modell bekannt sei, welche vergleichbaren Überlegungen es in Köln gebe, ob die Verwaltung Potenzial für neue Wohnungen auf Kölner Supermarktdächern sehe und wie sie mit den entsprechenden Betreibern ins Gespräch über Modellprojekte kommen möchte.

Die Verwaltung zeigt sich der Idee gegenüber aufgeschlossen. Diese gemischte Nutzung würde grundsätzlich angestrebt, heißt es in der Antwort. Sie umzusetzen, sei aber sehr schwer. In einem ersten Schritt müsse eine stadtweite Bestandsaufnahme erfolgen. Die jeweiligen Eigentümer und Betreiber müssten kontaktiert werden. Im Regelfall, so die Verwaltung, gestalteten sich besonders die Gespräche mit den Investoren äußerst schwierig. Das Stadtplanungsamt habe viel Erfahrung mit derartigen Verhandlungen.

„Die Eigentümer sind oft an lange Pachtverträge mit den Supermarktketten gebunden“, sagt Amtsleiterin Anne Luise Müller. „Wenn einer Supermarktkette das Grundstück, auf dem sie ihre Filiale betreibt, selbst gehört, lehnt die Geschäftsleitung eine Überbauung mit dem Hinweis ab, dass sie kein Bauunternehmer sei." Zudem könne man auf den Hallen, in denen sich die Filialen befinden, aus statischen Gründen zumeist gar nicht aufstocken. Sie müssten abgerissen und auf dem jeweiligen Areal neu gebaut werden. Dass es auch anders gehen kann, zeigt ein Projekt in Berlin-Steglitz. Um auf einem Supermarkt Wohnungen zu errichten, wurden Stützenkonstruktionen des Gebäudes und das Fundament an den Wochenenden nach Ladenschluss nach und nach verstärkt.

Neue Filialen sollen mit Wohnungsbau kombiniert werden

„Es ist natürlich unser Interesse, dass diese Flächen möglichst für Wohnungsbau genutzt werden", so Müller. „Aber wir konzentrieren uns lieber auf die Einzelhandelsfilialen, die neu gebaut werden und versuchen, sie in Wohnungsbau zu integrieren." Im Bestand aufzustocken halte sie für äußert schwierig.

Genau bei dieser schwierigen Situation möchte die Bezirksvertretung Lindenthal ansetzen, indem sie die Verwaltung auffordert, einen Koordinator für jeden Stadtbezirk zu ernennen, dessen Aufgabe es unter anderem ist, die richtigen Akteure an einen Tisch zu holen. „Es bedeutet natürlich viel Aufwand, die Wirtschaftsinteressen der Unternehmen mit dem Gemeinwohl zu verknüpfen", betonte Claudia Pinl, Fraktionsvorsitzende der Grünen, in der Bezirksvertretung. Die Unternehmen würden sich beispielsweise sicher nicht von der Parkfläche trennen.

„Die Möglichkeit, dass Parkfläche zur Verfügung gestellt wird, macht das Einkaufen bei Netto, Lidl und Co attraktiv", so Pinl. Man könne zwar überlegen, ob man die Flächen vielleicht durch Tiefgaragen ersetze. Deren Bau sei aber teuer und für Investoren nicht erstrebenswert. Allerdings sei angesichts der Wohnraumnot und des Platzmangels in Köln auch nicht hinzunehmen, dass riesige Parkplätze zu manchen Tageszeiten leer stehen.

Aldi sei gesprächsbereit

Ob und wie es Koordinatoren gelingen kann, die Grundstückseigentümer und Supermarktbetreiber für die Idee, nachträglich auf den Grundstücken Wohnungen zu bauen, gewinnen kann, ist aus Sicht der Stadtverwaltung bislang fraglich. „Wir sprechen doch sowieso bereits dauernd mit den Unternehmen", sagt Anne Luise Müller. „Aber man kann die Möglichkeiten nochmal in Ruhe prüfen."

Eine Supermarktkette zeigte sich jedenfalls gesprächsbereit. „Zu unserer Filiale an der Rhöndorfer Straße können wir natürlich nichts sagen, denn da gibt es ja noch keinerlei Pläne", sagt Anamaria Preuss, Pressesprecherin von Aldi. „Wir stehen Gesprächen aber offen gegenüber."